"Leimfrei" - leidenschaftlos betrachtet


Häufig wird bei der Verlegung das Attribut "leimfrei" im Sinne eines Vorteils verwendet. Sachlich betrachtet ist "leimfrei" jedoch zunächst wertneutral.

Bei Laminatböden und Furnierböden sind mechanische Verriegelungen vom Markt nicht mehr wegzudenken; sie können als Stand der Technik bezeichnet werden. Die Systeme basieren hier in aller Regel auf Verlegelelementen mit Trägerplatte aus HDF oder Spanplatte und Kurzlängen bis zu ca. 120 cm. Bei der Verlegung hat sich der Verzicht auf Leim in Nut und Feder eingebürgert.

Bei dreischichtigtem Fertigparkett geht die gängige Auffassung davon aus, dass die holztechnologischen Eigenschaften einer 4 mm dicken Massivholzauflage als Decklage eine querverleimte Stäbchenmittellage sowie einen Gegenzug als Stabilisierung erfordern.

Bald nach dem Auftreten von dreischichtigem Fertigparkett mit Click, Snap und Loc hat sich der Hinweis "leimfrei" als werbewirksame Aussage verselbständigt. Geschicktes Marketing erstickt den Versuch, auf kritische Distanz zu gehen.

Pro und Contra "leimlose Verlegung"

Die Vorteile
Die am häufigsten genannten Vorteile sind
- höhere Verlegegeschwindigkeit
- Selbstausrichtung der Dielen bei der Verlegung
- Wiederaufnehmbarkeit des Bodens
- das Risiko der Fugenbildung wird reduziert.

Als klarer Vorteil ist insbesondere die Selbstausrichtung der Dielen anzuerkennen. Gerade bei der Verlegung der ersten Reihe passieren Fehler, die nicht mehr zu korrigieren sind. Sie potenzieren sich, indem sie sich über den ganzen Boden als "Winkelfehler" fortsetzen und u.a. Fugenbildung begünstigen.

Die Nachteile
- Die Nut- und Federverbindung längs, vor allem aber stirnseitig wird durch den Verzicht auf eine Leimgabe deutlich geschwächt.
- leimfreie Verlegung wird von etlichen Herstellern (offenbar wegen Zweifeln an der Festigkeit der leimlosen Verlegung) für gering beanspruchte Wohnbereiche empfohlen.
- der Verzicht auf Leim bedingt, dass dessen feuchteabsperrende Wirkung verloren geht, die Fugen bzw. Kanten also erhöhte Empfindlichkeit gegen Feuchte aufweisen und deshalb von einigen Herstellern verschiedene Methoden der Kantenimprägnierung angeboten bzw. für erforderlich erachtet werden.
- die Erfahrungen bei Fertigparkett sind noch jung, zuverlässige Langzeitergebnisse mit Böden, die ohne Leimzugabe in Nut und Feder verlegt wurden, liegen nicht vor.
- das Haftungsrisiko liegt beim Händler oder Verleger. Es ist nie sicher, ob es den Lieferanten von heute in fünf Jahren noch gibt.

Pro und Contra "mechanische Verlegung"

Der Vorteil
Eine präzise, sauber produzierte mechanische Verriegelung bietet einen Vorteil: Das Einrasten der Längs- und Querprofilierung erleichtert die Verlegung und führt mit hoher Sicherheit zu einem Parkettboden mit dichten Fugen (zumindest zum Zeitpunkt der Verlegung).

Die Nachteile
Das Verriegelungssystem selbst lässt kaum Nachteile erkennen. Problematisch sind jedoch einige Begleitfaktoren:
- Fertigparkett mit mechanischer Verriegelung wird gegen Aufpreis verkauft, am fertigen Boden ist aber nicht zu erkennen, ob der Verleger "geklickt" hat oder nicht.
- Hersteller, die sich darüber im Klaren sind, dass mit dem Verzicht auf Leim auch Stabilität verloren geht, kompensieren diesen Mangel , indem sie die mechanische Verbindung so herstellen, dass sie "strammer" hält. Jedoch geht der Vorteil schnellerer Verlegung verloren, denn sie erfordert erhöhten Kraftaufwand.
- Einige Hersteller streben maximale Festigkeit in der Verbindung an, indem Profil und Verlegemethode auf dem Fügewinkel basieren. Dieses Verfahren erfordert aber in der Regel einen zweiten Verleger oder aufwändige Verlegehilfen. Schwierigkeiten bereitet der Fügewinkel an Türfuttern und Heizungsrohren. Die in der Fläche gewonnene Zeit verliert sich wieder an diesen kniffligen Stellen.

Was bringt die Zukunft?

Aus der Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile leimfreier wie mechanischer Verlegung lässt sich nach vorsichtiger Einschätzung die weitere Entwicklung ableiten:

- Eine gute mechanische Verriegelung bietet als Verlegehilfe eindeutige Vorteile. Ohne Aufpreis wird sie sich auch bei Fertigparkett durchsetzen.
- Die Industrie wird bei höherer Beanspruchung im Interesse eines einwandfreien Verlegeresultats dazu übergehen, die Beigabe von Leim in Nut und Feder generell zu fordern.
- "Leimfrei" wird als Werbeaussage in den Hintergrund treten und bei Qualitätsprodukten durch den Hinweis "Fugenfrei" ersetzt werden.
- Der Qualität des Holzes für die Mittellage, aus der die mechanische Verbindung profiliert wird, kommt eine erhöhte Bedeutung zu. Gerade hier wird sich schnell Spreu von Weizen trennen.
- Hinsichtlich der Patentstreitigkeiten werden alle Beteiligten erkennen, dass die Verunsicherung der Kunden samt Imageschaden ebenso vermieden werden sollte wie die hohen Anwaltskosten.

Die Sache ist es wert, dass eine Konzentration auf das Wesentliche einsetzt: Die Sicherstellung von Qualität und Kundennutzen!
aus Parkett Magazin 03/02 (Bodenbeläge)