Hamburger Speicherstadt keine Freihandelszone mehr

Umstellung klappte deutlich besser als allgemein erwartet

Seit Jahren war über die Auflösung von Teilen des Hamburger Freihafens spekuliert und diskutiert worden. Mit dem Bau der HafenCity sollten dieser Bereich und darüber hinaus die Speicherstadt nicht mehr den Status einer Freihandelszone genießen. Die in den alten Speicherhäusern und in der Magdeburger Straße
beheimateten Orientteppich-Importeure sahen der Umstellung lange Zeit relativ gelassen entgegen, gab es doch immer Verzögerungen und wurden immer
wieder neue Termine ins Gespräch gebracht. Etliche von ihnen rechneten schon damit, dass im Endeffekt alles beim Alten bleiben würde.

Im Sommer letzten Jahres war es dann - für etliche Importeure doch überraschend - amtlich, dass die Speicherstadt zum 1. Januar 2003 nicht mehr Bestandteil des Freihafens sein würde. Zwar hatte der BVOI-Bundesverband der Orientteppich-Importeure schon lange Zeit davor seine Mitglieder immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, sich mit dieser Problematik auseinander zu setzen, doch traf der jetzt exakt festgelegte Termin die meisten doch unvorbereitet. Es war Handlungsbedarf angesagt.

In aller Eile organisierte BVOI-Geschäftsführer Peter Fliegner insgesamt drei Workshops, in denen alle Fragen der Umstrukturierung eingehend erörtert und erläutert wurden. Die Frequenz bei diesen Veranstaltungen war enorm. Viele Orientteppich-Importeure merkten jetzt, wie wichtig es ist, einen kompetenten Verband als Ansprechpartner, als Organisator und als Informationsquelle zur Verfügung zu haben, ohne dass sich allerdings eine große Bereitschaft zeigte, den BVOI auch aktiv durch eine Mitgliedschaft zu unterstützen. Die Finanzbehörden, die Hamburger Wirtschaftsbehörde und vor allem der Zoll leisteten in den Workshops fundierte Aufklärungsarbeit, erläuterten eingehend die Antragsverfahren und die Voraussetzungen, die Firmen und Einzelpersonen erfüllen mussten, um als eigenständiges Zolllager anerkannt zu werden. Es kam auch zu zahlreichen einzelnen Beratungsgesprächen, eine sonst für die Zollbehörde eher ungewöhnliche Praxis.

Die neue Struktur sieht vor, dass nicht mehr das gesamte Areal der Speicherstadt - durch hohe Zäune abgegrenzt - als zollfreies Gebiet gewertet wird, sondern dass jede Firma ein eigenes Zolllager ausweisen muss. Vor allem aus dem Ausland stammende Importeure, die nicht über perfekte deutsche Sprachkenntnisse verfügen, taten sich anfangs schwer, mit Behördendeutsch und deutscher Bürokratie, die mittlerweile allerdings auf einer europäischen Gesetzgebung basiert, klar zu kommen. Hier boten BVOI und Zoll in enger Zusammenarbeit eine intensive Hilfestellung.

Die Orientteppich-Importeure sollten, so Regierungsdirektor Michael Kramer als Leiter des Hauptzollamtes in einem Gespräch mit heimtex - Orient-Teppich, auf keinen Fall durch die Umstellung aus ihren angestammten Quartieren vertrieben werden. Die Speicherstadt sollte nicht zuletzt auch als touristischer Anziehungspunkt in vollem Umfang und mit all ihrer lebendigen Aktivität erhalten bleiben. In der Speicherstadt sind nach Angaben von Kramer insgesamt 446 Firmen ansässig. Davon arbeiten 170 im Im- und Exportgeschäft.

Insgesamt stellten 158 Unternehmen einen Antrag auf Bewilligung eines Zolllagerverfahrens, von denen 151 nach einer wohl wollenden Prüfung genehmigt wurden. Dazu zählen 138 Orientteppich-Im- und Exporteure, die jetzt ihr Lager als Zolllager ausgewiesen haben. Es gibt darüber hinaus aber im ehemaligen Freihafen auch Teppich-Großhändler die auf den Status des Zolllagers verzichtet haben und nur noch mit verzollter und versteuerter Ware arbeiten. Andere haben ihre Läger ganz oder Teile der Läger in den verbliebenen Teil des Freihafens verlegt, ohne allerdings den Firmensitz in der Speicherstadt aufzugeben.

Voraussetzung für die - was für deutsche Behörden eigentlich unüblich ist - kostenfreie Bewilligung eines Zolllagers war die genaue Beschreibung des Lagers, die Festlegung der Lagerfläche, eine exakte Erfassung der Warenbestände und eine saubere und penible Buchführung. Bei der genauen Erfassung der Warenbestände mit einer Auflistung jedes einzelnen Teppichs und bei der Buchführung dürften sich wohl die meisten Schwierigkeiten ergeben haben, nicht nur weil diese Faktoren einen enormen Arbeitsaufwand bedeuteten, sondern sicher auch weil einige Firmen erkennen mussten, dass sie eigentlich gar nicht mehr existent sind. Hier habe die Umstellung, so Regierungsdirektor Kramer, eventuell auch zu einer Marktbereinigung im positiven Sinne beigetragen.

Momentan überprüft eine "Task force" die genehmigten Zollläger stichprobenartig. Diese Prüfungen erfolgen nach Worten von Kramer ungewöhnlich kurzfristig nach der Bewilligung, da noch mögliche Fehlerquellen erkannt und offene Fragen geklärt werden sollen. Der Hauptzollamtsleiter unterstreicht dabei, dass die Beamten als Prüfer und nicht als Fahnder kommen. Wesentliche Beanstandungen hat es nach seinen Worten bisher nicht gegeben. Die neue Struktur bringt nach Worten von Kramer keine gravierenden Änderungen zu den bisherigen Arbeits- und Zollverfahren. "Der Status quo der Importeure bleibt erhalten auf der Basis des europäischen Rechtes."

Deutliche Änderungen allerdings gab es beim Zoll selbst. Das alte Zollamt Kornhausbrücke wurde als Zollamt Teerhof saniert und reaktiviert. Im Teerhof 1 ist jetzt das Hauptzollamt untergebracht. Unmittelbar daneben liegt vor dem zum Ende des Jahres 2002 frei gewordenen Gebäude Alter Wandrahm 10 - 20 der neue Amtsplatz des Zollamtes Teerhof, auf dem die aus dem Ausland kommenden LKW vorfahren.

Früher mussten die Teppich-Lastzüge in die Stockmeyerstraße fahren. In dem dortigen roten und immer zugigen Backsteingebäude war mit langen Wartezeiten zu rechnen. Am neuen Standort geht alles schneller, nachdem auch hier Anfangsschwierigkeiten überwunden worden sind. Statt des lediglich einen Tresens in der Stockmeyerstraße, an dem alle Zollpapiere für die unterschiedlichsten Produkte überprüft werden mussten, gibt es am Alter Wandrahm neun Stationen, von denen zwei allein für die Teppichhändler arbeiten.

Insgesamt sorgen momentan 25 Zollbeamte für eine möglichst schnelle und kundenfreundliche Abwicklung. Diese Besetzung, bereits aufgestockt durch Mitarbeiter des Hauptzollamtes Hamburg-Stadt, ist nach Meinung der dort Beschäftigten allerdings zu schwach, um den erhöhten Arbeitsanfall durch die Verlagerung der Zollgrenzen und durch die neuen Aufgabenstellungen zu bewältigen. Aber immerhin wurden die Zeiten der Abfertigung im Vergleich zur Stockmeyerstraße schon wesentlich verkürzt, nachdem die Computerkapazitäten auf Drängen des BVOI erhöht wurden und nachdem auch wieder mit den Eigenarten des Teppichgeschäftes und mit der Ware selbst vertrautes Personal eingesetzt ist. Ein weiterer Vorteil des Standortes Teerhof und Alter Wandrahm ist sicherlich auch die räumliche Nähe zu den Orientteppich-Importfirmen in der Speicherstadt.
aus Heimtex Orient 02/03 (Handel)