Dr. Stephan Kötte, Almarit Lacke

Lösemittel in wässrigen Parkettversiegelungssystemen

Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen wird beim Aufenthalt in Innenräumen zumeist durch die vorherrschenden klimatischen Bedingungen (wie Raumtemperatur und relative Luftfeuchte) bestimmt. Weiterhin entscheidend ist die Konzentration von belastenden Stoffen (z.B. Geruchstoffe, Lösungsmittel) in der Raumluft. Die Kombination dieser Faktoren kann bei empfindlichen Menschen unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Unwohlsein auslösen. Die Quellen der Verunreinigungen können vielschichtig sein ( Möbel, Teppiche, Fußböden, Wandfarben, Außenluftbelastung usw.), sind jedoch meist durch Raumluftanalysen bestimmbar. Die Ergebnisse dieser Analysen werden als VOC-Werte angegeben.

Was bedeutet VOC eigentlich?

VOC (engl.: volatile organic compounds) sind flüchtige, organische Verbindungen, welche meist aus Lösungsmitteln stammen. Die Weltgesundheitsbehörde (WHO - Worlds Health Organization) definiert VOC als organische Verbindungen, welche Ihren Siedepunkt zwischen den Bereichen 50-100 C und 250-260 C haben. Eine genauere Definition findet sich in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS). So sind Lösungsmittel in Sinne der TRGS 617 ("Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Oberflächenbehandlungsmittel für Parkett und andere Holzfußböden") flüchtige organische Stoffe mit einem Dampfdruck größer einem Pascal (Pa) bei 20 C. Gemäß dieser TRGS enthalten stark lösungsmittelhaltige Oberflächenbehandlungsmittel in ihrer verarbeitungsfähigen Form mehr als 25 % Lösemittel, Wassersiegel hingegen bis zu 15 %.

Verringern lassen sich diese Emissionen in Innenräumen nur, indem alle Beteiligten (Parkettleger, Siegelhersteller und Rohstofflieferanten) Hand in Hand arbeiten. So hat der Parkettleger die Verpflichtung, im Vorfeld seiner Arbeiten zu prüfen, ob emissionsarme Produkte gemäß der TRGS 610 ("Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Oberflächenbehandlungsmittel für Vorstriche und Klebstoffe im Bodenbereich") bzw. der bereits erwähnten TRGS 617 verwendet werden müssen. Bei konsequenter Anwendung dieser Technischen Regeln lässt sich ein Großteil möglicher Schad-stoffemissionen verhindern.

Lassen sich VOC-Werte verringern?

Siegelhersteller haben eine Schlüsselfunktion bei der Verringerung der VOC-Belastung. Sie müssen die geforderten Ersatzstoffe bereitstellen, zumeist in Form emissionsarmer Wassersiegel. Wie erwähnt ist die allgemein gültige Anforderung an Wasserlacksysteme im Parkettbereich ein Lösungsmittelgehalt von weniger als 15 %. Die Gisbau hat als Serviceeinrichtung der Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft in Zusammenarbeit mit der CTA (Chemisch Technische Arbeitsgemeinschaft für Parkettversiegelung) diese Definition in drei Bereiche mit entsprechenden Codes aufgespaltet:

Der erste Bereich entspricht dem GISCODE W1. Zu dieser Produktgruppe gehören lösemittelfreie Holzkitte und Wassersiegel (Grund- und Decksiegel). Zur nächsten Produktgruppe mit dem GISCODE W2 gehören wasserverdünnbare Oberflächenbehandlungsmittel mit einem Lösemittelgehalt bis zu 5%, während beim GISCODE W3 ein Gehalt von bis zu 15 % erreicht werden kann. Der Großteil der auf dem Markt befindlichen handwerklichen Versiegelungssysteme gehört zur Gruppe W3, ein geringer Teil entspricht den Anforderungen gemäß W2, wohingegen zur Gruppe W1 bisher nur Holzkittlösungen gehören.

Der Grund für diese Verteilung ist in den spezifischen Eigenschaften und Aufgaben der verwendeten Lösungsmittel (den sogenannten Co-Solventien) erkennbar. So haben sie zum einen die Aufgabe, die Viskosität des Lacksystems während der Herstellung und Applikation positiv zu beeinflussen, die Benetzung zu verbessern und bei der Filmbildung den Verlauf zu steuern. Zum anderen muss bei allen Trocknungsvorgängen von Wasserlacksystemen die Mindestfilmbildetemperatur (MFT) berücksichtigt werden. Dies ist die Temperatur, die minimal erreicht werden muss, um beim Trocknungsprozess die Polymerteilchen so zusammenfließen zu lassen, dass ein Film mit einwandfreien mechanischen und optischen Eigenschaften entsteht. Wird diese Temperatur unterschritten, kommt eine mangelhafte Filmbildung zustande, die sich z.B. in Rissbildung (Cracking) äußert, was höchstens bei Holzkittlösungen erwünscht ist. Da die von den Versiegelungsherstellern eingesetzten Dispersions-Rohstoffe zumeist eine MFT über der normalen Raumtemperatur erreichen, muss die MFT durch Zugabe der Co-Solventien auf ca. 0-5 C gesenkt werden. Der Anteil der Co-Solventien an der Gesamtrezeptur beträgt dann ca. 5-8 %. Bei hochwertigen Lacksystemen ist diese Menge an Co-Solventien dem Stand der Technik nach notwendig.

Co-Löser bilden ein Alternative

Eine Möglichkeit den VOC-Anteil dennoch zu verringern ist die Verwendung von Co-Lösern mit einem Dampfdruck kleiner als 1 Pa. Sie entsprechen somit nicht der genannten Definition von Lösungsmitteln. Diese sogenannten SVOC (engl.: semi volatile organic compounds) haben ähnliche Eigenschaften wie die VOC. So ist in den Systemen mit dem GISCODE W2 dann ein VOC-Gehalt kleiner 5% garantiert, über den SVOC-Gehalt gibt die Klassifizierung jedoch keine Auskunft.

Der Vorteil der SVOC liegt darin, dass sie zum einen nicht als Lösungsmittel klassifiziert sind, sondern eher zur Kategorie der Weichmacher gehören. Desweiteren bleiben sie durch den geringeren Dampfdruck länger im abtrocknenden Nassfilm und fördern die Filmbildung. Diese Vorteile können aber auch nachteilig betrachtet werden. So erhöht sich die Trockenzeit des Films durch die verlängerte Verweildauer und verhindert ein zügiges Arbeiten des Handwerkers. Außerdem emittieren die SVOC aufgrund des geringen Dampfdrucks nur sehr langsam aus dem getrockneten Film. Sie halten den Film über einen längeren Zeitraum weicher, was zu einer schlechteren Zwischenschleifbarkeit und einem späteren Zeitpunkt der Endhärte führt. Auch sind die SVOC somit länger in der Raumluft nachweisbar. Da der Maximalwert für SVOC-Konzentrationen in der Raumluft nur etwa 1/3 des Wertes für VOC-Emissionen entspricht (Seifert 1990), ist hier eine Überschreitung der Grenzwerte bei einer Raumluftanalyse wahrscheinlicher.

Aus diesen Gründen arbeiten die Siegelhersteller sehr eng mit den verschiedenen Dispersions-Lieferanten zusammen, um künftig Systeme zu entwickeln, die bei gleich hoher Qualität nur noch ein Minimum an Co-Solventien benötigen. Das Ziel für alle Beteiligten: die VOC-Emissionen im Fußbodenbereich stetig zu verringern, ohne die bestehenden hohen Qualitätsstandards zu vernachlässigen.

Quelle:
WHO:Indoor air quality: organic pollutants. Euro reports and studies (1989), S. 111
Seifert, B. Flüchtige organische Verbindungen in der Innenraumluft. Bundesgesundheitsblatt 33 (1990), S. 111-114
aus Parkett Magazin 06/02 (Bodenbeläge)