Orientteppich-Handwäsche - eine interessante Serviceleistung

Einem Teppichwäscher über die Schulter geguckt

Dass wir uns immer mehr hin zur Dienstleistungsgesellschaft entwickeln, spürt auch der Handel und greift dieses betriebswirtschaftlich interessante Thema immer mehr auf. Viele Anbieter offerieren bereits einen Rundumservice, zu dem insbesondere die Reinigung und "Wartung" von Orientteppichen gehört. Zudem bringt Service Kundenkontakte und mögliche Neuverkäufe. Gute, verlässliche Wäschereibetriebe sind rar, deshalb lohnen sich aber auch weite Wege.

Heimtex Orient hat die am Rande der Hamburger Speicherstdt ansässige Orientteppich-Spezialwäscherei H.T.V. besucht und Einblick in den Waschablauf genommen. Die H.T.V. ist auf dem derzeit modernsten Stand einer Handwäscherei und reinigt Orientteppiche noch ganz traditionell. Man bedient Auftraggeber im angrenzenden, ehemaligen Freihafen, in Hamburg und seinem weit reichenden Einzugsbereich, kann aber auch auf Auftraggeber im gesamten Bundesgebiet verweisen.

Da Orientteppiche sehr unterschiedlich geknüpft oder gewebt sind, werden die besten Reinigungsergebnisse mit Hilfe individueller Handwäsche erzielt. Sie ist zwar umständlich und auch teurer als die maschinelle Reinigung, doch sollte der Verbraucher die Servicekosten im Verhältnis zum Teppichwert und besonders zum Ergebnis sehen. Nur per Hand kann der Wäscher sich mit seiner Erfahrung auf die verschiedenen Knüpfstärken, Materialien, Farbstoffe, sowie den Zustand und das Alter, also die Empfindlichkeit eines Orientteppichs einstellen und entsprechend behutsam oder erforderlichenfalls auch intensiver vorgehen. Einzig auf diese Weise ist der in dicken, strammen Knüpfungen haftende Schmutz, beispielsweise in einem Bidjar oder Gabbeh, schonend aus dem Teppichgrund herauszulösen. Das ist sehr wichtig, denn hier eingedrungene, scharfkantige Sandkörner zermahlen auf Dauer beim Belaufen die dort sitzenden Knotenbögen.

Teppichwaschplätze sind von einer das Wasser zurückhaltenden Einfassung umgeben. Das Waschwasser, mit dem nicht gegeizt werden darf, wird über Siele aufgefangen und abgeleitet. Bei der von uns besuchten Orientteppich-Spezialwäscherei H.T.V. wird das Schmutzwaschwasser aus umweltschonenden Gründen rückgewonnen und in einem geschlossenen Kreislauf zur weiteren Verwendung wieder aufbereitet. Eine Handwäsche scheint zwar denkbar einfach, führt aber nur zu guten Ergebnissen, wenn entsprechendes Knowhow mit in den Waschvorgang einfließt. Eine der wichtigsten zu beachtenden Kriterien dabei ist der absolut neutral zu haltende ph-Wert des Waschwassers. Ebenfalls eine Umweltauflage.

Alles beginnt mit der visuellen Eingangskontrolle hinsichtlich Vorschäden wie Flecken, Schadstellen, Kett- und Schussbrüche, Löcher, etc, Mottenfraß und Larvenhüllen und möglichen Materialschäden wie beispielsweise Vermorschungen. Von daher lässt sich die bei nass angelieferten Teppichen erforderliche Vorwäsche erklären: Durchnässte Teppiche sind in diesem Zustand meist sehr dunkel, so dass die Schäden auf ihnen kaum sichtbar werden. Eventuelle Vorschäden sind daher oft erst nach einer Vorwäsche mit anschließender Trocknung erkennbar - und können erst dann im Einlieferschein vermerkt werden.

Vorbedingung für gute Waschergebnisse ist ein absolut gründliches Entstauben noch im Trockenzustand. Hierfür bieten sich mehrere maschinelle Verfahren an, die unter Umständen per Hand ergänzt werden müssen: Klopfen mit einem handelsüblichen Teppichklopfer, Walken in einer gelochten Drehtrommel, Rütteln auf einem Rütteltisch oder maschinelles Klopfen mittels in Reihe geschalteter, rotierender kleiner Schlegel. Nach dem Entstauben findet hinsichtlich erst jetzt offenkundig gewordener Vorschäden eine Zweitkontrolle statt.

Der eigentliche Waschvorgang beginnt mit dem Vorweichen, angeregt durch ein Spezialwaschmittel. Meist handelt es sich dabei um so genannte "nichtionische Tenside". Von erheblicher Bedeutung für erstklassige Waschresultate sind die eingesetzten Waschmittel, die die Wolle auch nach der Wäsche geschmeidig halten sollen.

Beim Waschen steht der Wäscher auf dem flach aufgelegten, wasser- und waschmitteldurchtränkten Teppich und bearbeitet diesen von der Vorder- und Rückseite, mit und gegen denn Strich, in Quer- und in Längsrichtung. Dies geschieht mit Spezialschrubbern und anderen Gerätschaften, wie beispielsweise rotierenden Weichbürsten, mit denen die Waschmittel bis in den Teppichgrund eingearbeitet werden. Gleichzeitig wird der Flor gewalkt. Diese Behandlung ist die Hauptarbeit und nimmt - je nach Zustand, Knüpfdichte und Dicke des Teppichs - mehr oder weniger Zeit in Anspruch, eben so lange, bis sich kein Schmutz mehr löst. Anschließend wird so lange gespült, bis das Waschwasser klar ist.

Da das Wasser nach mehreren Waschvorgängen schwach alkalisch ist, wird ein Mittel zum Neutralisieren, also zum Erreichen des ph-Wertes 7 hinzugegeben. Nach Beendigung der Wäsche wird dem Teppich das Waschwasser maschinell entzogen. Dies geschieht mit Hilfe großer, schnell rotierender Trockentrommeln oder auch mit geeigneten Extraktionsgeräten.

Zum Trocknen wird der Orientteppich bei ca. 40 C in einem Trockenraum aufgehängt. Dieser ist bestückt mit einer genau bemessenen Zahl Umluftventilatoren. Ein Energie fressender Vorgang, den die Wäschereien im Orient durch die dort ständig scheinende Sonne kostenlos geliefert bekommen. So gereinigt und getrocknet, wird anschließend nochmals entstaubt, und der Flor sodann rückgefettet, aufgebürstet und geglättet. Empfehlenswert ist, zusätzlich eine Schutzemulsion aufzutragen zu lassen. Bei Bedarf auch ein Antimottenmittel, denn diese Plagegeister sind leider wieder auf dem Vormarsch.

Nach der Wäsche können helle Knoten des Grundgewebes im Flor hervortreten. Sie sind fachgerecht zu beseitigen. Verschmutzte, angebräunte Baumwollfransen werden mit sauerstoffhaltigen Mitteln faserschonend aufgehellt.

Sollte sich ein Teppich bei der Wäsche verziehen oder wellig werden, was insbesondere bei solchen mit Wollgrundgewebe recht oft der Fall ist, werden diese auf Spezialrahmen glatt gespannt. Ein Vorgang, der behutsam ablaufen muss und dementsprechend zeitraubend ist, denn andernfalls könnten die Kett- oder Schussgarne reißen.

Weitere Leistungen erfahrener Spezialbetriebe sind das faserschonende Detachieren aller Arten von Flecken, insbesondere die komplizierte Urinsteinbehandlung, Reparieren und Festonieren lockerer Fransen und Seitenkanten, Ummanteln beschädigter Schirasis, sowie das Strecken eingerollter Längsseiten, Restaurieren und Ausknüpfen schadhafter Florbereiche, Nachscheren unregelmäßigen Teppichflors, Aufdämpfen und Bügeln verdrehter Florbereiche, Antimottenausrüstung, Antipilz-, -bakterien und -milbenausrüstung, Antigeruchsbehandlung und evtl. auch ein vorsichtiges Abflammen der Teppichrückseite.

Nach einem solcherart perfekt ausgeführten Service wird bei H.T.V. zum Schutz der Florwolle abschließend eine hochwertige Wollfettemulsion aufgetragen. Im Verlauf einer letzten, kritischen Nachkontrolle werden dann die letzten Mängel beseitigt.

Bleibt noch zu ergänzen, dass nach vorliegenden Erfahrungen, Orientteppiche mindestens in einem Rhythmus von etwa acht Jahren grundgereinigt werden sollten. Wenn sie nach der Wäsche weicher als vorher sind führt das bisweilen zu Irritationen seitens der Eigentümer. Sein Teppich erscheint ihm zu "lappig". Dies ist allein darauf zurückzuführen, dass mit Hilfe einer sorgfältigen Orientteppichspezialwäsche eben auch der letzte, versteifende "Edeldreck" endgültig entfernt wurde.
aus Heimtex Orient 01/04 (Teppiche)