Reklamationsgrund Emissionen aus Fußbodenaufbauten

Ein aktueller Schadensfall


Dass Reklamationen aufgrund von Emissionen aus Fußbodenaufbauten immer noch ein brandaktuelles Thema sind, zeigt ein aktueller Fall aus Bayern. Unter der Überschrift "Schadstoff-Alarm im Klassenzimmer" berichtete die Mittelbayerische Zeitung im Dezember 2002 von Problemen im Neubau der privaten Pindl-Realschule in Regensburg, wo die Schüler "über Kopfschmerzen und Übelkeit klagten". Der hinzugerufene Analytiker Dr. Wolf Mehrer vom Umweltanalytischen Labor in Zeitlarn stellt nach Untersuchung von Boden- und Wandproben sowie Luftmessungen eine "bis zum Zehnfachen überhöhte Konzentration der Substanz 2-Phenoxyethanol" fest.

Als Quelle machte er laut Zeitungsbericht den Bodenaufbau aus und empfahl eine aufwendige Sanierung des Fußbodens - geschätzter Kostenrahmen: 40.000 EUR. Bis zu deren Abschluss will der Geschäftsführer der Privatschule die Klassenräume aus Sicherheitsgründen sperren, woraus sich weitere Regressansprüche ergeben dürften. Inzwischen befassen sich auch das bayerische Staatsministerium des Innern und das Umweltbundesamt mit dem Fall.

Irreführende Produktkennzeichnung

Was den Schulbetreiber besonders irritiert: In den Ausschreibungen für den Schulneubau wurden nach seiner Aussage jegliche Schadstoffe grundsätzlich ausgeschlossen und die beauftragten Unternehmen mussten Schadstofffreiheit der verwendeten Produkte zusichern. Der Zeitungsbericht liefert allerdings eine mögliche Erklärung unter Berufung auf das Analyselabor Berlin: "Die Substanz 2-Phenoxyethanol ist eine Glykolverbindung, die vor allem in Bodenbelagsklebern verwendet wird. Im Gegensatz zu klassischen Lösungsmitteln ist sie mit Wasser mischbar, verdampft aufgrund seines hohen Siedepunktes von 245 C allerdings sehr langsam. Die Folge: Nach Anwendung dieser Bodenbelagskleber ist die Luftbelastung anfangs niedriger als bei stark lösemittelhaltigen Produkten, nimmt mit der Zeit aber zu und kann über Monate und Jahre anhalten."

Auf den Punkt gebracht: Auch ein nach TRGS 610 als "lösemittelfrei" gekennzeichneter Klebstoff enthält unter Umständen flüchtige Verbindungen, die zu erheblichen Raumluftbelastungen führen können. Denn die Lösemitteldefinition der TRGS 610 berücksichtigt lediglich flüchtige organische Substanzen mit einem Siedepunkt unter 200 C. Problem für den Verarbeiter: Er kann bei diesen Produkten trotz der Kennzeichnung als "lösemittelfrei" keine Schadstofffreiheit zusichern - müsste strenggenommen bei entsprechender Ausschreibung sogar ausdrücklich auf die Möglichkeit etwaiger Raumluftbelastungen hinweisen.

Hohe Sanierungskosten drohen

Für Wulff-Geschäftsführer Ernst Dieckmann bietet der Fall ein Paradebeispiel für die Problematik hochsiedender Lösungsmittel: "In dem Bericht wurde korrekt erkannt, dass diese Substanzen mit der Zeit in der Raumluft zunehmen sowie sich über Jahre und Monate im Untergrund halten können. Daran ist ersichtlich, welche katastrophale Auswirkung die Lösemitteldefinition nach TRGS 610 hat. Man bekommt es mit belasteten Untergründen zu tun, die sich nur durch eine Komplettsanierung - Fräsen und Herausnehmen des Untergrundes - wieder in den Griff kriegen lassen."

Wer für die Sanierungs- und Folgekosten aufkommen muss, ist derzeit noch ungeklärt. "Klebstoff- und Belaghersteller verweisen hinsichtlich der Schuldfrage auf den jeweils anderen", heißt es in dem Pressebericht. Angesichts der Forderung nach schadstofffreien Produkten in der Ausschreibung könnte es allerdings auch für den ausführenden Handwerker eng werden - sollte ein Gericht bei ihm ein vertragswidriges Verhalten in Verbindung mit einer mangelnden Wahrnehmung seiner Sorgfaltspflicht feststellen.
aus FussbodenTechnik 01/03 (Bodenbeläge)