Estrichpass - Wird es ihn jemals geben?

Gewerke streiten um Ansatz und Inhalte

Die Idee stammt vom ehemaligen Bundesinnungsmeister Dieter Große: ein Estrichpass, der dem Bodenleger verrät, auf welchem Untergrund er seine Arbeit ausführt. Doch das Vorhaben kommt nicht recht vom Fleck. Zu viele Bedenken und Einwände hemmen den Fortgang.

Der Estrichpass ist ein guter Ansatz. Er soll den Informationsfluss auf der Baustelle erleichtern, Fehler und Folgeschäden vermeiden helfen und niemandem weh tun. Leider gibt es noch nicht einmal einen Entwurf. Der Grund liegt auf der Hand: Bedenkenträger führen das Wort. Von Seiten der
Estrichleger-Vertreter ist man skeptisch: "Da kommt Mehrarbeit auf uns zu. Da legen wir uns schriftlich fest ..."

Die Diskussion lässt sich nicht allein auf den Faktor Zeit reduzieren. Das gewichtigste Gegenargument: Es gibt bereits ein ideales Informationsblatt. Diese sogenannte "Schnittstellenkoordination bei beheizten Fußbodenkonstruktionen" von 1998 könnte Vorbild sein. Alle haben an der Fachinformation mitgewirkt: Estrichleger (BEB), Parkett- und Bodenleger (BIV), Heizungsbauer (BVF), der ZDB, die Parkettindustrie (vdp) und das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF). Das 12-seitige Planungs- und Bauablaufprotokoll hat den großen Vorteil, alle am Bau verantwortlich Beteiligten einzubeziehen. Jedem Punkt ist vorangestellt, wer die Frage zu beantworten hat: vom Bauherrn (BH) über den Planer (PA), Bauleiter (BL) bis zu den Gewerken Estrichleger (EL) und Oberbodenleger (OL).

Aber wird das umfangreiche Protokoll auch genutzt? Joachim Barth, Bundesinnungsmeister: "In der Realität wird dieses Protokoll nirgendwo ausgefüllt. Nur wer den Estrich eingebaut hat, kann uns Boden- und Parkettlegern sagen, was das für ein Untergrund ist." Rolf Wanke ergänzt: "Wir wollen unsere Parkettleger ja schulen, was welcher Estrich kann. Aber dazu muss man auch wissen, welcher Estrich verlegt wurde."

Unterstützung erhalten die Streiter des Oberbelags von der Klebstoffindustrie. Dr. Roland Krieger (Uzin): "Wir sind sehr daran interessiert den
Estrich zu kennen. Sonst geben wir unter Umständen falsche Aufbauempfehlungen."

Das Leistungsverzeichnis einer Bauausschreibung scheint kein verlässlicher Anhaltspunkt. Es nennt den Soll-Zustand. Zu häufig jedoch wird im Baugeschehen davon abgewichen. Auch die Schlussrechnung enthält nicht immer korrekte Angaben. Wurde ein Zementestrich ausgeschrieben, jedoch zum gleichen Preis ein Anhydritestrich verlegt, erfolgt in der Endaufstellung nicht unbedingt eine Änderung. Ein Estrichpass dagegen, lautet die Hoffnung, erfasst den Ist-Zustand - das, was tatsächlich am Bau verlegt wurde.

Neue Besen mögen gut kehren, doch sie werden nicht immer gern in die Hand genommen. So auch der Estrichpass. "Man muss dem Estrichleger einen Vorteil bieten, sofern er einen solchen Pass hinterlegt", sagt Dr. Thomas Brokamp (Bona). Welcher gemeinsame Nutzen das sein könnte, formuliert Joachim Barth: "Damit die Gewerke auf der Baustelle nicht gegeneinander ausgespielt werden, müssen sie sich zusammentun und austauschen, egal, was für ein Zettel schließlich ausgefüllt wird."

Dieser Anreiz wird kaum reichen. "Die Akzeptanz eines Estrichpasses ist dem Estrichleger nicht zwingend vorzuschreiben", erklärt Edgar Leonhardt vom BEB. Was, wenn der Estrichleger versehentlich einen falschen Eintrag macht? Wie stark verpflichtet ihn ein "Pass" juristisch? Genau hier liegt die Crux. Ein Estrichpass, einfach an den Oberbodenleger überreicht, würde eine entscheidende Schnittstelle im Bauablauf ausklammern: den Bauherrn oder Planer, der nach VOB verpflichtet ist, alle erforderlichen Information vom Vor- an das Nachfolgegewerk weiter zu leiten.

Das fordert auch "Estrich-Papst" Dipl. Ing. Werner Schnell: "Der Planer sollte aus rechtlichen Gründen mit einbezogen werden." Und mehr: "Ich halte nichts von Minimallösungen. Wir müssen den ganzen Boden vom Beton an sehen." Boden- und Parkettleger können von der selbständigen Einholung von Informationen nicht entbunden werden. Das gehört, wie die CM-Feuchtemessung, zu ihren Pflichten. "Wer nicht fragt, bleibt dumm", sagt der Volksmund. Ein Parkettleger muss sich beim Planer nach dem Untergrund erkundigen und, wenn erforderlich, Bedenken anmelden. Tut er das aber nicht, darf er sich hinterher nicht beschweren.

Diese Angaben könnte der umstrittene Estrichpass enthalten

1. Anschrift des Estrichlegers mit Telefonnummer
2. Estrichart, -typ, Hersteller
3. Estrichkonstruktion (schwimmend, Verbund, Hohlraum, Trennschicht)
4. Nenndicke (Soll-Zustand) und Ist-Dicke (als ca.-Angabe)
5. Mehrdicke (ja/ nein/ k.A.)
6. Zusatz-, Nachbehandlungsmittel (ja/ nein/ k.A.)
7. Heizestrich (ja/ nein)
8. Einbaudatum
9. Verlegereife
aus Parkett Magazin 04/02 (Handwerk)