Kleiner Fehler - großer Schaden

Schwarze Beschichtung mit weißen Kratzern übersät

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen beschichteten Gussasphaltestrich, der durch Splitt zerkratzt wurde.

In einem Museumsgebäude plante ein Architekt einen handelsüblichen Gussasphaltestrich als fertigen Fußboden einzubauen und ihn ohne weitere Bearbeitung direkt zu nutzen. Im Vordergrund stand dabei die anthrazitfarbene/schwarze Farbe. Dem Bauherrn gefiel der Boden aufgrund seiner Rauigkeit und Oberflächenbeschaffenheit nicht. Daraufhin wurde ein Bodenleger beauftragt, den Gussasphalt "schwarzer" zu machen bzw. einen Belag zu verlegen, der aussieht wie ein eingefärbter Estrich.

Nach Beratungen mit einem Beschichtungshersteller verarbeitete der Bodenleger eine schwarze Polyurethan-Zweikomponenten-Beschichtung. Er brachte diese in einer Schichtdicke zwischen 1 und 2 mm im Spachtelverfahren als Fußbodenschicht auf. Es entstand eine gleichmäßige anthrazitfarbene, nahezu schwarze Farbgebung mit handwerklich bedingten geringfügigen Unregelmäßigkeiten wie Kellenschlägen, unbedeutenden Poren sowie geringen Schattierungseffekten. Der Boden wurde seit der Museumseröffnung regelmäßig genutzt. Bereits kurz danach rügte der Bauherr eine Vielzahl von weißen Kratzern auf der Beschichtung. Er behauptete, die aufgebrachte Polyurethanbeschichtung sei zu weich und zu kratzempfindlich. In der rechtlichen Auseinandersetzung wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Das Schadensbild - Beschichtung mit weißen Kratzern übersät

Das betroffene Museum wies weiß gestrichene Wände und große Fenster auf. Hier und da standen Ausstellungsgegenstände auf Podesten und Tischen. Gegenlicht und Lichtreflexionen von Leuchtbändern an Decken und Fenstern führten zwangsläufig zu einer Schlaglichteinwirkung. Die Folge: Auf der Oberfläche der gering glänzenden, nahezu schwarzen Beschichtungsebene waren eine Vielzahl von Verstrichelungen zu erkennen. Diese entpuppten sich schnell als Gummiabrieb von Schuhsohlen und ließen sich einfach entfernen.

Darüber hinaus lagen mehrfach weiße Kratzer in der Beschichtung in unterschiedlichen Formgebungen und Längen vor. Dieses Schadensbild war besonders in den Laufstraßen in Richtung der mit Marmor ausgestatteten Eingangshalle festzustellen. In den wenig frequentierten Randbereichen gab es nur vereinzelt Kratzer. Mikroskopische Überprüfungen ergaben geringe Tiefen dieser Verkratzungen, die messtechnisch nicht erfassbar waren, da sie sich maximal im 1/10-mm-Bereich bewegten.

Die beschichtete Bodenfläche wurde über eine lange Natursteinfläche in der Eingangshalle und einen Haupteingangsbereich mit einer 1,60 m langen Fußabstreiferanlage erreicht. Vor dem Gebäude befand sich ein antikes Pflaster mit breiten Fugen, die vollständig mit Basaltsplitt ausgefüllt waren. Und tatsächlich zeigten sich im Inneren des Gebäudes an einigen Stellen der Natursteinplatten, aber auch auf der schwarzen Beschichtung noch vorhandene feine Bestandteile des Splitts, da zum Zeitpunkt der gutachterlichen Überprüfung das Museum von einer Schulklasse erheblich frequentiert wurde.

Im nächsten Schritt wurde überprüft, ob die verlegte Polyurethankunstharzbeschichtung eine ausreichende Oberflächenhärte aufwies und hinsichtlich der Kratzbeanspruchung dem Stand der Technik entsprach. Dazu wurde eine zerstörungsfreie Härte Shore-D-Messung durchgeführt. Mit dem Shore-Härtemesser nach DIN 53305 wird der Widerstand eines Körpers gegen das Eindringen eines anderen Körpers gemessen. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf sein Verschleißverhalten und im gewissen Ausmaß auch auf sein Verhalten bei Kratzbeanspruchung ziehen. Die Shore-Härte ist ein Kennstoffwert für Elastomere und Kunststoffe und misst über die Eindringtiefe die entsprechende Shore-D-Härte z.B. von Kunstharzbeschichtungen.

Da die Fußbodenkonstruktion zunächst nicht zerstört werden sollte, um z.B. an entnommenen Proben weitere Abriebprüfungen durchzuführen, führte der Sachverständige in etwa 20 Teilflächenbereichen Shore-D-Härtemessungen durch. Die Shore-Härten lagen zwischen minimal 74 und maximal 80 bei einem Mittelwert von 77. Diese Werte ergaben, dass die Beschichtung ausreichend ausgehärtet war und den allgemeinen Anforderungen entsprach.


Die Ursache - Zu kurze Sauberlaufzone

Die Kratzer in der Beschichtung resultierten eindeutig aus einem Weißbruch des zähelastischen Polyurethanbeschichtungssystems. Bei der vorliegenden Gussasphaltestrichkonstruktion war aufgrund der materialspezifischen Eigenschaften dieses viskoelastischen Estrich-Untergrundes als Beschichtung nur ein Polyurethanmaterial geeignet. Eine Polyurethanbeschichtung ist wesentlich elastischer als eine Epoxidharzbeschichtung.

Der scharfe in das Museum unter den Schuhsohlen eingetragene Splitt erzeugte mechanische Beschädigungen in Form von Kratzern in der Beschichtung. Dass die Beschichtung zu weich oder zu kratzempfindlich war, konnte mit den Shore-D-Härtemessungen widerlegt werden. Da diese Härtemessung ergab, dass bei einer mittleren Shore-D-Härte von 77 das Polyurethanmaterial ausreichend ausgehärtet war und den allgemeinen Anforderungen entsprach, kam als Hauptursache für die Kratzer ausschließlich eine Überbeanspruchung der schwarzen Beschichtung in Betracht.

In vielen Gebäude ist festzustellen, dass die Sauberlaufzonen/Fußabstreiferanlagen unterdimensioniert sind. Im Museum war nachvollziehbar, dass von außen in erheblichem Ausmaße scharfkörniger Kontaktschmutz bzw. scharfer, spitzer Basaltsplitt in das Gebäude eingetragen wurde, für den die vorhandenen Sauberlaufzonen zu klein waren. Zusätzlich waren eventuell auch die Reinigungsintervalle zu lang. Es wäre die Aufgabe des Planers gewesen aufgrund von Sorgfaltspflichten auf diese Umstände hinzuweisen.

Auch wurde die Auswahl der Farbstellung des einfarbigen, nahezu schwarzen Fußbodens als ungünstig bemängelt. Bei einer zu erwartenden mechanischen Beanspruchung durch spitze Gegenstände, waren die hellen Kratzer auf einer dunklen Beschichtung wesentlich deutlicher sichtbar, als dies auf einer mehrfarbigen Beschichtung gewesen wäre. Solche Kratzer wären dort optisch wahrscheinlich nicht störend aufgefallen.


Verantwortlichkeit - Planungsfehler entscheidend

In Abstimmung mit den Parteien führte der Sachverständige keine weiteren Materialprüfungen durch. Die zerstörungsfreie Shore-Härteprüfung ergab eindeutig, dass die auf dem Gussasphalt aufgebrachte Polyurethanbeschichtung den allgemeinen Anforderungen entsprach, so dass der Bodenleger für seine Fußbodenarbeiten nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte. Stattdessen lagen planerische Defizite vor. Die Auswahl des einfarbigen schwarzen Fußbodens war genauso bekannt wie der zu erwartende Eintrag von scharfkörnigem Splitt wegen des rustikalen großflächigen Pflasters vor dem Gebäude.

Im Rahmen der Planung hätte somit dafür Sorge getragen werden müssen, dass die Fußabstreiferanlagen/Sauberlaufzonen unabhängig vom Fußbodenbelag ausreichend dimensioniert hätten sein müssen. Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, schnellstens die Schmutzfangläufer zu vergrößern und die Reinigungsintervalle zu verkürzen.

Die Untersuchung ergab, dass keine materialspezifischen oder produktionstechnischen Problemstellungen des verarbeiteten Materials und auch keine handwerklichen Fehlleistungen vorlagen. Der Bauherr muss mit dem zum Zeitpunkt des Gutachtertermins vorliegenden Aussehen des Belages zunächst einmal bis zu einer weiteren Renovierung leben, da dieser nutzungs- und gebrauchstüchtig ist und zum anderen in Verbindung mit den zuvor genannten Maßnahmen die Verkratzung des Bodens zumindest teilweise verringert wurde.


Der Autor:
Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für das Bodenlegergewerbe.

IFF-Fußboden-Gutachter
Helmut Becker
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aus FussbodenTechnik 06/05 (Handwerk)