Geruchsreklamation: Wie lassen sie sich im Objekt nachvollziehbar beurteilen?

"Frischluftkammer" soll objektive Bewertung ermöglichen

Bei Geruchsreklamationen nach Bodenbelagsarbeiten sind Streitigkeiten vorprogrammiert. Zumal sich ihre Beurteilung schwierig gestaltet: Aufwendige Raumluftanalysen sind teuer und die festgestellten Emissionen lassen sich oft nicht eindeutig zuordnen. Sachverständiger Peter Schwarzmann stellt eine praktikable Prüf- und Bewertungsmethode für Geruchbeanstandungen vor, die Gutachtern die objektive Feststellung, systematische Einordnung und die Zuordnung von Gerüchen aus Fußbodenkonstruktionen im Objekt deutlich erleichtern soll.

Geruchsreklamationen sorgen in der Branche bereits seit einigen Jahren für Schlagzeilen - auch wenn ihre Zahl in jüngerer Zeit glücklicherweise zurückgeht. Dennoch ist jede Reklamation in Verbindung mit störenden Gerüchen stets mit viel Ärger und letztendlich auch mit einem Imageverlust unserer Branche verbunden. Zumal Bodenbeläge und Klebstoffe häufig zuerst als Verursacher verdächtigt werden, obwohl auch andere Baustoffe für die durchaus unerträglichen Geruchsbildungen verantwortlich sein können.

Vor diesem Hintergrund sind die bisherigen Bestrebungen der Teppichbodenindustrie - beispielsweise im Rahmen der Gemeinschaft umweltfreundlicher Teppichboden (GuT) - eine freiwillige Eigenkontrolle mit dem Ziel "einer sauberen geruchlosen Produktion" zu etablieren, sicher ein Schritt in die richtige Richtung.

Gleiches gilt für die freiwillige Selbstkontrolle der Klebstoffindustrie, beispielsweise in der Gemeinschaft emissionskontrollierter Verlegewerkstoffe (GEV). Und auch entsprechende Erfolge sind durchaus zu erkennen. Dennoch ist das Thema Geruchsreklamationen längst noch nicht vom Tisch.

Emissions-Messungen sind teuer - die Ergebnisse nicht immer eindeutig

Immer noch müssen sich Sachverständige regelmäßig mit störenden Gerüchen auseinandersetzen. Dabei unterscheidet sich die Bearbeitung von Reklamationen in Großobjekten wesentlich von Fällen auf sogenannten Kleinflächen - nicht, weil die Gerüche andere Ursachen haben, sondern in erster Linie unter Kosten-/Nutzengesichtspunkten. Hintergrund: Bei Kleinflächen sind Bauherren oft nicht bereit, mehrere tausend Euro für aufwändige Analysen auszugeben - zumal im Vorfeld nie sicher ist, ob sich der verursachende Baustoff zweifelsfrei bestimmen lässt. Bei Großflächen werden hingegen häufig aufwändige Emissionsmessungen vorgenommen.

Im Rahmen solcher Messungen werden Luftproben und teilweise auch Materialproben genommen, die man anschließend mittels hochempfindlicher Laboranalytik auswertet. Mit modernen Analyseverfahren wie der Gaschromatographie und Massenspektrometrie lassen sich selbst geringste Spuren sogenannter VOC finden ("volatile organic compounds"). Diese flüchtigen, organischen Stoffe sind mit entsprechender Laboranalytik selbst in Millionstel Gramm je Kubikmeter Luft nachweisbar. Dennoch bleibt oft das Problem, die gefundenen Emissionen zweifelsfrei dem verursachenden Baustoff oder der verantwortlichen Verbindung mehrerer Baustoffe zuzuordnen.

Wichtig wäre es, die Gerüche selbst vor Ort systematisch zu bewerten

So liegt die Ursache der beanstandeten Gerüche selbst nach aufwendigen Messungen und Analysen oft weiterhin im Dunkeln: Es treten zwar tatsächlich unangenehme Gerüche auf und es werden auch Emissionen nachgewiesen - woher aber letztere kommen und ob sie wirklich für die Geruchsbelästigungen verantwortlich sind, lässt sich dennoch nicht zweifelsfrei feststellen. Dem Bauherrn hilft ein solches Ergebnis wenig - sein Problem bleibt bestehen, ohne dass er den Verursacher kennt. Hinzu kommt die unklare rechtliche Situation aufgrund fehlender Grenzwerte, die die Durchsetzung etwaiger Ansprüche von Seiten des Bauherren ebenfalls erschwert. Zumal, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigungen vorgebracht werden können und diese auch nicht zu erwarten sind.

Bei solchen "reinen" Geruchsbeanstandungen könnte nur eine Bewertungsmethode Abhilfe schaffen, die sich unmittelbar mit den Gerüchen selbst befasst - unabhängig von der Analyse von VOC-Emissionen und Raumluftbelastungen: Kommen die beanstandeten Gerüche tatsächlich aus dem Fußboden und sind sie wirklich als unangenehm im Sinne einer berechtigten Reklamation anzusehen? Darüber hinaus sollte die Prüfung möglichst einfach ausfallen, um sie vor Ort vornehmen zu können. Im Anschluss an den Ortstermin könnten die Erkenntnisse schließlich im Technikum weitergehend geprüft werden, um zu einem nachhaltigen Ergebnis zu gelangen.

"Frischluftkammer" als praktikabler Lösungsansatz

In diesem Zusammenhang bietet der Bau einer sogenannten "Frischluftkammer" eine praktikable Lösung. Sie besteht, einfach ausgedrückt, aus einem Plexiglas-Würfel mit fehlender Grundplatte. Dieser wird mit der unteren Öffnung einfach auf die zu prüfende Stelle des Fußbodens gestellt - entweder direkt auf den Belag oder nach Ausschneiden des Belags an der Prüfstelle auf den Verlegeuntergrund. Die Grundfläche der Prüfkammer sollte Abmessungen aufweisen, die es ermöglichen, die ausgeschnittene Bodenbelagfläche später wieder verdecken zu können - beispielsweise mit einem Schrank.

Seitlich werden zwei Schlauchanschlüsse mit Kugelventilen angebracht: eine Ansaugöffnung für die benötigte Luftwechselrate sowie eine zweite Öffnung, über die der erforderliche Unterdruck erzeugt wird, um ausreichend Frischluft in die Kammer saugen zu können. Die Kugelventile ermöglichen ein Verschließen der Öffnungen, damit sich die geruchsbildenden Stoffe während der Wartezeit in der Kammer entfalten können. Nach Ablauf dieser Wartezeit wird die Kammer über eine Klappe im Deckel geöffnet - die sogenannte "Riechöffnung" - um den Geruch bewerten zu können, ohne dabei einen Großteil der in der Kammer befindlichen Luft entweichen zu lassen.

Mit dieser "Frischluftkammer" wurden bereits zahlreiche Geruchsreklamationen bearbeitet, wobei sich folgende Vorgehensweise bewährt hat. Die Frischluftkammer wird zunächst auf die Oberfläche des Bodenbelags aufgesetzt. Dann öffnet man die beiden seitlichen Kugelventile und schließt an ein Ventil einen Frischluftschlauch an, der zur Ansaugung der Außenluft dient. An das zweite Kugelventil wird ein Saugaggregat angeschlossen, das in der Frischluftkammer einen Unterdruck erzeugt. Bedingt durch den Unterdruck wird die ursprünglich vorhandene Kammerluft entfernt und die Prüfkammer mit Außenluft durchströmt.

Der Luftaustausch erfolgt über 15 Minuten. In dieser Zeit erhält man so eine Luftaustauschrate von etwa 120 - das Luftvolumen wird also rund 120 Mal durch Frischluft ausgetauscht. Anschließend werden die Kugelventile geschlossen, um innerhalb der Kammer eine von der Umgebungsluft abgeschirmte Geruchsentwicklung zu ermöglichen. Nach 30 Minuten lässt sich die Geruchsbildung im Inneren der Frischluftkammer dann über die "Riechöffnung" olfaktorisch wahrnehmen und bewerten. Stellt sich in der Frischluftkammer der gleiche störende Geruch wie in der Raumluft ein, ist davon auszugehen, dass die verursachenden Baustoffe tatsächlich innerhalb des Fußbodenaufbaus zu finden sind. Die Bewertung kann unterstützend auch vom Bauherrn, Mieter, Bodenbelaghersteller oder dem Hilfsstofflieferanten vorgenommen werden.

Wie werden die festgestellten Gerüche bewertet?

Bei der Bewertung der Gerüche empfiehlt sich eine systematische Einstufung - indem man Bewertungsnoten von 1 bis 5 vergibt. Die Note 1 bedeutet "geruchlos", die Einstufung 5 "unerträglich". Bei Zwischennoten wie "2 - 3" kann eine Zahl unterstrichen werden, um eine Tendenz aufzuzeigen. Darüber hinaus sollte auch die Art des Geruches bewertet werden, um bei späteren Analysen im Technikum eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen. Hier sind unter anderem folgende Bewertungen denkbar:

- säuerlich, seifig
- beißend, scharf
- süßlich, aromatisch
- Tier, Schaf
- muffig, modrig
- Chemie, Reinigungsmittel
- typischer Neugeruch

Auch der mögliche Verursacher lässt sich mit dieser Methode weiter eingrenzen, indem man nach der ersten Prüfung an der Belagoberfläche den Bodenbelag entfernt, die Kammer auf den Verlegeuntergrund stellt und den Prüfzyklus wiederholt. Dabei sollte man darauf achten, dass möglichst der Kleber am Unterboden verbleibt.

Danach kann im Bedarffall beispielsweise auch der Kleber abgeschält und die Prüfung auf der Spachtelmasse fortgesetzt werden. Diese Vorgehensweise lässt sich bis zum Dämmmaterial weiterführen - also bis die Quelle des unangenehmen Geruchs aufgespürt wurde.

Was ist hinsichtlich der Gegenprüfung im Technikum zu beachten?

Für die Gegenprüfung im Technikum sollte auf jeden Fall eine Probenentnahme erfolgen, wobei auf eine exakte Trennung der einzelnen Baustoffe zu achten ist. Außerdem sollte immer eine unverlegte bzw. unverklebte Probe des Bodenbelags beigelegt werden. Hintergrund: Gerade bei Textilbelägen können sich die Fasern der verlegten Ware mit geruchsintensiven Stoffen aus der Raumluft anreichern (wie z.B. Rauch an der Kleidung) - vom Belag gehen dann unter Umständen unangenehme Gerüche aus, für die dieser dennoch nicht der Verursacher ist.

Wichtig ist auch die persönliche Probenentnahme durch den Gutachter, der hierbei vor Ort bereits feststellen kann, ob beispielsweise Haustiere in der Wohnung oder Heizölgeruch im Keller die Probe beeinflusst haben könnten. Das gilt auch und gerade für ein beispielsweise im Keller gelagertes, unverklebtes Rest- bzw. Referenzstück des Belags. Durch diese Maßnahme lassen sich Fehlerquellen vermeiden. Die Proben werden in ausreichend großen Laborgläsern verschlossen.

Wie erfolgt die Gegenprüfung im Technikum?

Als Grundlage für die weiterführenden Gegenprüfungen im Technikum hat sich das Verfahren in Anlehnung an die Schweizer Norm SNV 195 651 "Bestimmung der Geruchsentwicklung von Ausrüstungen (Sinnenprüfung)" bewährt. Dafür sind die einzelnen Proben auf definierte Größen zu schneiden und genau zu kennzeichnen - zum Beispiel:

- Probe 1: Nadelvliesbelag mit anhaftendem Kleber und Spachtelmasse (aus Raum XX)
- Probe 2: Kleber und Spachtelmasse (aus Raum XX)
- Probe 3: Nadelvliesbelag unverlegt (aus Kellerraum)

Im Technikum werden die Proben nach Lagerung unter definierten Bedingungen von zwei Personen unabhängig olfaktorisch geprüft und bewertet - also durch Riechen. Sie vergeben dabei wiederum die genannten Bewertungsnoten, die schließlich eine objektive Überprüfung der vor Ort ermittelten Ergebnisse erlauben.

Praxiserfahrungen bestätigen den Nutzenwert des Verfahrens

Das vorgestellte Verfahren hat sich in der Praxis als ebenso praktikabel wie hilfreich erwiesen. Durch die schrittweise Überprüfung der einzelnen Baustoffe und die Gegenprüfung im Technikum unter definierten Bedingungen ist in den meisten Fällen eine eindeutige Eingrenzung der Geruchsursache möglich. In vielen Fällen lässt sich also durch die aufgezeigte Bearbeitung beweisen, welches Material als Verursacher der störenden Gerüche in Frage kommt - wobei die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, dass diese Gerüche häufig nicht auf den Bodenbelag zurückzuführen sind.

Die Möglichkeit, den Nutzer der betroffenen Räume mit einbeziehen zu können, eröffnet zudem ein nicht zu vernachlässigendes, psychologisches Moment: Der Bauherr oder Mieter erfährt, dass ein "geruchloses Bauen" leider noch nicht möglich ist. Das dämpft seine Erwartungshaltung und relativiert seine Einschätzung bezüglich etwaiger Geruchsentwicklungen.
aus FussbodenTechnik 02/03 (Bodenbeläge)