Teppich Forum Siegen geht neue Wege

Vom Orientteppich-Fachgeschäft zum modernen Einrichter mit Stil

Orientteppiche in klassischer Optik haben momentan einen schweren Stand im Markt. Die Fachgeschäfte rechnen damit, dass die Verbraucher eines Tages wieder auf die traditionellen Musterungen zurückgreifen werden. Bis diese Trendwende kommt, müssen aber neue Wege gegangen werden. Das Teppich Forum Siegen hat deshalb den Kurs geändert.

In den letzten Jahren galt das Teppich Forum Siegen in Fachkreisen wohl als eines der schönsten Orientteppich-Fachgeschäfte in Deutschland. Hier waren in einem gelungen abgestimmten Ambiente ausgesuchte Knüpfarbeiten aus nahezu allen Ursprungsländern zu finden. Das Inhaberehepaar Schwerdfeger gehört zu den Teppichliebhabern, die ihren Kunden die Wertigkeit der Handwerkskunst, die Tradition des handgeknüpften Teppichs vermitteln wollen. Nicht der Preis, sondern anspruchsvolle Optik und hochwertige Qualität standen im Vordergrund. Jetzt hat sich das Bild im Teppich Forum Siegen grundlegend geändert. Qualität und noch mehr die Optik sind maßgebende Kriterien geblieben. Doch zeigt sich die ganze Aufmachung jung, frisch und zeitgemäß.

Walter Schwerdfeger ist durch und durch Kaufmann. Als er merkte, dass der klassische Orientteppich, mag er auch noch so hochwertig, traditionsbeladen und wertvoll sein, auf immer weniger Interesse bei seinen Kunden stieß, leitete er einen Kurswechsel ein.

Bei aller Liebe zum klassischen Orientteppich wollte er nicht die gleichen drastischen Geschäftsverluste wie etliche seiner Berufskollegen hinnehmen.
Eigentlich hatte sich Schwerdfeger schon weitgehend aus dem operativen Geschäft zurück gezogen und war mehr im Stadtmarketing von Siegen, in einer Bürgerinitiative für ein Theater in der Stadt sowie nicht zuletzt in der Betreuung und Verwaltung des Kino- und Einkaufscenters Cinestar Reichwaldsecke aktiv, das vor allem auf seine Initiative hin entstanden ist und in dem sein Teppich Forum Siegen - mit Ausnahme der Kinosäle - mit rund 1000 qm die größte Fläche belegt. Walter Schwerdfeger hatte mit der Reichwaldsecke kein herkömmliches Einkaufscenter mit einer wilden Mixtur von Einzelhandelsgeschäften geschaffen, sondern ein Zentrum der Wohnideen, das seine Kundenfrequenz und einen hohen Aufmerksamkeitsgrad zusätzlich durch Gastronomie und Kino belebt.

Doch Walter Schwerdfeger musste feststellen, dass auch die hohe Durchlaufzahl potenzieller Kunden, die das moderne Kino oder den Gastronomiebetrieb besuchten, kaum einen positiven Einfluss auf die Absatzzahlen bei klassischen Orientteppichen hatten. Die anspruchsvollen Dekorationen und gelungenen Präsentationen der Knüpfkunst aus dem Orient wurden im Vorbeigehen zwar wohlwollend zur Kenntnis genommen, aber dadurch kaum mehr gekauft.

Eine Zunahme der Kundenfrequenz gab es, als mehr und mehr Wohnaccessoires, ursprünglich nur für Dekorationszwecke eingekauft, in dem Fachgeschäft auftauchten. Heute sind Kissen, Vasen, Gläser, Keramik, Leuchten, Kerzen, Skulpturen und andere schmückende Elemente der Inneneinrichtung längst ein unverzichtbarer Bestandteil des Sortimentes.

Für Walter Schwerdfeger und seine Frau bedeutet diese Angebotserweiterung den Pflichtbesuch auf den Fachmessen Ambiente und der Tendence Lifestyle in Frankfurt, um sich dort mit den begehrten und oftmals nicht gerade billigen "Kleinigkeiten" für ein schöneres Wohnumfeld einzudecken.

Gleichzeitig hat sich das Teppich Forum Siegen damit auch in den Wettbewerb zu anderen Anbietern von Wohnaccessoires in der Reichwaldsecke gestellt. Ursprünglich war geplant, dass dort im Gesamtangebot nur sich gegenseitig ergänzende Angebote zu finden sein sollten. Aber nachdem mehr und mehr andere Anbieter auch mit kleinen Brücken und abgepassten Teppichen antraten, sah auch Walter Schwerdfeger keine Notwendigkeit mehr, sich aus dem umsatzträchtigen Geschäft mit Wohnaccessoires heraus zu halten, das vor allem auch für Kundenfrequenz sorgte.

Der verstärkte Kundenzustrom brachte zwar dem Verkaufspersonal eine bessere Auslastung, weckte aber kaum das Interesse an klassischen Orientteppichen. "Der Verbraucher", so Walter Schwerdfeger, "will heute zumindest bei uns ganz einfach keine Teppiche in klassischer Orientmusterung, auch wenn sie mir und meiner Frau persönlich gefallen und Zeugnisse echter Handarbeit und hoher Knüpfkunst sind."

Folglich wurde auch das Teppichsortiment umgestellt. Die geknüpften Klassiker rückten in den Hintergrund. In den Vordergrund trat moderne Handtuft-Ware. Leuchtende frische Farben, grafische und großflächige florale Musterbilder bestimmen das Ambiente im Teppich Forum Siegen. Das Spiel von Licht, Farbe und Design in der großzügig aufgeteilten Verkaufsfläche wirkt beeindruckend. Wohnaccessoires und Blumenschmuck wecken die Lust am geschmackvollen Wohnen mit modernen Teppichen.

Das Konzept geht auf. Auch die Verbraucher zeigen sich beeindruckt von dieser Wohnwelt. Jeden Tag werden zumindest einige von den modernen Teppichen verkauft. Es sind damit zwar nicht die Gewinnspannen zu erzielen, die ein hochwertiger handgeknüpfter Teppich brachte, aber die Umsatzergebnisse reichen immerhin aus, um das Geschäft nicht ins Minus rutschen zu lassen.

Darüber hinaus profitiert auch die moderne handgeknüpfte Ware von der Sortimentsumstellung. Mancher Kunde kommt nach längerer Überlegung doch zu der Überzeugung, dass das Unikat eines handgeknüpften südpersischen Nomadenteppichs aus Wolle in zeitgemäßen Farben und Dessins doch besser zu ihm passt als ein Tuftteppich aus Acryl, auch wenn er mit dieser Wahl in eine andere Preiskategorie rutscht.
aus Heimtex Orient 04/03 (Handel)