Vorteile und Grenzen eines Belages mit Entwicklungspotential

Polyolefin - Zukunftslösung oder unverlegbar?

Die Verlegung von Polyolefin-Bodenlägen gilt aufgrund ihrer fast schon berüchtigten Schadensanfälligkeit für viele Handwerker als "Glücksspiel". Dabei bietet diese junge Belagart vor allem unter Umwelt- und Nutzungsaspekten auch zahlreiche Vorteile - gerade als Alternative zu den bewährten PVC-Bodenbelägen. Torsten Grotjohann von der IFF-Gutachter-Sozietät hat die Eigenschaften von PO-Belägen untersucht, zeigt ihre Vorteile und Schwächen auf und gibt Anregungen für Verbesserungen bei Belag, Klebstoff und Verarbeitung.

Bodenbeläge aus Polyolefin (PO) sorgen bereits seit einigen Jahren immer wieder für Schlagzeilen - sowohl positiv wie negativ. Seit rund zwei Jahren setzen sich jedoch zunehmend die Negativmeldungen durch. Vor allem von Seiten des bodenlegenden Handwerks wird diese vergleichsweise junge Belagart oft als "schadensanfällig" oder schlicht "unverlegbar" charakterisiert. Entsprechende Aufträge gelten unter Gewährleistungsaspekten als "Glücksspiel". Dabei wurden PO-Beläge doch ursprünglich als Alternative mit Zukunftspotential in unserer sensibilisierten Welt angesehen.

Warum gibt es überhaupt PO-Beläge? Den Hintergrund bilden Forderungen des Umweltschutzes nach einem Ausstieg aus der Chlorchemie, von denen auch die bewährten PVC-Bodenbeläge betroffen sind. Als Reaktion wurden von der Belagindustrie chlorfreie PO-Beläge entwickelt, die bei ähnlichen Nutzungseigenschaften eine umweltfreundliche Alternative zum PVC bilden sollten.

Überwiegend positive Umwelt- und Nutzungseigenschaften

PO-Beläge bestehen aus organischem Polyolefin - einer Verbindung aus Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP). Als Bindemittel dient ein Copolymerisat (EVA = Etylen-Vinyl-Acetat). Hinzu kommen natürliche, mineralische Füllstoffe wie Kreide und Kaolin - sowie je nach Design auch Pigmente (z.B. Eisenoxide). Diese Zusammensetzung verleiht PO-Belägen ein optimiertes Umweltprofil - sie sind:

- physiologisch unbedenklich,
- chlorfrei und weichmacherfrei
- geruchsneutral
- umweltverträglich und wieder verwertbar

Auch die Nutzungseigenschaften können sich sehen lassen: PO-Beläge ermöglichen eine homogene thermische Nahtkantenabdichtung, sind beständig gegenüber dem kurzzeitigen Einwirken von verdünnten Säuren, Laugen und Salzen gemäß DIN 51958 sowie als schwer entflammbar in die Baustoffklasse B1 nach DIN 4102 eingestuft. Hinzu kommt ein geringer Wärmedurchlasswiderstand, der vor allem auf Fußbodenheizung Vorteile bringt, und eine permanente Antistatik bei "normaler" Luftfeuchtigkeit.

Knackpunkt: Hohe Maßänderungen bei schlechter Klebbarkeit

Dem gegenüber stehen allerdings auch einige sehr kritische, technische - insbesondere verlegetechnische - Eigenschaften:

- das Quellen bei Feuchtigkeits- oder Lösemittelzufuhr (z.B. durch den Kleber)
- hohe Maßänderungen bei Wärmebelastung
- erhebliche Wickelspannungen
- schlechte Klebbarkeit

Bei letzterem Punkt handelt es sich um materialspezifisches Problem: Polyolefin ist eigentlich grundsätzlich nicht klebbar. Das hat man bereits Ende der 80er Jahre erkannt und mit der Entwicklung erster Spezialklebstoffe für PO-Beläge begonnen. Darüber hinaus wurde das Polyolefin durch Abmischung mit anderen Kunststoffen "klebbar" gemacht. Hinzu kommen heute Primer und andere spezielle Rücken-Ausrüstungen. Dennoch gilt weiterhin uneingeschränkt die "Bindenweisheit": Jeder unzureichend verklebte Bereich entwickelt sich bei PO-Belägen automatisch zur Beule bzw. Blase.

Laboruntersuchungen bestätigen Klebeprobleme

Schälzugprüfungen nach DIN 16860 im IFF-Labor unterstreichen die Problematik: Hier wurden unabhängig vom verwendeten Dispersionsklebstoff und von der Benetzung der Belagrückseite Schälwiderstände von 0,7 bis 1,4 N/mm ermittelt - also ein breiter Schwankungsbereich von deutlich unter bis über den geltenden Normanforderungen. Wie kann man angesichts solcher Ergebnisse eine funktionierende Klebung gewährleisten? Hinsichtlich der Ursachenforschung ergaben neueste Untersuchungen, dass Muster aus gleichen Chargen nach längerer Lagerung deutlich niedrigere Schälwerte zeigen. Hier liegen Anzeichen für eine mangelhafte Primerung einzelner Belagproben bzw. für eine Alterung des Primers sowie für Migrationen (z.B. des Antistatikums).

Verschärft wird das Problem durch die hohen Anforderungen, die diese Belagart gleichzeitig an die Klebstoffverbindung stellt. Durch die hohen Maßänderungen bei Wärmeeinwirkung - in Laborprüfungen nach EN 434 wurden Maßänderungen von 0,7 % bis 0,8 % bei 23/50 gemessen - können gewaltige Scherkräfte entstehen, die der Klebstoff kompensieren muss. Daraus lässt sich für die Praxis schlussfolgern: PO-Beläge sind bei der Verlegung nicht wie PVC-Beläge zu behandeln - hinsichtlich der Klebung muss man sie eher wie Elastomer- bzw. Kautschukbeläge bewerten. Bleibt aber das Problem der schwankenden Festigkeitswerte bei gleichem Klebstoff, gleicher Benetzung und gleicher Belagcharge.

Beobachtete Schäden werfen wichtige Fragen auf

Die in der Praxis beobachteten Schäden bestätigen die im Labor ermittelten Problembereiche, denn bei Beanstandungen liegen zwar jedes Mal unterschiedliche, aber dennoch stets typische Schadensparameter vor:

- Feuchtigkeit und/oder Wärmebelastung
- unzureichende Klebstoffbenetzung / beschädigte Klebstofffuge
- Maßänderung des Belag
- handwerkliche Fehler
- Nutzungsfehler

Die typischen Schadensparameter in der Praxis werfen in Verbindung mit den Ergebnissen aus den Laboruntersuchungen einige wichtige Fragen auf:

- Reichen die Normanforderungen an die Schälwiderstände von Klebstoffen von mindestens 1,5 N/mm gemäß DIN EN 14259 für die sichere Verklebung von PO-Belägen aus?
- Genügen bei Klebstoffen Zugscherfestigkeiten von mindestens 0,3 N/mm2 gemäß DIN 16860, um die Maßänderungen von PO-Belägen aufzuhalten?
- Ist das Maßänderungsverhalten von PO-Belägen überhaupt akzeptabel?
- Wie gut sind Primer und andere spezielle Ausrüstungen der Belagrückseite wirklich?
- Sind an den Verleger im Vergleich zu anderen Bodenbelägen besondere Anforderungen zu stellen?
- Benötigt die Branche neue, einheitliche Prüfverfahren für das Maßänderungsverhalten von Bodenbelägen sowie für die Schäl- und Zugscherfestigkeiten von Klebstoffen (z.B. den "Tarkett-Test")?

Um eine wirklich sichere Verlegung gewährleisten zu können, müssen sich also alle beteiligten Parteien - Belaghersteller, Klebstoffindustrie und Verarbeiter - Gedanken über Ansätze für Verbesserungen an ihren Produkten bzw. ihrer Vorgehensweise im Hinblick auf die besonderen Eigenschaften dieser Belagart machen.

Was können die Belaghersteller verbessern?

Die Belagindustrie ist in erster Linie gefordert, einen ausgereiften und klebbaren Belag auf den Markt zu bringen. Dieser sollte möglichst geringe Maßänderungen aufweisen (gemäß EN 434). Ebenso wichtig ist eine fest arretierte Rückenausstattung mit einer ausreichenden Alterungs- und Feuchtebeständigkeit. Wünschenswert wäre zudem die Vermeidung von hohen Wickelspannungen.

Darüber hinaus wäre die Vorgabe von Schäl- und Scherwerten von Seiten der Belaghersteller sinnvoll, nach denen die Klebstoffindustrie ihre Produkte abstimmen könnte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine Offenlegung des Maßänderungsverhaltens der PO-Beläge in geklebtem Zustand.

Was sollte die Klebstoffindustrie berücksichtigen?

Für die Verlegung von PO-Belägen benötigt man aufgrund des ausgedehnten Maßänderungsverhaltens in erster Linie einen Klebstoff mit ausreichenden Schäl- und Scherfestigkeiten. Hier empfiehlt sich ein Schälwert von mindestens 2,0 N/mm. Wünschenswert ist zudem ein hoher Anfangstack, der der hohen Wickelspannung Rechnung trägt.

Die Klebstoffhersteller sind auch hinsichtlich einer ausreichende Benetzung der Belagrückseite angesprochen - unter Berücksichtigung der Ablüftezeit. Sie ist entscheidend für den Erfolg der Verklebung.

Was muss der Bodenleger beachten?

Der Bodenleger muss auch und gerade bei PO-Belägen sorgfältig auf die Einhaltung seiner Prüfpflichten gemäß Abschnitt 3.1.1. der VOB/C ATV DIN 18365 "Bodenbelagarbeiten" achten. Darüber hinaus sind die Verarbeitungsanweisungen und Aufbauempfehlungen von Belag- und Klebstoffhersteller genau zu beachten. PO-Beläge sollten zudem vor der Verlegung unbedingt temperiert werden. Die Raumtemperatur sollte 18 C nicht unterschreiten - besser sind 20 - 21 C. Die relative Luftfeuchtigkeit darf nicht über 75 % liegen - sicherer sind ≤ 65 % entsprechend dem BEB-Merkblatt "Verlegen von textilen und elastischen Belägen".

Der Untergrund ist in jedem Fall in ausreichender Schichtdicke zu spachteln - also mindestens 2 mm. Der Nahtschnitt erfolgt bereits vor der Verklebung. Anschließend sollte der Belag in das "frische" Klebstoffbett eingelegt werden, da lange Ablüftezeiten eine mangelhafte Benetzung und damit einen Kraftabbau bewirken. Wichtig ist auch ein blasenfreies Einlegen - etwaige Lufteinschlüsse sofort beseitigen und den Belag intensiv anwalzen bzw. anreiben. Um bleibende Resteindrücke zu vermeiden, unbedingt darauf achten, dass während der Verlegung keine Klebstoffnester oder punktförmigen Eindrücke auftreten.

Die Nähte werden frühestens 24 Stunden nach der Verklebung ausgefugt und verschweißt - besser ist eine Wartezeit von 72 Stunden. Während dieser Zeit sollte man unbedingt direkte Sonneneinstrahlung vermeiden, die zu Maßänderungen führen könnte und damit auch zu Beulen, Blasen und Stippnähten, weil der Klebstoff noch keine ausreichende Festigkeit aufgebaut hat. Ebenso empfiehlt es sich, den Belag erst möglichst spät zu belasten - frühestens nach 3 bis 7 Tagen. Der Ersteinpflege erfolgt nach den jeweiligen Angaben des Belagherstellers.

Ehrliche Zusammenarbeit aller Beteiligten gefragt

Bei einer verantwortungsvollen Verarbeitung durch den Bodenleger ließe sich durchaus eine sichere Verlegung von PO-Belägen gewährleisten - sofern auch Belaghersteller und Klebstoffindustrie ihre Produkte den genannten Anforderungen anpassen. Die Verarbeitung bildet einen wichtigen Faktor für das Gelingen einer PO-Verlegung - der Bodenleger ist gleichzeitig aber auch auf offen dargelegte Anforderungsprofile und eine ehrliche Aufklärung über die Eigenschaften und Grenzen von Belägen und Verlegewerkstoffen angewiesen.

Es kommt auf das "Paket" an - hier ist eine ebenso enge wie ehrliche Zusammenarbeit gefragt. Nur dann können solche alternativen Produkte aus den Negativschlagzeilen kommen. Die Branche sollte jedenfalls daran interessiert sein, solche Entwicklungen frühzeitig zu fördern, bevor sie morgen von Dritten zu ihrem Einsatz gezwungen wird.

Polyolefin-Bodenbeläge

Vorteile

- physiologisch unbedenklich,
- chlorfrei und weichmacherfrei
- geruchsneutral
- umweltverträglich und wieder verwertbar
- ermöglichen eine homogene Nahtkantenabdichtung
- beständig gegenüber dem kurzzeitigen Einwirken von verdünnten Säuren, Laugen und Salzen gemäß DIN 51958
- schwer entflammbar "B1 nach DIN 4102"
- geringer Wärmedurchlasswiderstand (Fußbodenheizung)
- permanent antistatisch (bei "normaler" Luftfeuchtigkeit)

Grenzen

- Quellen bei Feuchtigkeits- oder Lösemittelzufuhr (z.B. durch den Kleber)
- hohe Maßänderungen bei Wärmebelastung
- erhebliche Wickelspannungen
- schlechte Klebbarkeit
- Gefahr einer mangelhaften Primerung bzw. Alterung des Primers
- verlangen gleichzeitig hoch scherfeste Verklebung
- jeder unzureichend verklebte Bereich wird zur Blase
- funktionierende Verklebung lässt sich auch bei gewissenhafter Verarbeitung nicht sicher gewährleisten

Wichtige Verlege-Tipps

- genaue Beachtung der Prüfpflichten nach VOB/C ATV DIN 18365 "Bodenbelagarbeiten"
- Verarbeitungsanweisungen und Aufbauempfehlungen exakt befolgen
- Beläge vor der Verlegung unbedingt temperieren
- Raumtemperatur ≥ 18 C (besser: 20 - 21 C)
- relative Luftfeuchtigkeit ≤ 75 % (besser: ≤ 65 %)
- Untergrund mindestens 2 mm spachteln
- Nahtschnitt vor der Verklebung
- Belag ins "frische" Klebstoffbett einlegen (blasenfrei!)
- Belag intensiv anwalzen / anreiben (Lufteinschlüsse beseitigen)
- Klebstoffnester oder punktförmigen Eindrücke vermeiden
- Nahtverschweißung frühestens nach 24 Std. (besser: 72 Std.)
- direkte Sonneneinstrahlung während der Abbindephase vermeiden
- Belag frühestens nach 3 bis 7 Tagen belasten
- Ersteinpflege nach Angaben des Belagherstellers.
aus FussbodenTechnik 02/03 (Bodenbeläge)