Situation wird immer schwieriger

Orientteppich-Geschäft ist um etwa ein Drittel weiter zurück gegangen

Die Orientteppich-Branche lebt in harten Zeiten. Schon seit mehreren Jahren gehen die Verkaufszahlen im Einzelhandel kontinuierlich zurück. Dementsprechend rückläufig sind auch die Importe.

Konnte die Importeure aber bisher einen Teil ihrer Verluste in Deutschland durch verstärkte Exportbemühungen ausgleichen, so sind diese Zeiten jetzt nach den vorläufigen Zahlen der Importstatistik für das Jahr 2002 auch vorbei. Auch bei den Ausfuhren von Deutschland in andere Abnehmerländer gab und gibt es drastische Einbußen. Da kann es kaum ein Trost sein, dass auch andere Branchen unter der Kaufunlust der Verbraucher zu leiden haben, dass die schwache Nachfrage kein Problem des Teppichs, sondern des Marktes generell ist.

Deutschland als Land des Orientteppichs hat es besonders schlimm erwischt. Das ehemalige Wirtschaftswunderland ist zum wirtschaftlichen Schlusslicht in Europa geworden. Aber gerade hier sind die meisten Orientteppich-Importeure beheimatet und hier war der größte Absatzmarkt für handgefertigte Teppiche. Bedeutendster Verkaufsplatz für handgefertigte Teppiche ist die Bundesrepublik nach wie vor, doch gibt es hier auch die stärksten Einbrüche. Europa steht im Minus, Deutschland im Superminus. Dass es soweit kommen konnte, ist sicher auch ein Problem deutscher Gründlichkeit, ein psychologisches Phänomen. Wenn die Deutschen etwas machen, dann machen sie es gründlich und intensiv - auch den wirtschaftlichen Abschwung. Während die Verbraucher in anderen Ländern und speziell auch in den momentan wirtschaftlich gebeutelten USA relativ gelassen über den zu geringen konjunkturellen Aufschwung hinweg gehen und nach wie vor Geld in den Kassen des Einzelhandels lassen, versinkt ein Großteil der deutschen Konsumenten in Trübsinn und hält sich bei seinen Ausgaben mehr als bedeckt.

Die Importeure müssen dem Kaufverhalten der Verbraucher und damit auch des Einzelhandels entsprechend ihre Einfuhren zurück schrauben, wenn sie nicht auf gewaltigen und kostspieligen Überlägern sitzen bleiben wollen. Nach den vorläufigen Zahlen des statistischen Bundesamtes für das Jahr 2002, die nach Ansicht von Peter W. Engmann, der als Ex-Geschäftsführer des ehemaligen Bundesverbandes des Deutschen Teppich- und Gardinenhandels nach wie vor die Auswertungen vornimmt, mit etlichen Fehlern behaftet sind, reduzierten sich die Importe im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2001 mengenmäßig um 28,1 Prozent auf 5,765 Mill. qm. Dabei erlebten China mit einem Minus von 60,8 Prozent gefolgt von Indien mit 34,9 Prozent und der Türkei mit 34,1 Prozent die stärksten Einbußen. Am besten schnitten noch Pakistan und der Iran ab. Die Einfuhren aus Pakistan verringerten sich lediglich um 15,3 Prozent auf 354436 qm, während die Importe aus dem Iran um 18,4 Prozent auf knapp 1,592 Mill. qm zurück gingen.

Die persischen Teppiche konnten mit den relativ geringen Einbußen ihre Marktstellung deutlich stärken, zumal bei ihnen auch wertmäßig nur ein Rückgang um 22,1 Prozent auf 138,9 Mill. Euro registriert wurde. Der Iran ist mittlerweile das einzige Knüpfland, aus dem noch Teppiche im Wert jenseits der 100 Mill. Euro-Grenze eingeführt werden. Die beiden nachfolgend stärksten Ursprungsländer, Indien und Nepal, kommen zusammen nicht mehr auf diese Summe. Es ist nach Meinung eines Iran-Experten davon auszugehen, dass künftig die Preise für persische Teppiche im Gegensatz zur Ware aus anderen Knüpfländern steigen werden. Die iranischen Knüpfer haben die Produktion gedrosselt, da zum einen der Export stagnierte und zum anderen nicht die erforderlichen Preise erzielt werden konnten. Die Warenbeschaffung in ausreichenden Mengen und gesuchten Qualitäten ist nach Angaben eines wichtigen Importeurs mittlerweile teilweise schon schwierig geworden.

Das Importgeschäft konzentrierte sich im Jahr 2002 im wesentlichen auf die Knüpfländer Iran, Indien und Nepal. Die Türkei, Pakistan, China und Marokko kamen zusammen nicht einmal auf die Einfuhrmenge aus Nepal, wobei das Himalaya-Königreich mit mengenmäßigen Einbußen um 33,4 Prozent auf 889104 qm und mit wertmäßigen Verlusten im Vergleich zum Jahr 2001 um 43,2 Prozent auf nur noch 38,833 Mill. Euro stark zurück gefallen ist. Von der Einfuhrmenge her bleibt Indien Spitzenreiter mit knapp 2,163 Mill. qm bei einem allerdings bedrohlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 34,9 Prozent. Wertmäßig kommt Indien bei einem Minus von 35,5 Prozent nur noch auf 65,132 Mill. Euro und erreicht damit trotz der im Vergleich zum Iran um über 570000 qm größeren Einfuhrmenge nicht einmal die Hälfte des Einfuhrwertes der persischen Teppiche.

Aber nicht nur die Einfuhrstatistik, sondern auch der Export von Deutschland in andere Abnehmerländer, bislang Trostpflaster in Deutschland beheimateter Importeure, strotzt vor Minuszahlen, wobei Peter Engmann allerdings auch hier die Richtigkeit aller vom Statistischen Bundesamt ermittelten Werte anzweifelt. Die vorläufigen Zahlen der amtlichen Statistik für das Jahr 2002 weisen bei den Ausfuhren einen Rückgang um 37 Prozent auf 506423 qm im Wert von 48,224 Mill. Euro aus. Diese Einbußen sieht Engmann als zu hoch ermittelt an, da nach seinen Erfahrungen die Exporte in die EU-Länder zumeist nicht richtig erfasst worden sind. Die tatsächlichen Exporte dürften nach seinen Einschätzungen höher sein, doch kommt auch er zu dem Schluss, dass das Auslandsgeschäft mit handgeknüpften Teppichen insgesamt bei Einfuhren und Ausfuhren im Jahr 2002 wohl um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr zurück gegangen sein dürfte.

Nachdem das Jahr 2002 für die meisten Teppich-Einzelhändler und -Importeure von roten Zahlen gekennzeichnet war, sehen auch die Aussichten für 2003 nicht gerade rosig aus. Zwar gab es zu Beginn des Jahres einige wenige Lichtblicke, doch bereits im März ging das Geschäft vom Winterschlaf in das Sommerloch über. Nach Einschätzung namhafter Importeure wird sich damit der Ausleseprozess bei den Importeuren und im Einzelhandel weiter fortsetzen. Es ist nach wie vor auf beiden Ebenen mit etlichen Betriebsschließungen zu rechnen. Das könnte für die verbliebenen Firmen zwar zu einem Mehrgewinn führen, doch dürfte der nicht allzu hoch ausfallen, da das Marktvolumen für handgeknüpfte Teppiche insgesamt schrumpft. Es gibt nach Erkenntnissen des Handels zur Zeit wenig Neueinrichter und ein Teppich wird von diesen potenziellen Kunden nicht unbedingt als lebensnotwendig angesehen.

Dazu kommt, dass dem handgeknüpften Teppich mit dem momentan trotz aller Kaufzurückhaltung im Trend liegenden Handtuft-Teppich, gleich ob aus Chemiefasern oder aus Wolle, eine spürbare Konkurrenz entgegen getreten ist. Der Handtuft-Teppich zeigt sich modern, jung und preiswert und fällt weitaus eher in die Kategorie des Wegwerf-Artikels als ein handgeknüpftes Stück, von dem sich der Verbraucher nicht so leicht trennt. Der schnell gekaufte Tuft-Teppich belegt die Wohnungsflächen, die der Knüpfteppich gerne hätte.

So sehen die Prognosen von Importeuren und Einzelhändlern für die nächsten Monate eher leicht pessimistisch aus, zumal auch alle Konjunkturvoraussagen permanent nach unten korrigiert werden müssen. Zum Herbst 2003 könnte nach Ansicht von Optimisten eine leichte Besserung eintreten, falls bis dahin klare politische Entscheidungen getroffen worden sind und die Wirtschaft und die Bevölkerung wieder von einem einigermaßen sicheren Fundament aus agieren können.
aus Heimtex Orient 02/03 (Teppiche)