Vortrag von Dr. Niedner beim BEB-Sachverständigentreffen

Schäden an Beschichtungen durch Osmose

In letzter Zeit häufen sich die Blasenbildungen bei Kunstharzbelägen insbesondere auf hochwertigen Betonen. Bei einer Überprüfung der Blasen werden sehr häufig flüssigkeitsgefüllte Blasen gefunden, die immer alkalisch reagieren. Untersucht man in diesen Fällen die Haftzugfestigkeit des Belages, so findet man häufig sehr hohe Werte. Im Regelfall deutlich größer als 2 N/qmm.

Um hinreichend sichere Aussagen treffen zu können, sollten die aus den Blasen gewonnenen Flüssigkeiten folgendermaßen untersucht werden:

- Beurteilung der Farbe und des ph-Wertes
- Bestimmung des Feststoffanteils
- Bestimmung der anorganischen Anteile mittels EDX-Analyse
- Bestimmung des organischen Anteils mittels Gaschromatographie und anschließender Massenspektroskopie (GC/MS)
- Dünnschichtchromatographie
- IR-Spektroskopie

Hierbei wird man meist folgende Ergebnisse finden: pH-Werte zwischen 10 und 13, selten geringere und noch seltener höher liegende Werte.

Der Feststoffgehalt der Blasenflüssigkeit lag im Regelfall zwischen 1,6 und 20% und bei der Elementaranalyse wurde in etwa folgende Zusammensetzung gefunden:

- Na (Natrium) 21%
- Al (Aluminium) 0,4%
- Si (Silicium) 0,4%
- S (Schwefel) 0,4%
- K (Kalium) 77%

Dazu werden dann im Regelfall Bestandteile aus der Grundierung beziehungsweise der Beschichtung des Harzes und für die Formulierung des Harzes verwendete Lösemittel/Reaktivverdünner gefunden.

Bei mikroskopischer Untersuchung eines Bohrkerns kann dann sehr häufig festgestellt werden, dass die Grundierung entweder gar nicht oder sehr dünn vorhanden ist. Es wird dann eine Ablösung zwischen Grundierung und Beschichtungsharz gefunden und in diesem Bereich befindet sich die Blase.
In neuerer Zeit sieht das Bild häufig anders aus: Die Blase bildet sich in den meisten Fällen zwischen der Beton-/Estrichoberfläche und der Grundierung und die EDX-Analyse ergibt beispielsweise Werte folgender Zusammensetzung:

- Al (Aluminium) 2,2%
- Ca (Calcium) 11,0%
- Fe (Eisen) 1,2%
- K (Kalium) 17,5%
- Mg (Magnesium) 3,2%
- Na (Natrium) 13,5 %
- Si (Silicium) 51,4%

Obwohl sich die chemische Zusammensetzung der Blasenflüssigkeit deutlich unterscheiden kann, ist in allen geschilderten Fällen von einer Osmose auszugehen.

Was aber ist eine Osmose?

Der Begriff Osmose, griechisch Osmos, bedeutet Schieben, Stoßen. Bezeichnung für die durch eine semipermeable (halbdurchlässige) Wand oder Membran einseitig gerichtete Diffusion zwischen zwei Substanzen. In der Regel Flüssigkeiten, insbesondere bei zwei gleichartigen Lösungen unterschiedlicher Konzentration.

Durch eine semipermeable Wand können nur die kleineren Moleküle (die Lösungsmittel, z.B. Wasser) hindurchdiffundieren, nicht aber die größeren Moleküle und Ionen des gelösten Stoffes. Dabei diffundieren mehr Lösungsmittelmoleküle in dem Bereich höherer Konzentration als umgekehrt.

Die höher konzentrierte Lösung wird so lange verdünnt, bis gleich viele Lösungsmoleküle in beiden Richtungen diffundieren. Der dann auf der Seite des sich verdünnenden, weiterhin aber stärker konzentrierten Lösung, herrschende hydrostatische Überdruck, wird als osmotoscher Druck bezeichnet. Dieser osmotische Druck kann mittels einer so genannten Pefferschen Zelle gemessen und dargestellt werden. Diese Zelle wurde 1877 von Pfeffer aus einem zylinderförmigen Tondiaphragma hergestellt, das mit einem Kupfer-Hexacyanoferrat beschichtet wurde.

Diese Beschichtung wirkt als semipermeable Wand. Die Pfeffersche Zelle wird dann in einen wassergefüllten Behälter gestellt und mit einer Saccharose-Lösung, einem Konzentrationsunterschied zwischen der Zelle und dem Umgebungswasser hergestellt. Das Wasser aus dem äußeren Bereich diffundiert durch die Membran der Zelle in den inneren Bereich und es entsteht ein Druck, der gemessen werden kann.

Der zu messende osmostische Druck ist von der Art und Konzentration des gelösten Stoffes abhängig. Hierbei folgt der zu messende osmotische Druck bei verdünnter Lösung der von vant Hoff aufgestellten allgemeinen Gasgleichung:

pV = n R T

wobei V das Volumen, n die Anzahl der gelösten Mole und T die absolute Temperatur sind. Die Konstante R hat den gleichen Wert wie die Zustandgleichung der Gase. In der folgenden Tabelle sind die osmotischen Drücke verschiedener wasserlöslicher Substanzen aufgeführt:

Grundlegend muss gesagt werden, dass Osmose nur auftreten kann, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

- Anwesenheit von Wasser
- Anwesenheit einer semipermeablen Membran
- Konzentrationsgefälle
- Druckdichtigkeit des Untergrundes und der Beschichtung

Um osmotische Blasen unter einer Kunststoffbeschichtung oder einem Kunstoffbelag zu erhalten, ist es weiterhin erforderlich, dass der osmotische Druck größer ist als der Haftverbund zum Untergrund. Allerdings muss generell der Haftverbund zum Untergrund so groß sein, dass es zu Blasen und nicht zu großflächigen Ablösungen des Belages vom Untergrund kommt. Von Interesse ist die Art der Membran. Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Grundierung als Membran dient. Dies ist zweifelsfrei richtig. In diesem Fall wird die osmostische Blase sich oberhalb der Grundierung unterhalb der Beschichtung befinden. Ursache kann hierbei eine zu dünne Grundierung sein, die bei der Applikation durch den Abstreusand perforiert wurde. Die Schichtdicke dieser Grundierung ist meistens deutlich kleiner 50 m. Auch bei einer ordnungsgemäß aufgebrachten Grundierung mit Schichtdicken > 100 m und der Menge des Abstreusandes < 1 kg Quarzsand pro m2 kann die Grundierung ebenfalls als Membran wirken, wenn die Grundierung genügend wasserlösliche Bestandteile enthält. Auch Mischfehler oder ein zu hoher Anteil an polaren Lösemitteln und/oder Reaktivverdünners können für eine Osmose verantwortlich sein.

Die Neigung zu osmotisch bedingter Blasenbildung kann durch die Wahl und Formulierung der Beschichtungsstoffe stark eingeengt oder vermieden werden, wenn die Beschichtungsstoffe wenig oder keine wasser- bzw. alkali-löslichen Stoffe enthalten, sie alkalibeständig sind und einen ausgezeichneten Haftverbund, auch bei nasser Belastung zum Untergrund aufweisen.

Eine weitere häufige Ursache, die der Beschichter kaum beeinflussen kann, ist die Anwesenheit von Lösemitteln in der Reaktionsmischung. So sind die heute am meisten gebräuchlichen Härter mit bis zu 50% Benzylalkohol verdünnt. Dies ist auch bei so genannten lösemittelfreien Systemen sehr häufig der Fall. Der Beschichter kann die osmotische Blasenbildung beeinflussen bzw. beschränken, wenn er den Untergrund frei von löslichen Salzen und den Zeitraum zwischen Oberflächenvorbereitung und Grundierung sehr kurz hält. Des weiteren muss er die Komponenten sorgfältig dosieren und mischen und die Verarbeitungshinweise der Hersteller beachten. Er muss vor allen Dingen auf eine ausreichende Schichtdicke der Grundierung achten.

Befinden sich die Blasen unter der Grundierung, so ist im Regelfall eine anorganische Membran zu vermuten. Hierzu müssen sich die Poren der Zementoberfläche zum Beispiel durch lösliches Calciumcarbonat soweit zugesetzt haben, dass nur noch Wasser und keine Ionen mehr durchwandern können. Diese Reaktion kann bei Betonbestandteilen und Estrichbestandteilen ohne weiteres stattfinden und wird im Regelfall bei älteren Estrichen und Betonen gefunden.

Eine andere Möglichkeit ist die Bildung von unlöslichem Calciumsilicat. Auch dieses würde dann die Poren entsprechend zusetzen, so dass dann die Betonoberfläche bzw. Estrichoberfläche als semipermeable Membran wirken würde. Dies gilt insbesondere, wenn wasserlösliche Silicate im Beton oder den Zuschlagstoffen enthalten sind.

Diese löslichen Silicate werde inzwischen allerdings auch in Betonen und Estrichen immer häufiger als Erstarrungsbeschleuniger zugesetzt. Diese erhöhte Silicat-Osmose kann sich allerdings auch bei extrem hoher Anwesenheit von Kalium in frischem Beton bilden. In letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen hohe Siliciumwerte gefunden werden - auch wenn weder silicathaltige Zuschlagstoffe noch anderen lösliche Silicate dem Betongemisch zugegeben wurden. Trotzdem finden sich in den Osmoseblasen Siliciumanteile bis zu 50% und mehr.

Hier muss davon ausgegangen werden, dass die im Zement vorhandenen unlöslichen Silicate durch den hohen Kaliumanteil, der möglicherweise durch Flugaschen eingegeben wird, so weit geschädigt und in die lösliche Form überführt werden, dass es zu der beschriebenen Silicat-Osmose kommen kann. Die genauen Ursachen hierzu sind bei weitem noch nicht bekannt und bedürfen mit Sicherheit noch grundlegender Untersuchungen.

Aus den geschilderten Feststellungen heraus kann in vielen Fällen eine osmotische Blasenbildung nicht ausgeschlossen werden. Somit sollte immer auf die Gefahr einer osmostischen Blasenbildung aufmerksam gemacht werden und darauf hingewiesen werden, dass auch bei sorgfältiger Arbeit Blasen durch Osmose möglich sind. Eine osmotische Blasenbildung auf frischen und nassen Betonen ist letztendlich sicher nur durch Einbau einer geeigneten grobporigen Zwischenspachtelung zu vermeiden, die als Alternativposition immer mit angeboten werden sollte.
aus FussbodenTechnik 06/03 (Bodenbeläge)