Einzelhandel kann von höheren Einkaufspreisen profiteren

Unverminderter Preisanstieg bei iranischen Teppichen

Harte Arbeit müssen die Orientteppich-Importeure momentan im Iran leisten, wenn sie ausreichend gute und aktuelle Ware bekommen wollen. Die Verknappung an handgeknüpften Teppichen nimmt quer durch alle Provenienzen weiter zu. Das hat zum Teil erhebliche Preissteigerungen zur Folge, die aber in gemäßigter Form von den Importeuren nicht ungern gesehen werden und die auch vom Einzelhandel genutzt werden sollten.

Die Entwicklung der Verknappung und Verteuerung der persischen Teppiche war voraus zu sehen (siehe Heimtex Orient Nr. 5/2003 und Nr. 6/2003). Bereits seit über drei Jahren klagen die iranischen Teppichhersteller darüber, dass sie bei dem bis vor einem Jahr gültigen Preisniveau keine Überlebenschance hätten. Bei einer jährlichen Inflationsrate von 20 Prozent reichten die erzielten Erlöse nicht mehr zur Existenzsicherung der Knüpfer aus. Die schwache Nachfrage aus Europa allerdings erlaubte keine notwendigen Preiserhöhungen, zumal die Einkäufer argumentierten, dass sich bei dem geringen Interesse der Verbraucher an Teppichen keine höheren Marktpreise durchsetzen ließen.

Jetzt bestimmt der Markt weitgehend den Preis. Zahlreiche Knüpfer haben ihre bisherige Tätigkeit aufgegeben und sich anderen Berufen zugewandt. In der Landwirtschaft lässt sich im Iran ebenso mehr Geld verdienen wie im Baugewerbe oder der sich immer mehr ausweitenden Industrie. Importeure im Hamburger Hafen und an der Borsteler Chaussee sprechen von Produktionsrückgängen in der Teppichfertigung von bis zu 70 Prozent in einigen Regionen. Zahlreiche staatliche Bauprojekte, angefangen vom Straßenbau bis hin zum sozialen Wohnungsbau, eine starke Expansion der Industrie und immer größere Landflächen, die urbar gemacht werden, bieten ehemaligen Knüpfern, die ihre Teppiche meist in Heimarbeit gefertigt haben, deutlich bessere Verdienstmöglichkeiten.

Seit etwa einem Jahr steigen deshalb die Preise. Durch den starken Euro und durch Mischkalkulation der Importeure mit noch vorhandener Lagerware schlugen diese ersten Preisanhebungen allerdings kaum im deutschen und europäischen Markt durch. Selbst zur Domotex 2004 lagen die Messepreise noch deutlich unter den Einkaufspreisen in Teheran. Jetzt allerdings beginnt sich das Preiskarussell auch in Europa zu drehen, nachdem die Verknappung der Ware und die damit verbundenen Preisanhebungen zum Teil dramatische Ausmaße angenommen haben. In der Hamburger Speicherstadt wird im März 2004 von Preissteigerungen von teilweise über 50 Prozent im Ursprungsland im Vergleich zum Vorjahr gesprochen. Ein Hamburger Importeur: "Preisschwankungen gab es in den letzten 20 Jahren immer wieder. Aber die drastische Entwicklung seit einem Jahr ist bisher wohl einmalig. Die Preise ziehen von Woche zu Woche an. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen."

Dabei verlaufen die Verteuerungen durchaus nicht linear durch den Iran. Das wäre nur bei Währungsschwankungen, so ein Importeur, der Fall. Momentan scheinen Bidjar und Täbriz, die gegenwärtig unter den klassischen Perserteppichen eine starke Nachfrage verzeichnen, am schwersten erhältlich und am stärksten von der Preissteigerung betroffen zu sein. Bei anderen Provenienzen schwanken die Preisanhebungen je nach der Arbeitsmarktsituation vor Ort.

Am schwierigsten dürfte diese Situation für die Orientteppich-Importeure zu bewältigen sein. Sie müssen nicht nur darum kämpfen, überhaupt Ware zu bekommen, sondern tragen auch weitgehend das Preisrisiko. Viele iranische Hersteller und Exporteure verkaufen an den, der am meisten bietet, gleich ob es Lieferverträge gibt oder nicht. Die Importeure können kaum zu Festpreisen einkaufen, müssen aber ihren Kunden Festpreise garantieren. Die allerdings werden mittlerweile zumeist terminiert oder die Kaufverträge werden durch Vorbehaltsklauseln ergänzt.

"Die steigenden Preise", so ein Importeur, "fördern auf jeden Fall die Orderdisziplin des Einzelhandels." Spekulative Vorratskäufe der Importeure gibt es bei dem ja immer noch nicht überteuerten Preisniveau bislang nicht. Das würde zum einen die Finanzkraft der einzelnen Unternehmen übersteigen und wäre zum anderen bei der gegenwärtig nach wie vor zu schwachen Nachfrage auch zu riskant.

Der Einzelhandel kann von der Warenverknappung und den Preissteigerungen profitieren. Seine bestehenden Lagervorräte an persischen Teppichen kann er dem neuen Preisniveau anpassen. Das Lager gewinnt an Wert. Die Verknappung der Teppiche lässt sich als Verkaufsargument einsetzen. Wenig am Markt zu findende Stücke wecken größere Begehrlichkeiten beim Verbraucher als billige Massenware. Da der Einzelhandel zudem meist mit einem festen Kalkulationsschlüssel arbeitet, steigen bei höheren Preisen auch der Umsatz und vor allem der Gewinn. Der Markt, darüber sind sich die Orientteppich-Importeure einig, kann durchaus höhere Preise vertragen, da der Verbraucher zwar durch durchgestrichene Preise angelockt wird, aber im Grunde genommen keine Wert- und damit auch keine konkreten Preisvorstellungen bei handgeknüpften Teppichen hat.

Weitaus wesentlicher als der Preis ist jetzt nach Ansicht marketingorientierter Importeure das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Importeur und Großhandel auf der einen Seite und dem Einzelhandel auf der anderen Seite. Ein Hamburger Importeur: "Wir wollen den Einzelhandel mit den höheren Preisen nicht über den Tisch ziehen. Wir haben da auch keine Chance, da der Einkaufsmarkt transparent ist und Marktpreise vorgegeben sind. Aber Groß- und Einzelhandel können in der gegenwärtigen Situation gemeinsam den persischen Teppich aufwerten. Wir müssen hier Partnerschaften pflegen. Wir sitzen schließlich in einem Boot."
aus Heimtex Orient 02/04 (Teppiche)