Fachinformationen Gabbeh - Loribaft

Der Gabbeh und seine feinen Verwandten

Heutzutage kommen Kunden ins Geschäft und fragen gezielt nach einem Gabbeh. Eine derartige Durchdringung des Orientteppichmarktes hat bisher noch keine andere Provenienz geschafft. Weit verbreitet und bei jedem Anbieter anzutreffen, ist diese Teppichgruppe erst seit gut zwanzig Jahren im Markt präsent. In dieser kurzen Zeit hat sie sich ständig weiterentwickelt. Zum groben Gabbeh kommen heute die feineren Yallamehbaff, Loribaff, Kaschghulibaff und dem feinsten Verwandten, dem Farsibaff oder auch Risbaff.

Gabbeh ist nicht gleich Gabbeh. Im Laufe der Jahre kamen immer feinere Knüpfungen unter neuen Namen auf den Markt. So gibt es heute neben dem klassichen Gabbeh die Yallamehbaff, Loribaff, Kaschghulibaff, Faribaff oder auch Risbaff.

Ihren Anfang nahm diese Entwicklung mit den Neu-Gabbehs im südpersischen Raum. Führend bei der Schaffung dieses Produktes, die vor etwa zwanzig Jahren begann, war der in Schiras ansässige Teppichexporteur Zollanvari. Der Aufschwung des Gabbehs war kometenhaft, die Nachfrage von Anbeginn derart stark, dass sie mit dazu beitrug, die Ghaschghai-Stämme mehr und mehr sesshaft zu machen.

Der Gabbeh hat mittlerweile zwar seinen Zenit überschritten. Sein Stern aber strahlt nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Inzwischen wurde er zu einem weitverbreiteten Einrichtungsgegenstand europäischer und amerikanischer Wohngestaltung-Generationen übergreifend für Jung und Alt. Demzufolge behauptet diese Neuentwicklung inzwischen ihren festen Platz im Sortiment eines jedes Orientteppichanbieters.

Doch die Entwicklung blieb nicht stehen. Weiterentwicklungen wie Yallamehbaff, Loribaff, Kaschghulibaff und Farsibaff, erweitern und vertiefen das Angebot an diesen modern anmutenden, geometrischen Dessins. Es sind allesamt Gabbeh-Risbaffs - feingeknüpfte Gabbeh. Die sich jetzt abzeichnende Entwicklung zielt eindeutig in Richtung Designerteppich, dessen Dessins und Farbkompositionen mehr und mehr in den Käuferländern entworfen werden, zumindest aber unter deren direktem Geschmackseinfluss entstehen.

Eine Klassifizierung, die in Deutschland allerdings weniger gebräuchlich ist, zeigt sich in der Bezeichnung Yallamehbaff, auch er ein weiterentwickelter Gabbeh. Die Trennungslinie zwischen dem klassischen Gabbeh und Yallamehbaff verläuft indes fließend. Zwar liegt sie gewissermaßen an der Schnittstelle zwischen Gabbeh und Loribaff, wird vom Handel jedoch absolut willkürlich gehandhabt.

Die Knüpferinnen selbst haben bei der Klassifizierung freilich keinerlei Einfluss, denn bei aller Freiheit der schöpferischen Ausformung, arbeiten sie nach vorgegebenen Aufträgen. Und schlussendlich basieren die Bezeichnungen dieser Teppichgruppe nicht auf ihrer Herkunft, sondern sind eigentlich nichts weiter als eine sehr erfolgreiche Marketingidee.

Beispielsweise wird ein besonders schöner Gabbeh vom Handel gern als Yallamehbaff eingestuft. Eine normative Festlegung hingegen ist hierfür nicht möglich. Das einzige Zugeständnis in dieser Hinsicht wäre, nicht fein genug geknüpfte Loribaffs als Yallamehbaffs zu deklarieren. Oder anders herum: außergewöhnlich schöne und etwas feiner geknüpfte Gabbehs entsprechend zum Yallamehbaff hochzustufen.

Einige auf Gabbeh und Partner spezialisierte Importeure signieren Ihre Teppiche und geben ihnen zusätzlich Eigennahmen. Diese Hochwert-Produktionen werden überwiegend mit handgesponnener und naturgefärbter Florwolle geknüpft. Die Kett- und Schussgarne für das Wollgrundgewebe sind der größeren Festigkeit wegen jedoch auf Maschinen gesponnen.

Der "normale" Gabbeh ist gewissermaßen ein Teppich mit zwei sehr unterschiedlichen Gesichtern: Dem althergebrachten und einem neuen, in jeder Hinsicht völlig anders gestalteten. Letzterer ist so neu, daß man ihn noch nicht in der Orientteppichliteratur abgebildet findet. Niemand jedoch sieht dem heutigen Gabbehs eine Verwandtschaft mit ihren naturfarbenen Vorläufern an, die zur Abgrenzung neuerdings Schuli-Gabbehs genannt werden.

Die Ur-Gabbeh sind schmale Brücken, die in den zurückliegenden siebziger Jahren hauptsächlich im Maßverhältnis der so genannte Mossul-Bariks (ca. 2,00 m x 1,00 m) ganz anders als heutige Gabbehs geknüpft sind. Da es außer dem Berber damals noch keine anderen naturfarbenen Teppiche gab, fanden sie recht guten Absatz.

Aus einer Produktidee heraus geboren, entspricht die vor etwa zwanzig Jahren neu geschaffene Gabbeh-Version in Farbe und Dessin hervorragend dem Geschmack in Europa und den USA - und blieb bisher trotz allem dennoch ein treues Geschöpf uralter Knüpftradition kontinuierlicher Volkskunst.

Gabbeh

Über den Namen Gabbeh ist fachlich schon viel theoretisiert worden, doch niemand kann sich für eine einigermaßen gesicherte Herkunft verbürgen. Die wahrscheinlichste mag sein, daß Gabbeh im Slang der südpersischen Teppichbranche so viel wie ungeschoren bedeutet und ursprünglich eine möglicherweise sogar abfällig gemeinte Bezeichnung für grobe Knüpfungen des Fars-Gebietes war, Teppiche die wegen ihrer simplen Mustergebung und der hohen, "verwischten" Schur kaum Widerhall im Export fanden.

Sie ähneln den zottig-langflorigen, grob geknüpften und wegen ihrer sparsam gestalteten Dessins archaisch wirkenden Tülü Ost-Anatoliens, die auch erst spät als Sammlungsteppiche entdeckt wurden. Auch sie waren seinerzeit nicht exportierbar und blieben im Lande. Eines Tages jedoch wurde der farbige Gabbeh von einem Schweizer Teppichenthusiasten namens George D. Bornet entdeckt. Er hob den traditionellen Gabbeh auf die Bühne volkskundlich eindrucksvoller, unverfälschter Nomadenteppiche und machte sie zum Gegenstand seiner anfangs noch mild belächelten, heute aber hoch angesehenen Gabbeh-Kollektion.

Vorher fand man diese unverfälschten Schöpfungen höchstens mal bei spezialisierten Fachhändlern, die solche urigen, fast exotisch anmutenden Nomadenteppiche mit in ihrem Programm führten. Mit anderen Worten: Vor noch nicht allzu langer Zeit stand die Provenienz Gabbeh gewissermaßen für all die Fars-Knüpfungen ein, die an die Nobless der ausgereiften und schon immer begehrten Gaschghai- und Chamseh-Teppiche in keiner Weise heranreichen konnten.

Da kein verbindender Roter Faden auszumachen ist, scheint es also eher so, dass der einprägsame Provenienzname Gabbeh für die Neuen willkürlich gewählt wurde. Vom Gedanken des Produktmarketings her immerhin sehr geschickt, denn der Verbraucher hat sich diesen Namen gemerkt.

Als in den achtziger Jahren die Umsätze mit herkömmlichen Fars-Teppichen immer mehr stagnierten, ließ sich ein innovativer Importeur etwas einfallen - und steuerte diesem unerfreulichen Abwärtstrend gegen. Mit guten Kontakten zu seinen knüpfenden Landsleuten im Farsgebiet, meist ethnisch den Gaschghai, Luri und Chamseh-Stämmen zugehörig, entwickelte er versuchsweise gänzlich anders gestaltete, frei thematisierte Teppiche in recht grober Knüpfeinstellung.

Heraus kamen ungewöhnlich und im Dessin fast völlig "von der Leine gelassene" Teppiche, die alle Ketten des Bisherigen sprengten und mit dem Taufnamen Gabbeh in den Handel gelangten. Obwohl ein Wagnis, weil eben völlig "aus der Art geschlagen" und zudem nicht einmal fein geknüpft, fanden die neuen Kreationen von Fleck weg Anklang - und vor allem zügigen Absatz. Womit gleichzeitig auch bewiesen war, dass die oft überbewertete, weil eigentlich nur technische Vorgabe der Knüpffeinheit nicht unbedingt Dreh- und Angelpunkt eines Orientteppichs sein muss.

Sich ganz der sofort einsetzenden Nachfrage anpassend, wurden die Gabbehs seither von Jahr zu Jahr attraktiver - und immer unkonventioneller. Angeheizt von aufmerksamen Teppichkaufleuten, entstand in Kürze fast aus dem Nichts die heute nach wie vor umfangreiche Gabbeh-Produktion. Mittlerweile ist dieser immer noch innovative Knüpfteppich aus keinem Angebot mehr wegzudenken. Marktangepaßt wie er ist, wandeln sich die Dessins und Farben fast in jährlichem Rhythmus.

Als extrem individuelle Knüpfung gleicht kein Dessin dem anderen. Die Knotendichte liegen üblicherweise zwischen 45.000 und 60.000 Knoten/qm, was bei der Flächigkeit der Muster auch vollauf genügt. Aufgrund der hervorragenden Schurwolle ist der persische Gabbeh außerordentlich robust und strapazierfähig.

Je nach Tradition der Stämme wird entweder mit dem Türkischem (Symmetrischen) oder Persischen (Asymmetrischem) Knoten ausschließlich auf Schafwollgrundgewebe geknüpft. Es sind ausschließlich Frauen, die diese Teppiche erschaffen. Im Unterschied zu den Originalen, verwenden die Inder - hier knüpfen überwiegend Männer - Baumwollgarne für Kette und Schuss.

Gabbehs werden in allen Größen hergestellt, wobei nur noch wenige Kleinformate unter Nomadenzelten entstehen. Bei der Sperrigkeit der Knüpfstühle und dem hohen Quadratmetergewicht, das auch schon mal bis über fünf Kilo ansteigen kann, werden die größeren Exemplare schon aus praktischen Erwägungen von seßhaften Ghaschghais, Luren, Kurden und Bachtiaren, sowie einigen Stämmen der Chamseh-Föderation in Heimarbeit und in Kleinateliers geknüpft. Ob sesshaft oder nomadisierend, ausschließlich festhaltend am althergebrachten, horizontalen Knüpfstuhl.

Seine Dauerhaftigkeit gewinnt der Gabbeh durch die ungewöhnlich hohe Schur und die feste, geschichtete Knüpfeinstellung mit hervorragender Florwolle, die meist aus dem Fars-Gebiet und umliegenden Regionen stammt. Dem Wunsch vieler Verbraucher folgend, setzen die Knüpferinnen bei den besseren Qualitäten nur handgesponnene Schurwolle ein, die mit Naturfarbstoffen gefärbt ist.

Von den phantasiereichen und Kunst begabten, mit subtilem Farbempfinden gesegneten Frauen der knüpfenden Fars-Stämme werden dabei teils wunderschöne und eindrucksvolle Dessins ersonnen. Aus einigen scheint die sonnendurchflutete Weite der Steppe zu funkeln.

Die Qualitäten der persischen Gabbehs sind recht unterschiedlich. Die unteren werden inzwischen allerdings überwiegend von den preiswerteren Indo-Gabbehs ersetzt. Die aktuellen Großhandelspreise durchschnittlicher Qualitäten mit ca. 45-50.000 Knoten/qm beginnen bei circa EUR 70,-/qm. Die besseren, die gut 60.000 Knoten/qm erreichen, steigen bis auf über etwa EUR 120,-/qm. Hochwertige Qualitäten, die mit kurdischer, handgesponnener und Naturfarben eingefärbter Wolle geknüpft werden, erzielen allerdings Preise, die erheblich über diesen Quotierungen liegen. Ausserdem gibt es Ausnahmeknüpfungen und Übermaße, deren Preise nachfragegebunden sind. Indo-Gabbehs vergleichbarer Durchschittsqualitäten kosten etwa die Hälfte.

In Indien werden schon seit geraumer Zeit Gabbeh-Teppiche geknüpft. Sie kommen als preiswert reproduzierte Variante auf den Markt und sind ihren Provenienzpaten qualitativ durchaus ebenbürtig. In Unterschied zum Original sind sie aber keine Unikate und führen die Zusatzbezeichnung INDO-Gabbeh. Eine weiteres Unterscheidungsmerkmal ist das Grundgewebe: So knüpfen die indischen Manufakturen auf Baumwolle, so dass die indischen Gabbehs - obwohl in Duktus, Farbe und Komposition den Originalen oft sehr nahe kommend - recht leicht von diesen zu unterscheiden sind. Die Florgarne werden mit synthetischen, teils hochwertigen Industriefarbstoffen eingefärbt.

Luribaff, Kaschghulibaff , Risbaff

Genauso wie der Teppich selbst, ist auch der Provenienzname Luri- oder Loribaff erst neueren Datums. Er ist zusammengesetzt aus dem Namen des in Süd-Persien siedelnden und teilweise auch noch wandernden Volkes der Luren, dem man die persische Silbe "baff" angefügt hat. Diese bedeutet so viel wie "geknüpft", frei übersetzt also "Luri-geknüpft".

Doch auch dieser Name gibt nicht die wirkliche Herkunft wider, denn die Luren selbst knüpfen kaum noch die hier besprochenen Teppiche. Die andere Bezeichnung Kaschghulibaff ist hingegen zumindest teilweise zutreffend, denn die meisten dieser Teppiche, werden von den Kaschghuli, einem Gliedstamm des Volkes der Gaschghai geknüpft. Sie sind mittlerweile überwiegen sesshaft geworden und nur noch wenige wandern in der persischen Provinz Fars.

In dieser Region leben auch Kurden, wie beispielsweise der im Bachtiar-Gebiet liegenden Stadt Schar-e-Kurd (Persisch: Kurdenstadt) zu entnehmen ist. Ein, wenn auch geringer Anteil der inzwischen in Deutschland begehrten, gleichsam veredelten Gabbehs wird von Bachtiaren geknüpft, die hier im Nordwesten angrenzend ebenfalls ihr Siedlungsgebiet haben.

Etwas anders verhält es sich mit dem Namen "Risbaff", der ethnisch sowie regional übergreifend zu verstehen ist. Er ist zusammengesetzt aus den beiden persischen Silben "ris" für fein und "baff" und bedeutet nicht weiter als "feingeknüpft". Genau genommen lautet der in Deutschland allerdings weniger gebräuchliche, volle Name "Gabbeh-Risbaff", ein Hinweis auf den Verlauf der Entwicklung dieser Teppiche.

Also ist auch der Name Risbaff eine reine Neuschöpfung und letztlich eine Provenienzbezeichnung, die mehr als Gattungsname zu verstehen ist. Übrigens ein allgemein festzustellender Trend, der sich auch in anderen Provenienzen, wie beispielsweise in den, im gesamten Iran geknüpften Nain-Dessins offenbart. Auf den Bidjar trifft Vergleichbares zu.

Seltener anzutreffen, aber der Vollständigkeit halber hier mit aufzuführen ist der Name Farsbaff oder Farsibaff, was auf die altpersische Provinz und den heutigen Verwaltungsbezirk Fars zurückzuführen ist. Hier kann man von einer Provenienzbezeichnung ausgehen, den er läßt sich lokal festmachen. Auch leben die genannten Völker und Stämme sämtlich in diesem südpersischen Gebiet und seinen angrenzenden Landschaften.

Alle vier Provenienzbezeichnungen - Loribaff, Kaschghulibaff, Farsibaff und Risbaff - stehen also für die Neuentwicklung dieser Teppichgruppe. Sie sind gefällig und eine gelungene Antwort auf die Nachfrage speziell des deutschen Marktes, der in Folge der Gabbeh-Welle als Ergänzung des Angebotes dichter geknüpfte und voller gemusterte Dessins verlangte. Inzwischen sind sie aber wieder flächiger geworden.

In diesen Knüpfungen sieht die Fachwelt auch eine Unterstützung und damit ein Wiederaufleben der allmählich in Vergessenheit zu geraten drohenden Traditionsmuster dieser geschichtlich uralten Stämme, die teilweise noch recht abgeschieden von der Zivilisation in entlegenen Bergregionen zu hause sind.

Alle Teppiche der persischen Loribaff-Gruppe werden grundsätzlich auf Wollgrundgewebe (Kette und Schuss) geknüpft, wobei beide Knotenformen vorkommen, der Türkische Knoten aber auch hier deutlich überwiegt. Die Knüpfung ist geschichtet, so dass von der Rückseite in Schussrichtung nur ein Knotenbogen sichtbar bleibt. Der andere liegt verborgen darüber, verschwindet also unsichtbar im Teppichgrund.

Die gleiche Kunsthandwerksform gilt für die Gabbehs. Die Knüpfdichten liegen um 150.000 Knoten/qm, können bei den neueren Qualitäten aber durchaus gut über 250.000 Knoten/qm in Spitzen auch weit über 300.000 Knoten/qm erreichen. Die Knüpfung ist äusserst solide mit einem relativ steil stehenden, kompakten Flor, so dass sie stark an die der Bidjars erinnert. Sehr feine Lori-/Kaschghulibaffs liegen mittlerweile im Einkauf preislich bis circa EUR 380,-/qm. Normalqualitäten werden hingegen schon ab etwa EUR 150,-/180,-/qm angeboten.

Seit jüngster Zeit liefert auch Indien Loribaff-Dessins, die aber, wie die normalen Indo-Gabbeh auch, grundsätzlich auf Baumwollgrundgewebe geknüpft werden. Die Preise für die Indo-Loribaffs liegen in etwa bei der Hälfte der original persischen.

Um sie von den Neuheiten auch in der Benennung zu unterscheiden, werden die Alt-Knüpfungen mit den früheren Traditionsdessins allgemein Kaschghuli-Ghaschghai genannt, oder sie tragen Zusatzbezeichnungen anderer Gliedstämme der Ghaschghai- oder Chamseh-Stämme.

Völker und Stämme

Da die hier besprochenen Gabbehs und Luri-/Kabulibaffs von verschiedenen Ethnien geknüpft werden, ist es unerläßlich, auch über deren Geschichte, Werdegang und heutige Knüpfbedeutung einen Überblick zu gewinnen.

Das Volk der Luri oder Klein-Luren

Die Volksstamm der Luren oder Lori (im Persischen wir das R stärker betont wie: Lorri) - auch Klein-Luren genannt -, ist seiner Herkunft nach ein indoiranisches, einen altpersischen Dialekt sprechendes Nomadenvolk. Seit Jahrtausenden wandern und siedeln sie in einer auch heute noch recht isoliert gelegenen Bergregion Südwest-Persiens. Sie selbst führen ihre Abkunft auf das antike Volk der Meder zurück, das einst von Kyros dem Großen (559-529 v.Chr.) zusammen mit dem Stamm der Perser zu einem staatstragenden Gesamtvolk vereint wurden.

Stammesgeschichtlich und ethnisch sind die Luren mit den Bachtiaren verwandt. Letztere werden deshalb auch als Groß-Luren bezeichnet, lehnen diese Bezeichnung aus ihrer Sicht allerdings ab. Die seit dem Altertum bekannte, künstlerische Ausdruckskraft der Luren ist dokumentiert durch archäologischen Ausgrabungen bei denen die berühmten Luristan-Bronzen aufgefundenen wurden. Herrliche Gussarbeiten abstrahierter Tiermotive, die auch unserem Zeitgeschmack entsprechen. Sie entstanden vor weit über zweitausendfünfhundert Jahren in eben dieser Region. Repliken dieser eindrucksvollen Plastiken findet man auf allen größeren Basars Persiens.

Die Luren haben natürlich auch ihre eigene Traditionsprovenienz die als Lori beziehungsweise Luri im Handel ist. Die Grundfarben sind vorherrschend Rot und Blau. Das Kolorit ist dunkel bis düster, aber sehr reizvoll. Die Dessins folgen ausschließlich geometrischem Duktus und wirken bisweilen recht archaisch. Teppichgrößen über sieben Quadratmeter sind nicht im Handel. Durch den Vormarsch der Luribaffs gehen diese Eigenmuster mittlerweile jedoch zurück.

Eine weitere Knüpfung der Luren sind die Yallameh-Teppiche die überwiegend von den Knüpfstühlen des Stammes der Yallameh stammen. Seit der Zeit der Safawiden (1501-1722) wird dieser Stamm den Klein-Luren zugerechnet. Da ihre Knüpfzentren in den Orten Aliabad und Talchumtscheh, sowie den umliegenden Dörfern stammen, tragen sie bisweilen deren Provenienzbezeichnungen.

Da der Stamm inzwischen sesshaft geworden ist, kommen auch großformatige Teppiche bis gut zwölf Quadratmetern von ihren Knüpfstühlen. Um die Herkunft dieser Teppiche zu verschleiern, wurden sie von den Basaris gegenüber Ausländern anfangs Oblat genannt. Dieser klangvolle Name bedeutet auf Deutsch nichts Anderes als "(Verwaltungs)-Bezirk".

Das Turkvolk der Gaschghai

Die Ghaschghai sind ein großes, auch politisch sehr bedeutendes Nomadenvolk, das im Süden des Iran lebt. Zum großen Teil sind sie inzwischen sesshaft geworden. Haupteinnahmequellen sind Viehzucht und das Teppichknüpfen. Ihr Siedlungsgebiet ist deckungsgleich mit der Wiege Persiens, der Provinz Fars, wo nach vorliegenden Berichten kontinuierlich seit über eintausend Jahren Teppiche geknüpft werden. Wahrscheinlich aber schon erheblich länger.

In der Provinzhauptstadt Schiras selbst wird hingegen wenig produziert, dafür aber um so mehr gehandelt. Soweit nicht vorgeordert, kommen hier in der Provinzmetropole die Gaschghai-Knüpfungen der weiten Umgebung erstmalig auf den Markt, was dem Teppichbasar von Schiras große Bedeutung verleiht. Unter dem aus Schiras stammenden Reichsverweser, Karim Khan Zand (1747-1787), war die Stadt der Rosen im 18. Jahrhundert einst eine Zeit lang sogar Hauptstadt Persiens.

Die genaue Herkunft der eine dem Aseri verwandte Turksprache sprechenden Ghaschghai ist ungeklärt. Erkenntnisse legen aber nahe, dass sie wahrscheinlich ein Unterstamm der damals ins iranische Hochland eingewandernten Seldschuken waren und unter dem Druck der Araber und den späteren Mongolenstürmen nach Süd-Persien auswichen.

Ihr Name, der sinngemäß "die Geflüchteten" bedeuten könnte, wäre ein Hinweis hierauf. Sie teilen sich in acht Unterstämme auf, die heute kaum noch nomadisieren und deren Knüpfungen den jeweiligen Stämmen zugeordnet werden: Kaschghuli, Schisch-Buluki, Daraschuri, Farsi Madan, Gallesan, Iqdar und Safi Khani. Die drei ersten bilden das Rückrat dieses ehemaligen Nomadenvolkes.

Die nomadisierenden Stammesteile wandern wie seit Urväterzeiten zweimal im Jahr mit Sack und Pack zwischen den Sommerweiden hoch im Zagrosgebirge und den im milderen Klima gelegenen Winterquartieren im südöstlicher gelegenen Tiefland hin und her. Sobald die Almen und Wiesen abgegrast sind, heißt es, die Zelte abbrechen und die nächsten Weidegründe aufsuchen.

Alle Ghaschghais gelten als stolz, fleissig, sehr ehrenhaft und außerordentlich gastfrei. Sie sind wohl die letzten Freien, die ihr entbehrungsreiches Wanderdasein dem Seßhaftwerden bislang noch vorziehen. Die Zeiten, als sie kriegerisch auftraten, sind allerdings längst vorbei. Wenn auch ihr Einfluß zurückgegangen ist, so sprechen ihre Fürsten, die Khans, immer noch ein gewichtiges Wort in der Politik mit.

Die Ghaschghai sind die Hauptproduzenten der heutigen Gabbehs und Kaschghulibaffs. Nach dem Verebben des großen Gabbeh-Booms kehren sie derzeit zudem auch wieder zu ihren traditionellen Mustern zurück, die in abgewandelten Formen in die neu entwickelten Kaschghulibaffs einfließen.

Da sie als Nomaden ursprünglich nicht über Baumwolle verfügten, knüpften sie ihre Teppiche früher ausschließlich auf Schafwollgrundgewebe. Heutzutage verwenden sie für Kette und Schuß manchmal auch Baumwolle. Ghaschghai-Teppiche genießen seit alters her ein ausgezeichnetes Renommée, so dass ihre beeindruckenden, antiken Stammesknüpfungen zu beliebten Sammlerobjekten avancierten. Gut erhaltene Alt- und Antik-Knüpfungen der Ghaschghais erzielen in Sammlerkreisen oftmals noch höhere Preise als vergleichbare Kaukasen.
aus Heimtex Orient 06/04 (Teppiche)