Interview mit Jan und Gerrit Hoekman, Marco Pleijsier und Jens Pröfrock

"Die Condor-Gruppe bildet eine Einheit, die für die Kunden sehr interessant ist"

Die Condor-Gruppe hat eine beispiellose Erfolgsstory vorgelegt: In nur zehn Jahren schossen die Niederländer von Null auf über 200 Mio. EUR Umsatz. 1992 wagten die beiden branchenerfahrenen Brüder Jan und Gerrit Hoekman den Sprung in die Selbstständigkeit, heute unterhalten sie mit Condor Carpets, Vebe und Ossfloor ein Textilbelags-Imperium, das europaweit eine Spitzenposition einnimmt. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Steinert wurde als erster Fachjournalist nach Hasselt eingeladen und sprach exklusiv mit den Brüdern Hoekman, Condor-Exportleiter Marco Pleijsier und Ossfloor-Verkaufsleiter Jens Pröfrock.

BTH Heimtex: Die Branche hat mit Staunen Ihren rasanten Aufstieg verfolgt. Keiner hat geglaubt, dass so etwas in den heutigen Zeiten noch möglich ist. Aber Sie haben alle Skeptiker eines Besseren belehrt. Was hat Sie 1992 bewogen, sich vom sicheren Angestellten-Status zu verabschieden und ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Jan Hoekman: Mein Bruder und ich kannten damals ja schon die Branche und haben uns entschieden, hier auf der grünen Wiese selbst anzufangen. Ich glaube, das war gerade noch der richtige Zeitpunkt; jetzt wäre es sicher schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich.

Wir haben von Anfang mit neuen, hochmodernen Maschinen eine Politik mit großen Mengen und scharf kalkulierten Preisen in Richtung größere Abnehmer gefahren - und lagen damit genau richtig, denn damals waren alle Ketten stark am Expandieren und suchten neue Lieferanten, die ihnen interessante Produkte auf exklusiver Basis bieten können; und das haben wir gemacht und sind dann in den Folgejahren mit unseren Kunden gewachsen.

BTH Heimtex: Aber große Mengen zu kleinen Preisen waren kein neues Konzept. Das kann zum Beispiel auch mancher Ihrer belgischen Mitbewerber, der über ähnliche Kapazitäten und Leistungsfähigkeit verfügt. Was haben Sie anders bzw. besser gemacht als die?

Jan Hoekman: Wir bieten ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis: Gute Qualitäten zu niedrigen Preisen, schnelle Reaktion auf modische Entwicklungen...

Gerrit Hoekman: Wir haben uns von Anfang an auf eine Produktion zum günstigsten Preis eingestellt und sind von dieser Basis her auch in höherwertige Qualitäten hinein gewachsen - aber immer unter der Prämisse der Produktion zum günstigsten Preis. Das hat sich ausgezahlt. Schon im ersten Jahr haben wir 25 Mio. Gulden umgesetzt. Und: wir haben gleich schwarze Zahlen geschrieben.

BTH Heimtex: Mit wie vielen Tuftingmaschinen haben Sie damals angefangen?

Jan Hoekman: Mit vieren. Aber schon im zweiten Jahr waren es acht und so haben wir immer weiter aufgestockt.

BTH Heimtex: Wie viele sind es heute?

Jan Hoekman: 35. Dazu kommt noch die Nadelfilzproduktion bei Vebe Floorcoverings.

BTH Heimtex: Wo liegt Ihr Schwerpunkt bei den Produkten? Bei reinen Konsumartikeln, die ordentlich Menge bringen?

Jan Hoekman: Der Markt denkt immer, wir führen nur billiges Polypropylen, dabei sind wir zum Beispiel sehr gut in Wollqualitäten und Wollmischungen. Davon produzieren wir jährlich um die 6 Mio. qm und gehören damit zu den führenden Anbietern am Markt - obwohl wir überhaupt kein Woll-Image haben.

Generell ist unser Sortiment viel breiter als man denkt. Insgesamt bedienen wir nahezu die gesamte Palette von ganz unten, spricht der preiswerten Polypropylen-Schlinge bis zur hochwertigen Wolle. Wir verfügen über verschiedenste Teilungen von 5/32" über 1/8" und 1/10" bis zu 5/64", unterschiedlichste Konstruktionen von glatte Velouren und Schlingen über COC, Graphic, Multiroll und Shags bis hin zum Druck, bieten Breiten von 400, 500, 200 und 300 cm, verschiedene Rückenvarianten wie Schaum, TR und Vlies... ich denke, das kann sich schon sehen lassen. Allein bei Condor Carpets umfasst das Angebot 150 Qualitäten in mehreren Breiten und natürlich Farben.

Gerrit Hoekman: Wobei jedes Unternehmen seine Schwerpunkte hat; Condor Carpets beispielsweise hat mit Polypropylen-Schlingen und Berbern aus Wollmischungen angefangen und ist darin auch heute noch stark. Und garngefärbte Artikel spielen eine wichtige Rolle. Mit Vebe Floorcoverings sind wir 1998 in Nadelfilz und Schmutzfang eingestiegen, über Ossfloor haben wir Kompetenz im Druck, in der Stückfärbung und bei Polyamid hinzugewonnen.

Jan Hoekman: Wir haben diese Übernahmen ja bewusst gemacht, um unseren Großkunden eine komplette Palette bieten zu können, damit sie sich auf wenige Lieferanten konzentrieren können.

BTH Heimtex: Warum haben Sie gleich die ganzen Firmen übernommen und nicht einfach in die entsprechenden Maschinen investiert? Gerade Ossfloor war finanziell angeschlagen, um nicht zu sagen, stand kurz vor der Pleite.

Jan Hoekman: Unser Plan sah ursprünglich auch tatsächlich anders aus; wir wollten mit Nadelfilz und Stückfärbung neu anfangen. Aber das hätte doch längere Anlaufphasen bedeutet und weil sowohl Vebe als auch Ossfloor holländische Firmen waren, dazu Vebe unmittelbar in der Nachbarschaft gelegen, mit einem modernen Werk, das wir inzwischen noch optimiert haben und Ossfloor auch nicht weit weg, haben wir diese Gelegenheiten ergriffen und sind damit schneller zu unserem Ziel gekommen.

BTH Heimtex: Sind denn Ihre Akquisitionsgelüste damit befriedigt oder wollen Sie noch weiter zukaufen? Unlängst sollen Sie ja über einen weiteren Zukauf verhandelt haben...

Jan Hoekman: Natürlich wird viel geredet und natürlich reden wir auch mit Kollegen.... aber nicht im Sinne von Wachstum um jeden Preis. Im Prinzip wollen wir extern nicht unbedingt weiter wachsen, sondern uns lieber auf unsere eigenen Stärken konzentrieren.

BTH Heimtex: Nun könnten Sie ja nicht nur sozusagen horizontal wachsen, sondern auch vertikal. Etliche Ihrer Mitbewerber sind vertikal integriert mit einer eigenen Faserproduktion. Denken Sie auch daran?

Gerrit Hoekman: Im Moment ist es noch nicht notwendig. Wir können noch zu ordentlichen Preisen einkaufen und sehen keine ökonomische Notwendigkeit zu einer eigenen Faserproduktion. Eigentlich sind wir sogar ganz froh, dass wir keinen Rohstoffbereich bei uns integriert haben. Ich will es einmal so sagen: Wir sind nicht uninteressiert. Aber zur Zeit sind wir konkurrenzfähig genug, ohne dass wir eigene Garne produzieren. Langfristig kann sich das natürlich schon ändern.

BTH Heimtex: Dass Sie durchaus konkurrenzfähig sind, beweist Ihr exorbitanter Umsatzzuwachs in den letzten Jahren. Was haben Sie im vergangenen Jahr umgesetzt?

Jan Hoekman: Wir haben 2002 knapp über 200 Mio. EUR umgesetzt, mit 550 Mitarbeitern und in diesem Jahr lagen wir schon Ende April 8% über dem Vorjahr.

BTH Heimtex: Und letztes Jahr? Wie hoch war da der Zuwachs?

Jan Hoekman: Knapp zweistellig, um 10%.

BTH Heimtex: Wo kam der Zuwachs her? Wohl kaum aus Deutschland....

Gerrit Hoekman: Aus allen drei Bereichen, also Condor Carpets, Vebe und Ossfloor und geographisch gesehen hauptsächlich aus Großbritannien. Aber auch in Deutschland haben wir ein kleines Plus eingefahren. Wobei Deutschland für alle drei Unternehmen unser wichtigster Markt ist.

BTH Heimtex: Wie ist die Gruppe organisiert? Wie weit sind die Gesellschaften eingebunden, wie weit agieren sie selbstständig?

Jan Hoekman: Jedes Unternehmen ist unabhängig und bearbeitet selbstständig den Markt. Wobei natürlich Synergien innerhalb der Gruppe wahrgenommen werden.

BTH Heimtex: Wie weit gibt es Überschneidungen?

Jens Pröfrock: Bei den Kunden gibt es zum Teil schon Überschneidungen, aber nicht bei den Produkten. Die Sortimente sind klar getrennt.

BTH Heimtex: Sie sind bislang reiner Rollen-Lieferant. Einige belgische Rollen-Anbieter haben sich an Service-Kollektionen versucht. Ist das für Sie auch ein Thema?

Pröfrock: Wir führen zwar momentan kein klassisches Service-Programm, aber unsere Wohnbau-Kollektion bieten wir schon mit Objektzuschnitt an.

BTH Heimtex: Über den Umsatz haben wir eben schon gesprochen. Was für eine Menge steht dahinter?

Jan Hoekman: Insgesamt an die 84 Mio. qm. Wir haben bei Condor Carpets und Vebe jeweils ca. 35 Mio. qm gemacht und bei Ossfloor weitere 14 Mio. qm.

BTH Heimtex: Wie sieht Ihre mittelfristige Planung aus? Wo soll die Condor-Gruppe in fünf Jahren stehen?

Jan Hoekman: Wir konzentrieren uns weniger auf Wachstum, als vielmehr auf eine Optimierung von Service und Logistik. Auch unser Maschinenpark ist auf dem neuesten Stand. Gerade erst haben wir in eine hochmoderne Vernadelungs-Anlage bei Vebe investiert. Parallel bauen wir gerade ein neues Zentralllager, das Ende 2004 fertig sein soll.

BTH Heimtex: In wie vielen Schichten produzieren Sie?

Gerrit Hoekman: In drei. Die Maschinen laufen praktisch rund um die Uhr bis Samstag abend 8 Uhr und fangen dann Sonntagnacht um 0.30 h wieder an.

BTH Heimtex: Ist eigentlich jedes Ihrer Werke voll ausgestattet oder müssen Sie Ihre Ware noch zwischen den einzelnen Standorten hin- und herfahren?

Jan Hoekman: Nein, natürlich nicht. Jedes Werk ist komplett ausgestattet einschließlich Beschichtung. Also könnte jedes Werk separat von den anderen funktionieren. Die Synergie-Effekte in der Gruppe liegen woanders. Mit der Konzentration von drei auf ein Werk würden wir keine weiteren Kostenvorteile realisieren können.

Gerrit Hoekman: Jedes Werk arbeitet relativ selbstständig und hat auch seinen eigenen Betriebsleiter.

BTH Heimtex: Wir haben vorhin schon einmal kurz Ihre Märkte angeschnitten. Welche sind Ihre wichtigsten Absatzländer und wo sehen Sie Zukunft für Ihre Gruppe?

Jan Hoekman: Unser Heimmarkt ist natürlich Holland. Deutschland ist für alle drei Firmen unser wichtigster Exportmarkt vor Großbritannien. Weitere Absatzländer sind die Schweiz, Österreich und Frankreich.

Die weiter entfernten Märkte sind jetzt noch für uns wichtig, aber ich glaube, dass uns dort langfristig einheimische Konkurrenz erwachsen wird - und dann haben wir Importeure nur noch wenige Chancen. Die schlafen dort beileibe nicht, halten ihre Augen offen. Deswegen kommt es für uns auch nicht in Frage, dort vor Ort zu investieren.

BTH Heimtex: Sie haben sich von Anfang an bewusst auf Großkunden konzentriert...

Marco Pleijsier: Ja, weil das das Geschäft der Industrie ist. Die kleinen Kunden bedient schließlich der Großhandel, die müssen und wollen wir nicht versorgen. Da arbeiten wir lieber mit einem starken Großhändler zusammen.

BTH Heimtex: Wo fängt denn ein Großkunde für Sie an?

Pleijsier: Eine gewisse Menge muss schon dahinter stehen. Das können im Einzelhandelsbereich nur die sogenannten industriefähigen Händler leisten.

BTH Heimtex: Sie arbeiten auch im Lohn für andere Teppichboden- Anbieter. Welche Rolle spielt dieses Geschäft und welche Anteile haben die einzelnen Kundengruppen überhaupt?

Jan Hoekman: Der größte Teil entfällt sicher auf die Fachmärkte und die Baumärkte, danach folgt der Großhandel vor dem Industriegeschäft und dem industriefähigen Einzelhandel.

BTH Heimtex: Und wo sehen Sie die besten Entwicklungsmöglichkeiten für Ihre Gruppe?

Jan Hoekman: Wir haben überall noch Wachstumspotenzial...

Jens Pröfrock: ...wobei heute gegenüber den Kunden nicht allein der Preis als Argument zählt, sondern auch der Service. Deswegen investieren wir auch in diesen Bereich, unter anderem in unser neues Logistikzentrum, das Herr Hoekman bereits erwähnt hat.

BTH Heimtex: Was für eine Kapazität wird es haben und wieviel investieren Sie darin?

Gerrit Hoekman: Es wird eine Kapazität von 100.000 Rollen haben und wir investieren 10 Mio. EUR darin.

Jens Pröfrock: Wir sind so schnell gewachsen, dass wir mit der Logistik und den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten kaum folgen konnten. Das Wachstum war immer größer als geplant, was uns manchmal im Ablauf Schwierigkeiten bereitet hat. Aber wir haben das unseren Kunden verständlich machen können und kontinuierlich an Verbesserungen gearbeitet.

BTH Heimtex: Glauben Sie denn, dass Sie Ihr Wachstumstempo weiterhin beibehalten können?

Jan Hoekman: Es hat sich schon ein wenig verlangsamt, aber wir sind dennoch nicht unzufrieden. Auf jeden Fall geht es weiter voran. Für dieses Jahr planen wir einen Umsatz von 215 Mio. EUR. Gerade bei Ossfloor erhoffen wir uns einen deutlichen Zuwachs.

BTH Heimtex: Ist es Ihnen denn gelungen, Ossfloor aus den roten Zahlen zu führen?

Jan Hoekman: Ja, wir sind aber nicht zufrieden und planen deshalb noch einige größere Investitionen, damit Ossfloor noch besser wird.

Pröfrock: Wir haben ganz klar das Vertrauen der Kunden zurückgewonnen. Sie sehen, dass wir hier in der Gruppe zusammen wachsen und eine Einheit bilden, die für die Kunden sehr interessant ist - und in Zukunft noch interessanter wird.

Wir gewinnen auch stetig neue Kunden hinzu. Spätestens wenn ein Kunde hier bei uns vor Ort im Haus war, begreift er, dass wir der richtige Partner für ihn sind.

Jan Hoekman: Heutzutage ist es für die Kunden auch wichtig zu wissen, dass ein Anbieter langfristige Überlebenschancen hat und auch morgen noch da sein wird.

Der Markt trennt sich einerseits in Unternehmen, die sich in Nischenprodukten bewegen, weil sie von der Kostenstruktur her für Konsumware zu teuer sind, andererseits braucht er im mittleren und unteren Bereich einfach gewisse Mengen und ich denke, dass wir dort ein sehr leistungsfähiger Anbieter sind, der auch in einigen Jahren noch erfolgreich am Markt agieren wird.

Auf jeden Fall haben wir Kapazitäten ohne Ende: Mit unseren Maschinen könnten wir spielend noch 25% mehr machen.

Condor - die Firmenchronik

1992 Gründung durch Jan und Gerrit Hoekman; Umsatz im ersten Jahr: 25 Mio. NLG, Mitarbeiter: 20
1997 "Willem I"-Preis für die erfolgreichste Neugründung
1998 Übernahme von Vebe Floorcoverings von Readicut
2000 Übernahme von Ossfloor von Desso DLW
aus BTH Heimtex 09/03 (Wirtschaft)