Konferenz über Textilien und Haut

Antimikrobielle Textilien - medizinische Aspekte, Sicherheit, Marketing


Bönnigheim - Rund 180 Vertreter der Textilindustrie, des Handels, des Gesundheitswesens und der öffentlichen Hand informierten sich im Rahmen der 2. Europäischen Konferenz zu Textilien und Haut in Stuttgart über den wachsenden Markt bioaktiv ausgerüsteter Textilien. Diese kommen nicht nur im technischen Bereich und im Gesundheitswesen verstärkt zum Einsatz, sondern werden auch in der Freizeit und beim Sport immer beliebter.

Entsprechend breit gefächert sind auch die Gründe für antimikrobielle Ausrüstungen bei Textilien. Diese reichen von der Vermeidung eines Verlustes der Gebrauchstüchtigkeit durch mikrobiellen Faserabbau und die Verringerung der Geruchsbildung durch mikrobiellen Abbau bis hin zur Beschränkung des mikrobiellen Befalls auf ein erträgliches Maß und die Verhinderung der Übertragung und Ausbreitung von Krankheitserregern im Rahmen der Infektionsprävention.

Im Mittelpunkt der ersten Vortragssektion stand in Stuttgart die Marktbedeutung antimikrobieller Textilien. Diese belegte Dr. Ullrich Girrbach von der Trevira GmbH anhand umfassender Marktzahlen: Die USA, Europa und Japan lassen hier die größte Nachfrage erkennen. Girrbach zeigte zudem den Stellenwert antimikrobieller Textilien in den verschiedenen Produktsparten wie Active Sportswear, Funktionsunterwäsche und Heimtextilien auf. Dr. Helmut Mucha von den Hohensteiner Instituten ergänzte die Ausführungen durch eine Übersicht auf dem Markt befindlicher antimikrobiell ausgerüsteter Fasern und deren verschiedenartige Wirkprinzipien. Außerdem stellte er die verschiedenartigen Anwendungsbereiche antimikrobieller Textilien dar und die damit verbundene Nutzenauslobung durch die Hersteller.

Prof. Dr. Uwe Wollina von der Hautklinik des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt führte die Kongressteilnehmer in die Wechselwirkung zwischen Textil und Haut sowie die Grundfunktionen der Haut ein. Er zeigte zudem, wie dieses Grenzorgan des menschlichen Körpers seine Schutzfunktion erfüllt und wie deren Störung durch den Körper abgewehrt werden. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass Textilien die Hautfunktion generell unterstützen und antimikrobielle Materialien bei krankhaften Veränderungen unter bestimmten Voraussetzungen eine gezielte Hilfe sein können.

Einen neues Silber beschichtetes Fasersystem untersuchte die Klinik für Dermatologie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hinsichtlich seiner mykotischen und antibakteriellen Wirkung. Dr. Uta-Christina Hipler präsentierte die Ergebnisse der Untersuchungen, die sowohl im Reagenzglas, wie auch am lebenden Menschen durchgeführt wurden und die Unbedenklichkeit der Faser im Hinblick auf mögliche Allergien oder Hautirritationen wissenschaftlich belegen.

Die Risikoabschätzung bei Silberkomponenten stand im Mittelpunkt des Vortrages von Dr. Alan B. G. Lansdown von der School of Medicine in London. Lansdown erläuterte die Wirkungsweise von Silber als antimikrobiellem Wirkstoff, der bereits seit Hunderten von Jahren angewendet wird. Auf besonderes Interesse bei den Kongressteilnehmern stießen u. a. seine langjährigen Erfahrungen beim Einsatz silberhaltiger Wundverbände, bei denen diese ein breites und effizientes Wirkungsspektrum gegenüber pathogenen Keimen bewiesen haben und das ohne toxische Auswirkungen auf die Körper der behandelten Patienten.

Die rechtlichen Regelungen zu Biozid-Produkten auf deutscher und europäischer Ebene stellte Susanne Donner vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Bonn vor. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen zeigte sie anhand von Beispielen auf, in welchen Fällen Wirkstoffe und Produkte registriert bzw. zugelassen werden müssen. Bei antimikrobiellen Textilien ist in diesem Zusammenhang die bestimmungsgemäße Verwendung des Produktes entscheidend, d. h. also die Frage, ob der Wirkstoff primär am Produkt wirkt oder freigesetzt werden soll. Da die bioziden Wirkstoffe bei antimikrobiellen Textilien i.d.R. nicht unmittelbar freigesetzt werden, sind sie vom Zulassungsverfahren nicht betroffen.

Ebenfalls beschäftigte sich der Kongress mit den Wirkprinzipien und Wirknachweisen antimikrobieller Textilien. Dr. Dirk Höfer stellte als Leiter des Kompetenzzentrums Medizintextilien an den Hohensteiner Instituten die verschiedenen Aspekte der biologischen Sicherheitsprüfungen für antimikrobielle Textilien dar. Mit Hilfe von Haut-Testsystemen lässt sich sowohl der Nachweis aus dem Textil herauslösbarer zellgiftiger Substanzen führen, wie auch ein mögliches Entzündungspotenzial ermitteln, das beim Tragen eines Textiles zu Hautirritationen führen kann. In Verbindung mit wissenschaftlich fundierten Wirksamkeitsnachweisen bieten die von den Hohensteiner Instituten angebotenen Untersuchungen den Herstellern und Anbietern antimikrobiell ausgerüsteter Textilien die Möglichkeit, sowohl die Wechselwirkung zwischen Textil und Haut wie auch die Nutzen- und Gefahrenpotenziale wissenschaftlich exakt zu erkennen und zu erfassen.

Zum Abschluss des Kongresses fasste der Leiter der Hohensteiner Institute, Dr. Stefan Mecheels, den Inhalt der Vorträge und die zum Teil sehr lebhaft geführten Diskussionen wie folgt zusammen:
- Der Kongress hat gezeigt, dass antimikrobielle Textilien aus dermatologischer Sicht durchaus eine nützliche Ergänzung zu bestehenden Therapieformen sein können. Das gilt z. B. bei Neurodermitis oder anderen Hautkrankheiten, bei denen die Hautflora des Menschen aus irgendwelchen Gründen aus dem Gleichgewicht geraten ist.
- Die Anwendungsmöglichkeiten von antimikrobiellen Textilien reichen auch in nichtmedizinische Anwendungsgebiete hinein. Es muss die Aufgabe der Hersteller sein, im Sinne einer Nutzen-/Risikoabschätzung die Vorteile antimikrobieller Textilien bei Menschen mit gesunder Haut noch deutlicher zu vermitteln.
- Testsysteme sind etabliert, welche die Wirksamkeit von antimikrobiellen Textilien bewertbar und vergleichbar machen.
- Die Zusammenarbeit im internationalen Bereich sollte auch auf die Schaffung eines europäischen Labels abzielen, um die Informationen für den Anwender transparent zu gestalten.
aus Haustex 12/04 (Fasern, Garne)