Teppichpreise werden spürbar steigen

Knüpfländer kommen mit den Kosten nicht mehr klar

Eine herbe Enttäuschung wird mancher Schnäppchen jagende Einkäufer auf der Domotex 2004 in Hannover erleben: Die Billigpreisangebote werden ausgesprochen rar sein. Die Preise sind in den Knüpfländern voll und ganz ausgereizt. Die Hersteller und ihre Organisationen bemühen sich in Zusammenarbeit mit ihren Regierungen darüber hinaus mit großem Aufwand, über Messen in den Ursprungsländern selbst oder mit Länderbeteiligungen an ausländischen Messen, eigene Vertriebswege aufzubauen, um den Preisdruck abzumildern.

Die Importeure mussten bei ihren Einkäufen zur Messe zumeist schon deutlich tiefer in die Tasche greifen. Dass es in Hannover noch nicht zu drastischen Preisanhebungen kommen wird, lässt sich allein durch eine Mischkalkulation zwischen alter Lagerware und neuen Teppichen ermöglichen. Die Redaktion von Heimtex - Orient-Teppich hat mit Importeuren Exporteuren und Herstellern gesprochen und sich über die Situation in den einzelnen Knüpfländern informiert:

Die chinesische Teppichproduktion hat durch die Umwandlung des Wirtschaftssystems einen dramatischen Umbruch erlebt.

Nur wenige Betriebe überstanden die Entlassung in die Privatwirtschaft. Die Manufakturen haben kaum Eigenkapital und folglich nicht einmal die Mittel, um Rohmaterialien zu kaufen. Viele Betriebe sind in Schuhfabriken oder andere Produktionen umgewandelt worden. Die Knüpfer haben in anderen Branchen bessere Verdienstmöglichkeiten gefunden. Sie sind für die Teppichproduktion nicht zurück zu gewinnen, es sei denn, sie können mit deutlich höheren Löhnen gelockt werden. Keine der wenigen bestehenden Manufakturen produziert ohne festen Auftrag. Folglich wird in ganz China keine Stockware mehr gefertigt.

In Nepal ist nach der Boomphase der 80er und auch noch 90er Jahre die Produktion um 60 Prozent zurück gegangen. Ohne Auftrag wird auch dort heute kein Teppich mehr geknüpft. Die ehemals riesigen Bestände an Stockware sind nahezu komplett verschwunden. Außer einiger ungängiger Restposten ist der nepalesische Stockmarkt leergefegt und wird auch nicht mehr aufgestockt. Von ehemals 350 Produzenten sind nur wenige übrig geblieben, die gegen feste Aufträge Produktionsware fertigen. Die Knüpfer sind überwiegend in die Dörfer zurückgegangen, aus denen sie gekommen sind, haben teilweise im Ausland Arbeit gefunden oder sich auch den so genannten Maoisten angeschlossen.

Kostensteigerungen auf fast allen Ebenen des Produktionsprozesses sowie eine deutliche Verteuerung der Neuseelandwolle haben zu einem deutlichen Preisdruck nach oben geführt. Zudem rechnen die Produzenten heute wesentlich genauer als in der Boomphase und sind nicht mehr bereit, zu Selbstkosten oder unbefriedigenden Margen zu fertigen. Weitere Kostenfaktoren sind die Zahlung von Erpressungsgeldern und die aus politischen Gründen kaum mögliche volle Auslastung der verbliebenen Manufakturen. Nach 15 Jahren des Preisabschwunges hat sich die Entwicklung umgekehrt.

In Marokko ist die vormals große Produktion dramatisch zusammengeschrumpft. Es gibt nur noch wenige Produktionsbetriebe, die eine professionelle Fertigung praktizieren.

Die Produzenten haben keinerlei Interesse mehr, billige Qualitäten zu hauchdünnen Margen zu fertigen.

Gleichzeitig sind die Stocks der Vergangenheit nahezu verschwunden, mit Ausnahme einiger extrem schlechter Altbestände. Auch in Marokko wird nicht mehr für den Stock produziert. Die Material- und Lohnkosten steigen. Marokko ist längst kein Billigland mehr. Es wird versucht, deutlich höhere Preise zu erzielen.

Im Iran sind wegen der schwierigen Geschäftslage während der vergangenen Jahre in Europa und speziell in Deutschland bei sinkender Nachfrage viele Teppichknüpfer in andere Branchen abgewandert, so zum Beispiel in die Landwirtschaft und die Bauindustrie. Die Teppich knüpfenden Nomaden konzentrieren sich mehr als früher auf die Tierhaltung, weil sie ihnen bessere Einkommen beschert.

Dies hat im Iran zu einer sukzessiven Verknappung von Ware geführt, aus der steigende Preise resultierten. Die Knüpfer, deren Einkommen wegen der hohen Inflationsrate ständig gesunken ist und die seit langem höhere Preise allein schon zur Existenzsicherung brauchen, sind nach wie vor wegen der schleppenden Nachfrage und der geringen Abnahme der Konsumentenländer verunsichert. Ein Anstieg der Produktion ist daher vorerst nicht zu erwarten, so dass weiterhin mit steigenden Preisen zu rechnen ist. Naturgemäß sind die verschiedenen Provenienzen des Iran von dieser Entwicklung auch in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Der derzeit starke Euro kann diese notwendigen Preissteigerungen nur bedingt ausgleichen.

Die Exporte von pakistanischen Teppichen sind jetzt im zweiten aufeinander folgendem Jahr sowohl wert- als auch mengenmäßig stark zurückgegangen. Besonders der deutsche Absatzmarkt zeigt sich extrem rückläufig. Dadurch ist die Gesamtproduktion gefallen. Viele afghanische Flüchtlinge sind in ihre Heimat zurück gekehrt, was ebenfalls eine Verringerung der Produktion bewirkt hat. Zur Zeit besteht Nachfrage in erster Linie nach afghanischer Ware, zum Beispiel Chubi, Ziegler und Kazak, bei der Lieferschwierigkeiten bestehen, so dass die Preise um etwa 30 Prozent angezogen haben.

Pakistan: Die Gründe für den schwachen Export sind zum einen der noch immer nicht beendete Krieg in Afghanistan sowie politische Spannungen mit Terrorismus in Pakistan selbst. Darüber hinaus fehlen die afghanischen Knüpfer, die als Flüchtlingen im Land waren. Zum anderen gab es einen Verlust der US-Währung von 15 Prozent bis 20 Prozent gegenüber der Pak Rupie und gleichzeitig einen Preisanstieg von 30 Prozent bis 35 Prozent bei den Knüpfern. Zudem hat die pakistanische Regierung ihre Exportvergünstigungen stark gedrosselt.

Wie in anderen Ländern hat auch in Indien die miserable konjunkturelle Wirtschaftslage in Europa, besonders in Deutschland, zu weniger Aufträgen geführt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Groß- und Einzelhandel seine Lager abgebaut hat.

Folglich sind dadurch weniger Aufträge für den Export platziert worden. Etliche Exporteure mussten ihre Geschäfte schließen. Es kam zu Entlassungen von Knüpfern und Arbeitern. Der Produktionsrückgang führte ebenfalls dazu, dass nicht mehr auf Vorrat produziert wurde, sondern nur noch für bestehende Aufträge. Stockware bei den indischen Herstellern gibt es heute kaum noch.

Die Wollpreise sind weltweit gestiegen, so dass sich auch in Indien die Produktionskosten erhöht haben.

Die derzeit zu verzeichnende Nachfrage, ausgelöst durch das Weihnachtsgeschäft und das notwendige Auffüllen von Sortimentslücken, auf der einen Seite, aber kaum fertige Produkte am Lager im Ursprungsland, eine zurück gegangene Produktion und die Verteuerung der Wolle auf der anderen Seite haben zu kräftigen Preiserhöhungen geführt.

Nur durch den starken Euro ist ein Preisanstieg von bis zu 40 Prozent ausgeblieben. In der Gesamtnachfrage liegt die Suche nach besseren und hochwertigeren Qualitäten vorn.
aus Heimtex Orient 06/03 (Teppiche)