Delphi-Studie zur Entwicklung der deutschen Holzwirtschaft bis 2020

Veränderungen rechtzeitig erkennen

Ein tiefgreifender Wandel steht der Holzwirtschaft in den nächsten 15 Jahren bevor. In allen Bereichen, sei es das Image von Holz, die Erwartungen der Konsumenten oder auch der Sektor Produktentwicklungen, werde es einschneidende Veränderungen geben. Zu diesem Ergebnis kam die "Delphi-Studie zur Entwicklung der deutschen Holzwirtschaft bis 2020", die Marcus Knauf von Knauf Consulting beim Zukunftssymposium des GD Holz in Wiesbaden vorstellte.

Das System einer Delphi-Studie basiert anders als andere Studien nicht auf Befragung sehr vieler Teilnehmer, sondern einiger Marktkenner. In dem aus Mitteln des Holzabsatzfonds geförderten Projekt tauschten ca. 200 Experten der europäischen Holzwirtschaft in drei Runden ihre Einschätzungen aus. Am Ende soll keine Vorhersage stehen, Trends und Optionen lassen sich nach Ansicht der Verantwortlichen aber sehr wohl aus den Befragungen ableiten. "Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorherzusagen, sondern auf die Zukunft vorbereitet zu sein, also rechtzeitig über mögliche Entwicklungen und ihre Konsequenzen nachzudenken", zitierte Marcus Knauf einen niederländischen Topmanager. Aus der Delphistudie leitete Marcus Knauf neun Thesen ab:

These 1:
Das Ende der "heilen" Holzwelt

65 % aller Teilnehmer der Studie hielten es für "wahrscheinlich", 25 % für "sicher", dass künftig für den Einsatz im Baubereich vermehrt Produkte der Holzwerkstoffindustrie angewendet werden - die Holzwerkstoffindustrie also verstärkt in Konkurrenz zur Sägeindustrie tritt.

Dazu Knauf: Für Holzverarbeiter wird zunehmend der Konsument im Mittelpunkt stehen, nicht der Werkstoff. Aus diesem Blickwinkel werden Holzverarbeiter den Werkstoff Holz künftig verstärkt auf seine Zweckmäßigkeit überprüfen. Gewinner wird in vielen Bereichen die Holzwerkstoffindustrie sein. Es wird vermehrt zur Zusammenarbeit und Vermischung (Produkte, Personal u.a.) von Industrien kommen. 66 % der Teilnehmer der Delphi-Studie erwarten, dass sich Denkweise und Strukturen durch vielfache Bewegungen innerhalb der deutschen Holzwirtschaft "wahrscheinlich" verändern werden; 22 % halten folgendes Szenario für "sicher": Ausländische Investoren kommen, deutsche Unternehmen gehen ins Ausland. Die Inhaber ziehen sich zurück, treten in den Hintergrund oder gehen in Rente. Deshalb werden verstärkt Controllingstrukturen in den Unternehmen aufgebaut. Unternehmenskulturen weichen auf. Headquarter übernehmen das Geschäft; sie denken deutlich weniger produktionsorientiert. Im Vordergrund steht kundenorientiertes Marketing.

These 2:
Mehr Kunden- und Marktorientierung

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Image von Holz einem Wandel unterliegen wird. Gesundheit und Wohlfühlen werden wichtigere Verkaufsargumente für Holz- und Holzprodukte werden als Ökologie, Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität. "Die meisten Kunden werden nur für Produkteigenschaften mehr Geld ausgeben, von denen sie persönlich profitieren, und nicht für umweltfreundliche Eigenschaften" - dies hielten zwar 16 % der Teilnehmer für "unwahrscheinlich", aber 63 % für "wahrscheinlich" und 14 % für "sicher".

Verbrauchernutzen wurde in dem Begriff "Convenience wood" zusammengefasst. Er geht davon aus, dass der Konsument und der Handwerker einfache und schnelle Systeme bevorzugen werden. Dass Holzprodukte 2020 in starkem Maße standardisiert ("verlässlich") und wesentlich schneller verarbeitbar sein werden, erschien 54 % der Teilnehmer der Studie "wahrscheinlich", 33 % "sicher".

Gleichzeitig wird der Studie zufolge der Wunsch nach "Individualität und individuellen Lösungen auch in preisgünstigen Segmenten" befriedigt werden. 54 % der befragten Experten aus dem Möbelbereich hielten dies für "wahrscheinlich", 42 % für "sicher". Von Manufaktur-Produkten wird angenommen, dass sie lediglich Marktnischen bedienen werden.

Einer engagierten und erfolgreichen Markteinführung neuer Produkte wird laut Studie künftig zunehmende Bedeutung zukommen. Fast 90 % aller Befragten erwarten dies.

Sehr viel unterschiedlicher fiel die Einschätzung der künftigen Bedeutung des Großhandels für den Vertrieb aus. Über die Hälfte der Befragten glaubt an das "wahrscheinliche" Fortbestehen des Großhandels, weil die Industrie ihn vor allem für das Detailgeschäft brauche. Für 15 % war die künftige Entwicklung "unklar", 16 % hielten den Holzfachhandel (Großhandel) für unverzichtbar, seine Zukunft daher für "sicher".

Hinsichtlich der Zukunft des Vertriebswegs Internet herrscht die Wahrscheinlichkeits-Erwartung vor (57 %), dass das Internet von der Industrie bis 2010 lediglich als Informations- und Kommunikationsmedium für die endverbrauchernahen Bereiche, nicht aber zum Verkauf genutzt werden wird. Marcus Knauf gab jedoch zu bedenken, dass sich die Situation (z.B. durch Investoren aus USA) schnell ändern könne.

These 3:
Perfektionierte Industrialisierung der Holzwelt

Erwartet wird, dass sich die Holzindustrie nach dem Vorbild und in ähnlicher Weise wie andere Industriebereiche entwickeln wird: "Erfolgreiche Unternehmen der Holzindustrie werden 2020 ähnlich produzieren wie eine Autofabrik (verbesserte Wertkette, industrielle Prozesse, Nullfehlerprinzip)" - diese Prognose erschien 73 % der Teilnehmer an der Delphi-Studie "wahrscheinlich", 18 % sogar "sicher". In dem Holz zunehmend zu einem Industrieprodukt werde, werden Holzprodukte standardisierter, zuverlässiger und endlos reproduzierbar.

These 4:
Die Holzbearbeiter kämpfen für Holz und werden verstärkt zum Verarbeiter

Holz wird ein Werkstoff von mehreren. Außerdem wird der wirtschaftliche Druck auf den Bearbeiter stärker - er muss seine Wertschöpfungskette optimieren und wird dadurch zum Holzverarbeiter.

These 5:
Die Marke "Holz" muss sich gegen Imageprobleme wappnen

Dazu Markus Knauf: Beim Verbraucher seien Vorbehalte ("Holz brennt und fault") zu überwinden, im Markt seien Holzprodukte schwer als Markenprodukte zu profilieren, vor allem aber drohe "die Gefahr eines Supergaus für das Image von Holz". Knauf verwies hier auf die zu erwartenden strengeren Produktnormen (VOC u.a.). Es sei zu befürchten, dass der Konsument durch die künftige Normung, die das Augenmerk auf Toxine lenke, und die Werbung für Holz als natürliches Produkt stark verunsichert werde. Es werde leicht sein, mit großem Erfolg "Urängste" zu aktivieren.

Imageprobleme dieser Art könnten auch bei den Geldgebern zu Reaktionen führen (Stichwort: Basel II) - diese Möglichkeit zogen 57 % der Teilnehmern der Delphi-Studie als "wahrscheinlich" in Betracht, 14 % waren sich dessen sicher, 18 % unsicher.

Auf der anderen Seite hielten es die meisten (57 %) für wahrscheinlich und 29 % für sicher, dass "die Einflussnahme der Holzindustrie auf politische Entscheidungen bis 2020 sehr gering bleiben wird". Von Lobbyarbeit wird keine verbessernder Einfluss erwartet.

These 6:
Die Themen Umwelt und Ökologe verlagern sich

Für den Verbraucher verlieren diese Argumente zunehmend an Relevanz und Kraft. Bedeutung haben sie auf politischer Ebene sowie im Bereich der Verfahrenstechnik.

These 7:
Gegensätze lösen sich auf

Gegensätze wie Produkt-Standardisierung und Produkt-Individualisierung werden sich auflösen. Beide Anforderungen werden zunehmend integriert. Erfolgreichen Unternehmen wird das Sowohl-als-Auch (Stichwort: cheap chic) gelingen.

Der provozierenden These, dass "Holz und Holzprodukte in Zukunft überwiegend im Discount- und Billigbereich dadurch erfolgreich seien, dass sie preiswert sind" - dieser provozierenden These stimmten die Teilnehmer der Studie nur zögernd zu:

Zwar hielten 32 % diese Entwicklung für "wahrscheinlich", aber relativ üppige 40 % votierten für "unwahrscheinlich". "Sicher" erschien dieses Zukunftsbild nur 6 %.

These 8:
Flexibilität wird zum "Treibstoff"

"Bei der Massivholzbe- und -verarbeitung wird Flexibilität in der Fertigungstechnik in den nächsten zehn Jahren ein sehr wichtiger Motor für die Entwicklung sein. Im Vordergrund wird die Einstellung auf kleinere Losgrößen stehen". Diese Entwicklung wird nahezu unstrittig gesehen: 57 % halten sie für "wahrscheinlich", 37 % für "sicher". Auswirkungen auf die Organisationsentwicklung und Personalpolitik erwartete Knauf als Konsequenz daraus, dass das Outsourcing in der Holzverarbeitung zunehmen werde - was nach Auswertung der Studie drei Viertel aller Befragten erwarten (55 % "wahrscheinlich", 20 % "sicher"). Konkret wird erwartet, dass "die Fertigungstiefe in der deutschen Holzindustrie sinken wird, das Outsourcing zunimmt und die Zulieferer stärker in die Produktion einbezogen werden."

These 9:
Veränderungen durch die globale Welt

Viele der zuvor skizzierten Entwicklungen sind eine Folge der Globalisierung der Märkte. Druck auf die deutsche Holzindustrie erwartet Knauf vor allem aus Osteuropa. Andererseits werde der Export neue Märkte erschließen. Gleichzeitig werde sich bei den Konsumenten zunehmend ein weltweiter Geschmack ausbilden (Stichwort: Ikea). Insgesamt zeichne sich ab, dass der durchschnittliche Endverbraucher "internationaler, älter, gebildeter, anspruchsvoller, individueller, weiblicher, zeitknapper und geiziger" werde.
aus Parkett Magazin 01/05 (Holz)