Thomsit-Entwicklungschef Dr. Udo F. Windhövel zum Thema Wasserdampfsperren:

"Dicht ist nicht immer dicht genug!"

Wie dicht sind Sperrgrundierungen, die in der Fußbodentechnik vor Spachtel- und Klebearbeiten eingesetzt werden? Nachstoßende Feuchte aus Betonböden oder Restfeuchte aus Estrichen kann in der Fußbodentechnik kostspielige Auswirkungen haben. Parkett und Laminatböden reagieren besonders sensibel. Holzwerkstoffe quellen und verformen sich. Kunststoffbeläge lösen sich ab und zeigen Beulen und Blasen.

Im Feldzug gegen überhöhte Restfeuchte oder kapillar aufsteigende Feuchtigkeit aus erdreichberührten Verbundkonstruktionen entwickelt die Verlegewerkstoff-Industrie wirksame Produkte. Spezielle EpoxidharzGrundierungen haben sich seit Jahren bewährt. Trotzdem stellt das Thema Feuchtigkeit in der Fußbodentechnik eine "unendliche Geschichte" dar.

Welche objektiven Beurteilungskriterien entscheiden über die Qualität, sprich Wirksamkeit des jeweiligen Produkts in der Praxis? Welche Vor- und Nachteile liegen den unterschiedlichen Systemen zugrunde?

Was ist "wasserdampfdicht"?

Der Begriff "wasserdampfdicht" ist eine Frage der Definition. Bestimmt wird die Durchlässigkeit von Materialien durch zwei Kenngrößen: die Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl (m-Wert) und die äquivalente Luftschichtdicke Sd.

Als generell wasserdampfdicht gelten nach DIN 4108 Materialien, die einen Sd-Wert von 1500 m und mehr aufweisen, sprich, deren Sperrwirkung so gut ist, wie die einer 1,5 Kilometer (!) dicken Luftschicht. Gussasphalt-Estriche (hoher m-Wert kombiniert mit großer Schichtstärke) und Metall- Folien (extrem hoher m-Wert selbst bei geringer Schichtstärke ) sind hierfür gängige Praxis- Beispiele. Bei Aluminium beispielsweise reicht eine Schichtstärke von 0,05 Millimetern aus, um als wasserdampfdicht zu gelten.

Sperre oder Bremse?

Epoxidharz-Grundierungen sind nur dann wirklich dampfdicht, wenn sie in zentimeterdicken Schichten angewendet werden. In der üblichen Verlegepraxis fungieren sie lediglich als "Dampfbremsen". Diese begriffliche Einschränkung rührt von dem für EP-Systeme begrenzten m-Wert her, der typischerweise bei etwa 80.000 bis 100.000 liegt.

Beispiel: Wird eine lösemittelfreie EP-Grundierung mit einem m-Wert von angenommen 80.000 zweifach auf einen Estrich aufgetragen, erreicht sie eine Schichtdicke von rund 0,8 Millimetern. Rechnerisch ergibt sich nach der Formel

Sd = m x d m

für die äquivalente Luftschichtdicke durch Einsetzen

Sd = 80.000 x 0,0008 m

ein Wert von

Sd = 64 m

Gemessen an einem Gussasphaltestrich mit dem Sd-Wert von größer 1500 m mag dieser Wert an einen Schweizer Käse erinnern, in der Realität allerdings lässt die nur 0,8 mm dicke EP-Grundierung über 50 mal weniger Wasserdampf durch als z.B. eine 3 mm dicke zementäre Spachtelmasse, der keine ernstzunehmende Sperrwirkung zugeschrieben werden kann.

Warum funktionieren Dampfbremsen?

Der vermeintlich niedrige Sd-Wert einer "bremsenden" EP-Grundierung wirkt sich in der Praxis nicht negativ aus, solange ein auf die Grundierung verlegter Belag keine wesentlich höhere Sperrwirkung aufweist als die Grundierung selbst. Unter dieser Prämisse nämlich wird der "gebremste" Wasserdampf nur so langsam auf den Belag einströmen, wie er durch den Belag diffundieren kann. Die vom Bodenleger gefürchteten Beulen und Blasen werden auf diese Weise vermieden. Eine Auffeuchtung von Holz findet nicht statt.

Sogenannte "dampfdichte" Bodenbeläge zeigen folgende charakteristischen Werte:
Die Tabelle verdeutlicht, dass ein relativ dicker Gummibelag auf jeden Fall kritischer zu bewerten ist als ein dünner Polyolefin- oder PVC-Belag. Ein dünner CV-Belag in der Küche übrigens wird weniger Sperrmaßnahmen erfordern als ein dicker, homogener PVC- Objektbelag. Nach der obigen Formel für den Sd-Wert ist die Devise "viel hilft viel" nicht ausschließlich verkaufsförderndes Argument der Verlegewerkstoff-Industrie, sondern häufig zugleich eine physikalisch begründete Notwendigkeit.

Unterschiedliche Systeme im Markt

Neben den im Markt etablierten lösemittel- und wasserfreien EP-Grundierungen werden heute Alternativen angeboten. Dazu zählen sowohl preisgünstige, weil wasserhaltig formulierte EP-Systeme, als auch die ebenfalls wasserhaltigen Produkte auf chlorchemischer Basis. Als besondere Problemlösung gegen Feuchtigkeit wurden spezielle Folien entwickelt.

Chlorhaltige Latices funktionieren nach unseren eigenen Ergebnissen tadellos. Auch in dünner Schicht zeigt der sich ausbildende, teflonartige Film eine sehr gute Sperrwirkung. Wie im Fall von Epoxidharzsystemen, muss allerdings auch hier zweimal grundiert werden.

In den noch nassen zweiten Auftrag wird zur besseren Anbindung einer nachfolgend eingesetzten Spachtelmasse - wie allgemein üblich - abgesandet. Preislich bewegen sich "Chlorlatex-Dampfbremsen" auf einem vergleichbar hohen Niveau wie die bewährten Epoxid-Systeme.

Vorsicht vor "Mogelpackungen"

Wohl unter dem Druck zunehmenden Wettbewerbs werden heute wasserhaltige und wasserverdünnbare Epoxid-Grundierungen angeboten. Sie sind teilweise deutlich preisgünstiger als die lösemittel- und wasserfreien 100-%-Systeme und sollen nach Aussage ihrer Hersteller eine vergleichbare Sperrwirkung besitzen. Den Beweis gleicher Leistung blieben sie in unseren Laborprüfungen schuldig. Wir fanden nur bestätigt, was die Physik lehrt: Der entscheidende Sd-Wert kann bei gleichem m-Wert nur über die Werkstoffdicke erhöht werden. Und die sinkt mit der Verdünnung. Den Preisvorteil wässriger Epoxid-Grundierungen führen wir auf die bis zu 75-prozentige Verdünnung mit Wasser zurück. Bei zu großer Verdünnung bleibt die Sicherheit auf der Strecke. Nach den physikalischen Gesetzmäßigkeiten kann der verbleibende Anteil von 25 Prozent "Wirkstoff" prinzipiell nur eine etwa 25-prozentige Sperrwirkung entfalten. Wir nennen das "Mogelpackung" und möchten daher zu sorgsamem Umgang mit wasserverdünnten Dampfbremsen auf Epoxidbasis raten.

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Diffusionswiderstandszahl und Luftschichtdicke

Zwei physikalische Größen kennzeichnen die Wasserdampfdurchlässigkeit von Bauprodukten.

m-Wert (Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl): Dieser Wert gibt an, um wie viel mal größer der Diffusionsdurchlasswiderstand eines Stoffes ist als der einer gleich dicken, ruhenden Luftschicht gleicher Temperatur. Der m-Wert ist eine dimensionslose Materialkenngröße.

Sd-Wert (Wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke): Der Wert gibt an, wie dick eine ruhende Luftschicht in Metern ist, die den gleichen Wasserdampfdiffusionsdurchlasswiderstand hat, wie die Probe der Dicke d. Sie ist das praktisch relevante Maß für die Beurteilung der Dampfsperrwirkung von Bauprodukten.
aus Parkett Magazin 04/02 (Bodenbeläge)