Nepal in wirtschaftlicher und politischer Krise

Teppichproduktion unter starkem Druck

Nepal, einst von der Nachfrage nach modern gestalteten handgeknüpften Teppichen fast überrollt, kämpft in den letzten Jahren gegen die Talfahrt des Teppichs generell und gegen sinkendes Kaufinteresse speziell beim Nepalteppich an. Im ersten Halbjahr 2003 gingen die Importe an Nepalteppichen nach Deutschland im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum mengenmäßig erneut um 5 Prozent auf 439.781 qm und wertmäßig um 25 Prozent auf knapp 17 Mill. EUR zurück.

Nepal bleibt trotz rückgängiger Exporte nach Deutschland zwar sowohl von der Menge als auch vom Wert her nach dem Iran und Indien drittstärkstes Importland, hat aber weiter deutlich an Wirtschaftskraft verloren, da die Teppichindustrie neben dem Tourismus eine tragende Säule der nepalesischen Wirtschaft war und ist. Teppichindustrie und Tourismus leiden gleichermaßen unter der politischen Entwicklung in dieser einstmals idyllischen Region. Aus Nepal schickte Anton Sulzberger, Geschäftsführer von Fuggerhaus Teppiche, im Oktober einen aktuellen Situationsbericht an Heimtex - Orient-Teppich:

Eigentlich ist ja jetzt die schönste Zeit, um das Land am Fuße des Himalaja zu bereisen, nur leider sind die Begleitumstände nicht sehr angenehm. Dies belegen die beigefügten Presse-Ausschnitte. Täglich sterben viele Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen den Maoisten auf der einen Seite sowie Polizei, Milizen und Militär auf der anderen Seite.

Auch auf offener Straße wurde ein Mitarbeiter des Carpet and Wool Development während meines Aufenthaltes dort erschossen.

Inhaber von Teppichmanufakturen werden von maoistischen Gruppen zu Geldzahlungen unter Mordandrohungen erpresst und getrauen sich nicht mehr, voll bestückte Stühle zu zeigen. Die Aufträge werden auf kleinere Einheiten verteilt, damit es nicht nach "Vollbeschäftigung" aussieht.

Stockware ist fast nicht vorhanden, weil es selbst für nicht ausgelastete Betriebe zu teuer und riskant ist, ans Lager zu produzieren. Die dortigen Banken spielen außerdem bei Produktionen, deren Abnahme nicht gesichert und finanziert ist, nicht mehr mit, was aus unserer Sicht kein Schaden ist. Ein zusätzliches Problem ist die Abwanderung von Knüpfern, die bessere und höhere Deviseneinkünfte in Thailand und den Emiraten als Gastarbeiter vorziehen. Dies ist natürlich eine bedauerliche Entwicklung.

Nicht ganz so drastisch hat Peter Fliegner, Geschäftsführer von Care & Fair, die Situation bei seinem letzten Besuch ebenfalls im November in Nepal erlebt. In der Stadt Kathmandu ist nach seinen Angaben die Lage relativ friedlich. Es gibt keine übertriebene Präsenz von Polizei und Militär. Es herrscht zumindest nach außen hin Normalität. In den Stadtrandgebieten und im Kathmandu-Tal, in dem die Knüpfereien und Wäschereien überwiegend angesiedelt sind, kann es nach seinen Einschätzungen wesentlich kritischer sein. In persönlichen Gesprächen wird die Angst vor Anschlägen auf das eigene Leben und das von Angehörigen spürbar.

Eine weitere Quelle spricht bereits von Arrangements zwischen Manufakturinhabern und Maoisten, wobei die Maoisten durchaus nicht als politische Gruppierung mit klarer Zielsetzung, sondern eher als Mafia zu sehen sind. Etliche Firmenchefs handeln die Geldforderungen auf ein Mindestmaß herunter und zahlen einen relativ geringen Betrag, um ungestört leben und arbeiten zu können. Die Maoisten werden von einem in Nepal lebenden deutschen Insider eher als Banden gesehen, die starken Zulauf auch aus den Kreisen arbeitsloser junger Teppichknüpfer bekommen. Ein klares politisches Profil gibt es nicht. Es geht nur um Macht, Einfluss und vor allem Geld.
aus Heimtex Orient 06/03 (Teppiche)