Zur Lage

Mit Kreativität die Kauflust wecken

HERFORD - Weder bei der deutschen Textilindustrie im allgemeinen noch bei der Bettwäsche-Industrie im speziellen ist aufgrund der überaus schwierigen Marktlage derzeit Jubelstimmung angesagt. Im Gegenteil - angesichts der unvermindert anhaltenden zweifelhaften und kontroversen Reformpolitik sind die Verbraucher derart verunsichert, dass sie überflüssige Ausgaben - und dies betrifft natürlich auch den Bettwäsche-Bereich - tunlichst vermeiden und sich in vornehmer Kaufzurückhaltung üben. Vielfach wird nur noch über den Preis gekauft: Während Aldi & Genossen sich ins Fäustchen lachen, kämpft der Fachhandel Hände ringend ums Überleben.

Die Produktion wird zunehmend ins Ausland verlagert, da die inländische Fertigung nicht mehr konkurrenzfähig ist. Neue Vertriebswege wie das Internet gewinnen an Bedeutung und es zeichnet sich zunehmend eine Polarisierung zwischen Luxusbereich und Billigangeboten ab. Rabatt-Aktionen, Preis-Gegenüberstellungen und diverse Zugaben machen es dem Endverbraucher schwer, den Wert eines Produktes richtig einzuschätzen. Die im Einzelhandel entstandenen Margenverluste versucht dieser an die Industrie weiterzuleiten, deren wirtschaftliche Situation sich dadurch natürlich nicht zum Besseren wendet. Selbstverständlich gibt es aber auch noch Unternehmen, die sich positiv entwickelt haben.

Die Preisgestaltung anderer Exportländer lässt leider keine Konkurrenz aus Deutschland zu. Selbst ehemalige Niedriglohnländer, die über viele Jahre erfolgreich dem deutschen Qualitätsanspruch gerecht wurden, sind aufgrund der Schwemme aus dem asiatischen Raum sowie aus der Türkei gezwungen, am Deckungsbeitrag zu kalkulieren. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die zukünftige Entwicklung zu einer Konzentration in Richtung Asien führen wird. Gewinne werden immer schmaler und lassen sich ausschließlich langfristig über Volumen erzielen. Kampagnen wie "20 Prozent Rabatt auf alle Produkte - nur noch bis 18 Uhr" sind kaum noch auszuhalten und dämpfen eher die Kauflust als dass sie diese fördern. Ob "Geiz ist geil" oder Frühlings-, Sommer- oder Herbstrabatt - die "Schnäppchenjagd" macht schon lange keinen Spaß mehr, seitdem diese so genannten Schnäppchen tagtäglich und an jeder Ecke zu haben sind.

Durch die Osterweiterung der EU wird es noch einfacher werden, Produktionskapazitäten ins Ausland zu verlagern - was wiederum viele Arbeitsplätze in Deutschland kosten dürfte. Der ohnehin schon immense Importdruck wird weiter wachsen. Ob dies durch verstärkte Ausfuhren in die osteuropäischen Länder auszugleichen ist, muss bezweifelt werden. Die Zukunft wird weitere Insolvenzen nicht nur bei der deutschen Textilindustrie mit sich bringen. Sie bietet aber auch Chancen für innovative Unternehmen mit klarer Strategie-Ausrichtung. Nur wer den Mut hat, eigene Wege zu gehen und firmenspezifische interessante Konzepte zu entwickeln, wird sich im Markt behaupten und erfolgreich sein. Dazu sind neben stets neuen Ideen aber auch eine Menge Ausdauer sowie eine ständige Präsenz, sprich Kundenbetreuung und -Beratung, ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis sowie ein zuverlässiger Lieferservice unabdingbar. Die Kreativität in den Kollektions-Entwicklungen hat bislang noch nicht gelitten. Dank neuer CAD-Technik sind die Bettwäsche-Anbieter eher schneller, flexibler und besser geworden. Flops mit teuren Schablonen-Investitionen können dadurch vermieden werden. Interessanter vom Material her wird Mikrofaser-Bettwäsche. In ausgesuchten Vertriebskanälen läuft diese aus der Sportwäsche abgeleitete Qualität ausgezeichnet.

Nach wie vor schwierig behaupten sich mittlere Preislagen. Entweder verkauft man billige Ware zu extrem billigem Preis oder hochwertige Qualität zum attraktiven Preis. Für Importware zeichnet sich ein noch schärferer Preiskampf ab. Dabei müssen sich selbst große Verteiler von Bettwäsche - wie beispielsweise die Kaufhaus-Konzerne - fragen, ob sie mit ihrer auf Menge ausgerichteten Politik richtig liegen. Besonders der Fachhandel sucht stets nach neuen Dingen, traut sich aber häufig an hohe Preislagen - trotz der Einzigartigkeit des Produktes - nur mit kleinen Stückzahlen heran. Reine Baumwolle ist bei den eingesetzten Materialien nach wie vor die Nr. 1 in den Bettwäsche-Kollektionen. Bügelfreie und pflegeleichte Qualitäten gewinnen weiter. Bei den Dessinierungen ist kein klarer Trend erkennbar, sondern es werden die verschiedensten Richtungen eingeschlagen - von strenger und stark beruhigter Grafik bis zu orientalischer Opulenz. Florale Musterungen spielen derzeit eine eher untergeordnete Rolle. Gute Chancen haben jedoch Produkte für die bislang mehr oder weniger vernachlässigte Zielgruppe "Junge Erwachsene". Viele Kollektionen sind in unterschiedliche Dessinthemen und Farbgruppen gegliedert, wobei jedes Thema eine Philosophie enthält, eine nachvollziehbare Aussage hat und in Qualität und Farben überzeugt. Nur so kann Kauflust entstehen! Nach wie vor beherrschen Rot- und Orangetöne sowie braune, erdige Kolorits in Kombination mit Ecru/Natur das Farbspektrum. Pink und Violett werden dezent eingesetzt, Sand-, Mocca- und Nougat-Farben finden weiter Anklang, blaugrüne Farbkombinationen haben das klassische Blau abgelöst.

Der Verbraucher muss davon überzeugt werden, dass es schon einen Unterschied in der "Wohlfühl- und Lebensqualität" gibt, ob er sein Bettzeug im Fachhandel oder bei den Billiganbietern kauft. Leider gibt es zu wenige Geschäfte mit guten Deko-Konzepten, aber nicht immer mangelt es an Ideen, sondern oft auch am Platz, der sich nach dem Umsatz richtet. Ansprechende, gekonnt inszenierte (Schaufenster-) Dekorationen sind der Schlüssel zum Erfolg, besonders weil Bettwäsche mehr und mehr ein Sofortgeschäft ist.
aus Haustex 05/04 (Haustextilien)