Schwindbedingte Verformung von Estrichen

Sind Aufschüsselungen an Zementestrichen ein Mangel?

Estrichleger werden immer wieder mit Mängelrügen wegen aufgeschüsselter Randbereiche an konventionellen Zementestrichen konfrontiert - häufig mit drastischen Schadensersatzdrohungen. Welche Ursachen haben solche Verformungen? Liegt hier tatsächlich ein Mangel vor, den der Estrichleger im Rahmen seiner Gewährleistung beiseitigen muss? Kann man solche Verformungen überhaupt beheben? Wie soll man entsprechenden Reklamationen begegnen? Estrich-Sachverständiger Hans-Uwe Walter gibt die Antworten.

Das Problem dürfte jedem sehr vertraut sein, der sich mit der Verlegung von zementgebundenen Estrichen befasst: Eine neu verlegte Estrichfläche, die beim Einbau noch den Ebenheitstoleranzen der DIN 18202, Teil 5, Tabelle 3 entsprach, verformt sich vor der Belagverlegung. Die Randbereiche heben sich an und die Fläche verwölbt sich konkav - der Estrich "schüsselt" auf.

Nach rund vier Wochen trifft beim Estrichunternehmen dann häufig eine Mängelrüge ein - mit dem Tenor: "Bei der Ebenheitsprüfung durch das nachfolgende Gewerk wurde festgestellt, dass die eingebrachten Estriche mangelhaft sind." Begründung: die Flächen überschreiten die zulässigen Toleranzwerte der DIN 18202; der Estrich wippt im Randbereich; eine Probebohrung hat ergeben, dass der Estrich nicht auf der Unterlage aufliegt (Hohllieger im Randbereich).

Es folgen Aufforderungen zur Mängelbeseitigung mit Hinweisen auf Terminvorgaben sowie die üblichen Drohungen wegen Schadensersatz. Wie soll der Estrichleger darauf reagieren: Das Schreiben ignorieren, sich wehren oder ohne Widerspruch zur Mängelbeseitigung schreiten? Um sich richtig verhalten zu können, muss man zunächst erst einmal der Ursache für den potentiellen Mangel auf den Grund gehen.

Welche Ursache haben Verformungen an konventionellen Zementestrichen?

Verformungen von Bauteilen können verschiedene Ursachen haben, die sich zudem teilweise überlagern. Bei konventionell hergestellten Zementestrichen liegen oft "hygrische" - also trocknungsbedingte - Verformungen vor. Da ein großer Teil der verlegten Zementestriche auf Trennlage oder auf Dämmschicht ausgeführt wird - deren Trocknung nur einseitig über die Oberfläche erfolgen kann - treten mit "schöner Regelmäßigkeit" vor allem bogenförmige Konkav-Verformung in unterschiedlicher Ausprägung auf.

Konkav-Verformungen an unbelegten Estrichen resultieren aus dem produktspezifischen Schwindprozess des Zementestrichs. Hintergrund: Der Estrich muss für die Verarbeitung mit einem höheren Wasseranteil angemischt werden, als für die chemisch-physikalische Umwandlung des Bindemittels Zement zum erhärteten Zementstein benötigt wird. Nach Abschluss des Umwandlungsprozesses vom pulverförmigen Bindemittel zum Zementstein - wenn der Estrich seine Normfestigkeit erreicht hat - liegt in der Estrichmatrix also immer noch ein erheblicher Teil des Anmachwassers als so genanntes "Überschusswasser" vor. Der Estrich ist zwar ausgehärtet, aber noch nicht trocken bzw. belegreif.

Schwindprozesse führen bei einseitiger Austrocknung zur Aufwölbung

Im Verlauf der weiteren Trocknung entweicht das überschüssige Wasser aus der Estrichmatrix, wobei der Estrich aufgrund des Volumenverlustes "schwindet" - er zieht sich zusammen bzw. verkürzt sich. Das Ausmaß des Schwindprozesses ist von verschiedenen Faktoren abhängig - unter anderem wesentlich vom Wasser-/Zement-Verhältnis (W/Z-Faktor), dem Zementgehalt, den Zuschlagstoffen, den Klimabedingungen, der Nachbehandlung usw.

Kann der Estrich nur über die Oberfläche austrocknen, bildet sich während der Trocknung ein Feuchtegefälle innerhalb der Estrichmatrix: Während der Feuchtegehalt an der Oberfläche nur noch sehr gering ausfällt, ist er an der Unterseite noch relativ hoch. Dieses Feuchtegefälle - der sogenannte "Feuchtegradient" - führt zu einer einseitigen Kontraktion des Estrichs: Der Estrich zieht sich an der Oberseite zusammen, während die Unterseite zunächst ihre ursprüngliche Länge beibehält. Dadurch werden die Rand- und Eckbereiche der Estrichfläche regelrecht hochgezogen. Bei der Ebenheitsprüfung ergibt sich eine konkave Verformung.

Welches Ausmaß können schwindbedingte Aufwölbungen annehmen?

Legt man einen realistischen Durchschnitts-Schwindwert für einen ZE 20/30 von 0,6 mm/m zugrunde, lässt sich mit entsprechenden Gleichungen theoretisch eine Aufwölbung in Höhe von 11,4 mm errechnen. Zum Vergleich: Für einen Calciumsulfat-Fließestrich mit einem mittleren Schwindwert von 0,015 mm/m ergibt sich rechnerisch nur eine Aufwölbung von 0,9 mm/m. In der Praxis können diese Randaufwölbungen allerdings gerade in Eckbereichen oder an Fugenkreuzen auch deutlich höher ausfallen.

Die Höhe der Aufwölbung wird außerdem von der Estrichgüte bestimmt: Zementestrich mit höheren Festigkeiten weisen in der Regel weit größere Vertikalbewegungen auf als Estriche niedriger Festigkeitsklassen. Diese Beobachtungen aus der Praxis decken sich mit einschlägigen Untersuchungsergebnissen (z.B. Lorenz/Schmidt "Wölbung von Zementestrich auf Dämmschicht").

Welchen Einfluss hat die Verarbeitung auf das Verformungsverhalten?

Der Estrichleger bewegt sich dadurch immer auf einem schmalen Grad: Steigert er die Festigkeit des Zementestrichs - beispielsweise durch einen höheren Bindemittelanteil oder eine gute Verdichtung - senkt er zwar das Reklamationsrisiko hinsichtlich unzureichender Festigkeiten, erhöht aber gleichzeitig die Gefahr möglicher Verwölbungen. Umgekehrt verringert er durch niedrigere Festigkeiten zwar das Verformungsrisiko, riskiert dabei aber eine Mängelrüge wegen nicht ausreichender Festigkeit.

Ähnlich verhält es sich bei der Nachbehandlung: Wird die frisch eingebrachten Estrichfläche mit PE-Folie abgedeckt und damit eine Austrocknung in der Frühphase weitgehend verhindert, lässt sich die Festigkeit und vor allem auch die Oberflächenhärte des Estrichs merklich steigern - was in der Regel durchaus erwünscht ist. Der Estrich sandet außerdem nicht ab, weil für die Hydratation ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Nach Entfernen der Abdeckung werden sich die Estrichränder allerdings deutlich stärken aufwölben als bei einem Estrich ohne entsprechende Nachbehandlung. Auch das belegen Praxiserfahrungen und einschlägige Untersuchungen.

In der Praxis hat sich außerdem gezeigt, dass künstliche Trocknungsmaßnahmen wie das Belegreifheizen ebenfalls zu einer Erhöhung des Verwölbungsverhaltens führen. Hier wird die schwindbedingte Kontraktion der Estrichplatte an der Oberseite durch eine thermisch bedingte Dehnung an der Unterseite verstärkt. Man steht also wiederum vor der Entscheidung zwischen dem Vorteil einer früheren Belegreife und der Gefahr größerer Aufwölbungen.

Sind solche Verformungen ein Mangel, den der Estrichleger beseitigen muss?

Da Boden-, Parkett- und Fliesenleger die Ebenheitsmessung des Estrichs nach DIN 18202 "Toleranzen im Hochbau" oft schon während der Trocknungsphase durchführen, stoßen sie entsprechend häufig auf entsprechende Aufwölbungen. Dabei stellt sich immer die Frage: Ist der Estrichleger für schwindbedingte Verformungen des Estrich verantwortlich - und zwar im Sinne eines Mangels, den er vor der Abnahme bzw. im Rahmen seiner Gewährleistung zu beseitigen hat?

Der entscheidende Satz steht in DIN 18201 "Toleranzen im Bauwesen", auf die DIN 18202 verweist: "Für zeit- und lastabhängige Verformungen gilt die Begrenzung der Abweichung durch Festlegung von Toleranzen im Sinne dieser Norm nicht." Konkav-Verformungen konventioneller Zementestriche während der Trocknung sind "zeitabhängige Verformungen", da sie sich nach der Durchtrocknung in der Regel wieder zurückbilden. Sie sind damit von den "Begrenzungen" - also den Anforderungen an die Ebenheit in Form der zulässigen Maßtoleranzen - ausgeschlossen. Das heißt: Werden während der Trocknungsphase Unebenheiten aufgrund von Verformungen der Estrichfläche ermittelt, die oberhalb der zulässigen Toleranzen liegen, berechtigt das nicht zur Mängelrüge.

Hinzu kommt, dass die Ebenheitsprüfungen gemäß DIN 18201/18202 nach Norm "so früh wie möglich durchzuführen" sind, "um zeit- und lastenabhängige Verformungen auszuschalten". Das bedeutet keinen Widerspruch zur vorgenannten Regelung: Die Messungen müssen demnach möglichst unmittelbar nach Erreichen der Begehbarkeit des Estrichs vorgenommen werden - also noch bevor die weitere Trocknung und das damit verbundene Schwinden einsetzt. Eine Ebenheitsprüfung während der Trocknungsphase ist hingegen bei Zementestrichen als nicht fachgerecht anzusehen.

Wie sollte man einschlägigen Mängelrügen begegnen?

Es kommt dennoch immer wieder vor, dass vor allem gewerkfremde Sachverständige - beispielsweise für Bautenschutz - zu Gutachten und Bewertungen über Estriche herangezogen werden und an konkav verformten Flächen nach einer "Wipp-Prüfung" einen Mangel feststellen. Es gibt sogar Beispielfälle, wo zur Mängelbeseitigung ein Rückbau mit anschließender Neuausführung empfohlen wurde.

Hier hilft nur der Verweis auf die Naturgesetze. Das Verformungsverhalten von Zementestrichen während der Trocknung ist prinzipiell physikalisch bedingt. Folgen aus Naturgesetzen können im juristischen Sinne kein Mangel sein. In § 633 BGB (alte Fassung) heißt es, dass eine Werkleistung nur dann mangelhaft ist, wenn sie "mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern." Konkav-Verwölbungen von Zementestrichen während der Trocknung sind reversibel - sobald sich in der Estrichmatrix ein "Feuchtegleichgewicht" eingestellt hat, bilden sie sich wieder zurück. Sie dürften damit eigentlich kein Mangel im Sinne einer "eingeschränkten Gebrauchstauglichkeit" sein.

Gleiches gilt prinzipiell auch bezüglich der vertraglich zugesicherten Eigenschaften - wonach ein Baumangel dann vorliegt, wenn die "Ist-Beschaffenheit" hinter der "Soll-Beschaffenheit" zurückbleibt. Bei Vereinbarung der geltenden Normen ist die Estrichoberfläche immer dann vertragsgemäß, wenn wenigstens die Ebenheitstoleranzen nach DIN 18202, Teil 5, Tabelle 3, Zeile 3 eingehalten bzw. nicht überschritten werden. Nach dieser Norm bezieht sich allerdings die "Ist-Beschaffenheit" einer Zementestrichfläche auf die Zeit vor dem Einsetzen schwindbedingter Verformungen bzw. die Zeit nach vollständiger Durchtrocknung.

Sofern sich die Schwindmaße des Zementestrichs innerhalb der üblichen Größenordnungen von Estrichen mit normgemäßen Festigkeiten bewegen - also im Bereich von 0,5 bis 0,7 mm/m - können die daraus resultierenden Unebenheiten in Verbindung mit Konkav-Verformungen demnach nicht als Mangel beanstandet werden. Entsprechende Mängelrügen sollten als unberechtigt zurückgewiesen und Nachbesserungsaufforderungen abgelehnt werden. Das betrifft auch Konkav-Verwölbungen durch künstliche Bautrocknungsmaßnahmen.

Achtung: Bestimmte Verwölbungen können durchaus einen Mangel darstellen

Das ist allerdings kein Freibrief, der Mängelrügen wegen jeder Form von Konkav-Verformung generell als unzulässig erklärt. Wurde der Estrichmörtel beispielsweise überwässert und damit der W/Z-Faktor überhöht, ist durchaus von einer mangelhaften Leistung auszugehen - zumal sich die Rückbildung der Verformung deutlich langsamer vollzieht als bei einem Estrich mit niedrigerem W/Z-Wert, wodurch erhebliche Folgekosten entstehen können. Hier liegt dann tatsächlich eine "Gebrauchseinschränkung" vor. Ähnlich verhält es sich beispielsweise bei verstärkten Schüsselungen durch den Einsatz von feinteilreichem Sand. Hinzu kommt, dass sich schwindbedingte Verwölbungen auch bei sach- und fachgerecht hergestellten Estrichen in der Regel nicht absolut vollständig zurückbilden - da sich die Matrix während der Trocknungszeit durch Nachhydratation und Kriechen verändert. Das ist jedoch kein Problem, solange die Fläche nach vollständiger Durchtrocknung - also nach Beendigung der zeitweiligen Verformung - wieder innerhalb der vorgeschriebenen Ebenheitstoleranzen liegt.

Die Dauer des Schwindvorgangs hängt unter anderem von der Dicke des Estrichs sowie von den Trocknungsbedingungen ab - Temperatur, Raumluftfeuchte, Feuchteeinträge ins Gebäude usw. Pauschalaussagen sind daher unmöglich. Es gibt Fälle, in denen ein 50 mm dicker konventioneller Zementestrich ein halbes Jahr nach der Verlegung erst 60 % seines Endschwindmaßes aufwies. Erst nach zwei Jahren wurden 85 % erreicht.

Vorsicht: Behebung führt meistens zum tatsächlichen Schaden

Dennoch ist von Maßnahmen zur Beseitigung dieser vermeintlichen Mängel selbst angesichts solcher extrem langer "Wartezeiten" grundsätzlich abzuraten. Sämtliche gebräuchlichen Verfahren führen in der Regel erst zu tatsächlichen Mängeln. Prinzipiell stehen für eine "Mängelbeseitigung" bei schwindbedingten Konkav-Verwölbungen vier Möglichkeiten zur Auswahl:

- der aufgeschüsselte Randbereich bzw. die hochstehende Ecke wird vorsätzlich abgebrochen und anschließend mit Kunstharz wieder kraftschlüssig angesetzt;
- im aufgeschüllten Randbereich wird die Estrichoberfläche maschinell abgetragen (durch Fräsen, Schleifen o.ä.);
- die Flächenmitte wird mit Spachtel- und/oder Nivelliermasse auf das Niveau der Randbereiche angehoben;
- Rückbau und Neuherstellung der gesamten Estrichfläche.

Bei den ersten drei Varianten wird die bogenförmige Verformung lediglich optisch kaschiert - jedoch nicht behoben. Bricht man den aufgeschüsselten Randbereich ab, erhält man lediglich zwei bogenförmig verformte Teilstücke, die man wieder aneinander fügt. Der partielle Oberflächenabtrag führt außerdem zu Minderdicken im Randbereich - die dann einen tatsächlichen Mangel darstellen. Zumal dadurch die Tragfähigkeit der Estrichplatte gerade in den Bereichen herabsetzt wird, die in der Regel besonders belastet sind - z.B. durch Schränke etc.

Hinzu kommt, dass es bei einem Niveauausgleich nach Abschluss des Schwindvorgangs und Rückbildung der Verformung erneut zu Unebenheiten kommt - diesmal in Form von Randabsenkungen - die dann ebenfalls einen tatsächlichen Mangel darstellen.

Dieses Problem stellt sich gleichermaßen beim Egalisieren der Fläche mit Spachtel-/Nivelliermassen. Spätestens nach zwei bis drei Jahren liegen hier "echte" Schäden vor: bei keramische Belägen reißt die elastische Randfuge ab; bei textilen und elastischen Belägen kommt es zur Spaltenbildung zwischen Belag und Sockel.

Wer dem Bauherrn bei etwaigen Mängelrügen wegen schwindbedingter Verformungen diese möglichen Konsequenzen vor Augen führt, wird dessen Verlangen nach einer umgehenden Mängelbeseitigung deutlich bremsen. Ein Rückbau der gesamten Fläche ist angesichts der zu erwartenden Rückbildung der Verformungen hingegen in jedem Fall eine völlig übertriebe Forderung.
aus FussbodenTechnik 02/03 (Bodenbeläge)