Basiswissen: Knotenkunde

Das Verwirrspiel um den Doppelknoten

Den Begriff Doppelknoten trifft man in der Fachsprache in allen möglichen Variationen, und dennoch weiß niemand so recht, was genau mit dieser so wohlklingenden Bezeichnung eigentlich gemeint ist. Oder man versteht darunter sehr Unterschiedliches. Heimtex Orient zeigt die Unterschiede auf und sagt Ihnen, was Sie beachten müssen.

Der weit verbreitete Terminus Doppelknoten reicht von Nordafrika bis China und umfasst damit geographisch den gesamten Teppichgürtel von West nach Ost. In jedem Land und in jeder Provenienz, die ihn für sich beanspruchen, steht der Doppelknoten jedoch für etwas Anderes - aber zum Teil leider nicht unbedingt für Qualität.

Da der Begriff "doppelt"schon allein von seiner inhaltlichen Aussage für etwas Verstärktes, Robustes, bei handgearbeiteten Teppichen gar Arbeitsintensiveres zu verstehen ist, bedient sich der Handel gern des Begriffs "Doubleknot". Zudem tun die Ursprungsländer ein Übriges, Fachwelt und Laien damit etwas scheinbar Hochwertiges vorzugaukeln. Das jedoch trifft nur zum geringeren Teil zu.

Wenn man von Knüpfknoten spricht, so sind seit etwa hundertfünfzig Jahren in den Teppichhandarbeiten von West bis Ost nur zwei Grundknotenarten vertreten, die im Zusammenspiel mit Kette und Schuss und in ihren verschiedenen, handwerklich regional bedingten Ausführungen dann das provenienztypische Knüpfbild ergeben

Doppelknoten

Um zu verdeutlichen, wie verwirrend der Begriff "Doppelknoten" gehandhabt wird, vergegenwärtige man sich, wer alles und wie inhaltlich unterschiedlich gemeint diese letztlich unklare "Fachbezeichnung" in den verschiedenen Ursprungsländern und zum Teil auch auf ihren Hauptmärkten eingesetzt wird. Vom Importeur unkritisch weitergegeben, wird sie dann vom Einzelhandel ebenso dem Verbraucher vermittelt.

Berber-Teppiche

Die französischen Knotenbezeichnungen double und simple haben bei den marokkanischen Berberteppichen nichts weiter bedeuten, als dass der Knüpffaden doppelt oder nur einfach, das ist die übliche Arbeitsweise, parallel gelegt wird und dann so doppelt gelegt verknüpft wird. Diese handwerkliche Eigenart wird noch gesteigert, denn es gibt auch triple-Florfäden, also dreifach gelegte, die allerdings recht selten auftreten.

Außerdem kann ein Knüpffaden aus verzwirnten Florgarnen bestehen. Dieses Knüpfgarn wird torsadé genannt und ergibt einen körnigen Floreffekt. Von Vorteil ist, dass dieses Garns weniger verfilzt. Bei Berberteppichen kommen folgende Varianten vor:

simple (s): 1 Knoten mit einem einfachen Wollfaden, der 2 Florspitzen (Polenden) pro Knotenschenkel ergibt.

double (d) (sog. Doppelknoten):1 Knoten mit doppelt gelegtem Wollfaden, so dass 4 Florspitzen pro Knoten gebildet werden.

demi double (dd): geknüpft wird in zwei verschiedenen Einstellungen:
1.) eine Reihe mit einfachen, die nächste Reihe mit
2.) doppelt gelegtem Knüpffaden, dann wieder eine einfache usw.;
3.) oder abwechseln nebeneinander ein einfacher und ein doppelt gelegter Knüpffaden. Dieses Verfahren ist allerdings recht selten anzutreffen. Die Florspitzen sind hier also alternierend zwei- oder vierendig.

torsadée (t): Das Knüpfgarn ist aus 2 Fäden gezwirnt und gilt fachlich dann ebenfalls als double, bildet also 4 Florspitzen

Türkei

In der Türkei wird den privaten Orientteppichkäufern von redebeflissenen Anbietern immer wieder etwas vom "Doppelknoten" vorgeschwärmt. Gemeint ist aber nichts Weiteres als der übliche Türkische Knoten, dessen Florfäden jeweils zwei Kettfäden umrunden. In diesem Zusammenhang jedoch von einem Doppelknoten zu sprechen ist bar jeder Logik, denn der Knüpfvorgang wird in einem einzigen Arbeitsgang ausgeführt. Auch wenn wohl der Eindruck erweckt werden soll, der türkische "Doppelknoten" sei haltbarer oder auf andere Weise kräftiger, massiver als sein Bruder, der persische Senneh-Knoten, so ist das nicht der Fall. Man kann sich demnach des Eindrucks nicht erwehren, als solle hier etwas Übliches allein durch des Wortes Bedeutung bewusst hochstilisiert werden, um nichtsahnenden Laien auf diese Weise etwas Solideres, handwerklich gar Komplizierteres, Kompakteres vorzugaukeln.

China

Schon seit geraumer Zeit kommen aus der VR China, insbesondere aus der Provinz Henan, Seidenknüpfungen, die vom Handel allgemein als China-Hereke oder Sino-Hereke ausgelobt werden. Unterschieden wird zwischen den beiden Hauptqualitäten "Singleknot" und "Doubleknot". Letztere ist erheblich höher im Preis. Sie ist erheblich schwerer und auch massiver geknüpft, was völlig richtig auf höheren Materialeinsatz schließen lässt.

Zwar verleitet die kompaktere Qualität der Doubleknot-Ware zu der Annahme, hier sei die Knüpfleistung aufwendiger und komplizierter als bei der Singleknot-Ware. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es verhält sich hier ähnlich wie beim Berber: Knüpf-, Kett- und Schussgarne sind erheblich dicker als bei der Basisqualität. In des Wortes eigentlichem Sinn liegt hier also kein Doppelknoten vor. Der höhere Preis ist dennoch gerechtfertigt, denn allein das Quadratmetergewicht belegt, dass für die so genannte "Doubleknot-Ware" ein weitaus höherer Materialeinsatz besteht.

Kaschmir

Bei den Seidenteppichen aus dem Kaschmirgebiet führt der Name "Doppelknoten" in die Irre. Er bezeichnet schlicht und einfach die so genannten Djufti-Knüpfungen, die in Indien als "Langri" bezeichnet werden. Wörtlich lautet dessen Übersetzung übrigens recht sinnvoll "lahme Frau". Bei diesem Knüpfverfahren werden 2 Kettfäden mit einem Knotenbogen umschlossen, pro Knoten also vier Kettfäden, statt der üblichen 2 Kettfäden.

Das bedeutet natürlich einen um die Hälfte reduzierten Arbeits- und Materialaufwand, denn in Schussrichtung wird nur die halbe Anzahl Knoten eingetragen. Das fatale für den Verbraucher dabei: Die Flordichte wird dabei ebenfalls halbiert, denn es wird nur die Hälfte des eigentlich erforderlichen Materials für den Flor eingesetzt. Damit wird dieser deutlich schütterer und damit viel anfälliger für Verschleiß.

Probleme für den Handel

Es gibt also vier Ursprungsländer mit vier inhaltlich von einander abweichenden Doppelknoten-Verständnissen. Es ist für den Handel problematisch, den Begriff Doppelknoten unbesehen in seine Warenauslobungen oder in seine Verkaufsgespräche zu übernehmen. Missverständnisse und Reklamationen sind so vorprogrammiert.

Am besten wäre es, diese verfänglichen Knotenbezeichnungen gänzlich zu meiden. Sprechen wir also weiter vom Türkischen Knoten, beziehungsweise seinen anderen Bezeichnungen Gördes-Knoten, Turkbaff oder Symmetrischer Knoten.

Abschließend ist daher festzustellen, dass sich der Begriff "Doppelknoten" begrifflich und schon gar nicht fachlich aufrecht erhalten lässt. Will man dennoch nicht von ihm lassen, so darf er aber keinesfalls Provenienz übergreifend als Oberbegriff verwendet werden, sondern ist nur streng an der jeweiligen Provenienz auszurichten und entsprechend zu kommentieren.

Begrüßenswert wäre es jedoch, dass Doppelknoten-Verwirrspiel umgehend zu beenden und den jeweiligen Teppichknüpfknoten dem Kunden so zu erläutern, dass er damit auch etwas anfangen kann. Der Handel ist also gut beraten, klaren, eindeutige Begriffe zu vermitteln, also solche, die insbesondere vom Verbraucher nachvollziehbar sind. Sonst besteht die Gefahr, dessen Orientteppichskepsis nur noch weiter zu vertiefen - und die ist bekanntlich bereits beunruhigend genug.
aus Heimtex Orient 02/05 (Teppiche)