Fachinformation Kaschmir-Seidenteppiche

Der Seidenteppich für den kleineren Geldbeutel

Kaschmir-Seidenteppiche sind derzeit gut verkäuflich. Die Muster sind klassisch und dezent, die Farben dem aktuellen Geschmack angepasst. Ein weiterer wichtiger Grund der Beliebtheit ist das Preisgefüge, das trotz anziehender Beschaffungskosten sehr interessant ist. Da auf dem Markt aber viele unterschiedlichen Qualitäten verfügbar sind, gibt Heimtex Orient mit dieser Fachinformation auch wichtige Hilfestellungen zu Qualitätsmerkmalen.

Der Kaschmir-Teppich gilt als der feinste und renommierteste Teppich Indiens. Seit der Teilung der ehemaligen englischen Kolonie in die beiden Nachfolgestaaten Indien und Pakistan ist das historische Fürstentum Kaschmir zwischen den beiden genannten Ländern aufgeteilt.

Teppiche unter der Bezeichnung Kaschmir oder Srinagar werden aber nur im indischen Teilstaat geknüpft. Dieser nördlichste Unionsstaat der Republik Indien besteht aus zwei Großprovinzen, dem auch noch ein Teil der Ethnie Ladakhs zugeschlagen wird und heißt korrekt "Djammu und Kaschmir".

Wegen seiner Höhenlage und seines im Sommer nicht so feuchtheißen Klimas wie es in den tiefer gelegenen Landesteilen Nord-Indiens herrscht, war die Bergregion Kaschmirs für Begüterte schon immer ein bevorzugter Sommeraufenthalt. Hauptstadt und Knüpfzentrum ist seit jeher Srinagar. Der Name dieser Stadt wird gelegentlich auch als Provenienzbezeichnung genutzt.

Geschichte

Die Teppichknüpfkunst soll in Kaschmir bereits Ende des 14. Jhd. begonnen haben. Ein Kaschmiri-Prinz, der als Geisel am samarkantischen Hofe von Timur Lenk gehalten wurde, brachte bei der Rückkehr in seine Heimat Teppichknüpfer aus Samarkand mit nach Srinagar. Timur Lenk ist auch bekannt unter dem Namen Tamerlan und regierte von 1380-1404.

Zu ihrer größten Entfaltung gelangte die dortige Knüpfkunst dann unter dem Mogulkaiser Djahan, 1628-1658. Er ließ an seinen Hof Knüpfer aus Persien kommen, wo seinerzeit unter den Safawiden die Knüpfkunst in höchster Blüte stand.

Wegen der kunstgeschichtlichen und kulturellen Traditionen, die soweit ging, dass die Mogulkaiser und ihre Adligen bei Hofe vorwiegend Persisch sprachen, sind die Dessins auch heute noch stark persisch geprägt.

Herstellung

Die heutige Herstellungsweise wurde mit dem ersten Exportaufschwung bereits in den 1920er Jahren eingeführt. In den Teppichmanufakturen bedient man sich einer besonderen Art Arbeitsvorlage, die Talim genannt wird. Diese entsprechen den sonst üblichen Musterpatronen.

Das vorab Knoten für Knoten in seiner Gesamtheit farblich vom Teppichdesigner gezeichnete Muster wird in einer Spezialschrift aus Symbolen und Zeichen Knotenreihe für Knotenreihe auf einem Papierbogen aufgeschrieben. Zur Ausführung der Knüpfung wird ein Talim Knoten für Knoten in einer Art Sprechgesang von einem Vorleser vorgetragen, wodurch auch ein Arbeitsrhythmus entsteht.

Wenn die Knüpfer nun den letzten rezitierten Knoten in die Kettgarne eingetragen haben, antworten sie vernehmlich mit dem Ausruf "hou", und weiter geht"s im Singsang des Schaffens. Auf diese Weise entstehen so gleichzeitig an mehreren, nebeneinander aufgereihten Knüpfstühlen muster- und farbindentische Knüpfteppiche.

Knüpfung

Die Qualitätseinteilung der Kaschmirknüpfungen ist ähnlich wie denen aus Pakistan. Sie benennt die Knotendichte pro Zoll in Kett- und in Schussrichtung. Ein Teppich mit der Knüpfeinstellung 16/16 hat also 16 Knoten pro Zoll in Schussrichtung und 16 Knoten pro Zoll in Kettrichtung.

Die geläufigsten Qualitäten sind 16/16, der Flor ist hier meist aus merzerisierter Baumwolle; 18/18, der Flor ist hier meist Seide, das Grundgewebe Baumwolle. Ab einer Einstellung von 22/22 besteht auch das Grundgewebe aus Seidengarnen. Die feinen Knüpfungen reichen bis 28/28 oder gar 30/30.

Zur Umrechnung dieser Angaben in die bei uns gebräuchlichen Knoten pro Quadratmeter multipliziert man die beiden Werte miteinander und multipliziert diesen Wert mit dem Faktor 1.550. Ein 18/18-Kashmirteppich hat also etwa 502.200 Kn/qm.

18 x 18 = 324
324 x 1.550 = 502.200

Der Faktor 1.550 entsteht durch die Umrechnung der Angaben in Zoll in Meterangaben. 1 Zoll entspricht 2,54 cm, Ein Quadratzoll hat also 6,45 Quadtratzentimeter: 2,54 x 2,54 = 6,45. Ein Quadratmeter hat 10.000 Quadratzentimeter: 100 cm x 100 cm. Demnach kommen etwa 1.550 Quadratzoll auf einen Quadratmeter: 10.000 6,54 = 1.550,39

16 / 16 entspr. ca. 396.800 Kn/qm
18 / 18 entspr. ca. 502.200 Kn/qm
22 / 22 entspr. ca. 750.200 Kn/qm
28 / 28 entspr. ca. 1.215.200 Kn/qm
30 / 30 entspr. ca. 1.395.000 Kn/qm

Wenn wenn die Knoten in Länge und Breite auf 10 cm x10 cm ausgezählt und auf einen Quadratmeter hochgerechnet werden, wird man feststellen, das sie oben angegebenen Zahlen meist etwas unterschritten werden.

Aufgrund des ständigen Preisdrucks der Importeure sind die Kaschmir-Knüpfer schon seit einigen Jahren bedauerlicherweise zu der immer mehr um sich greifenden Unsitte übergegangen, überwiegend den Djufti-Knoten einzusetzen. Dieser umfasst pro Knotenbogen 2 Kettfäden, statt einem. Das hat zur Folge, dass die Arbeitszeit in etwa halbiert und natürlich auch der Materialanteil im Flor auf die Hälfte reduziert wird. Das spart Geld, wenn auch zu Lasten der Qualität, da der Flor zwangsläufig schütterer und weniger strapazierfähig ist.

In Nord-Indien wird der Djuftiknoten "Langri" genannt. Die wörtlich recht sinnvolle Übersetzung lautet "lahme Frau". Neuerdings spricht man selbst in Fachkreisen bei diesem Geld sparenden Knoten in Bezug auf die Kaschmir-Knüpfqualität immer wieder von "doubleknot" und sorgt damit für Verwirrung. Der Logik nach ist der Begriff auch so aufzufassen, dass das englische Wort "double" für doppelte Qualität steht. Leider ist jedoch das Gegenteil der Fall, denn mit "doubleknot" ist hier nämlich der qualitativ beklagenswerte Langri-Knoten. Im Gegensatz dazu steht der "Single" für den normalen Knoten und bedeutet damit die bessere Qualität.

Geknüpft werden die verbreiteten 16/16 und 18/18 Knüpfungen überwiegend auf Baumwollgrundgeweben und ausschließlich mit Persischen Knoten, die immer geschichtet sind. Erst ab einer Einstellung von 22/22 wird mit einem Seidengrundgewebe gearbeitet.

Materialien

Kaschmirteppiche mit Wollflor haben in Deutschland keinen Markt. Die Einstiegspreislagen werden mit merzerisierter Baumwolle im Flor geknüpft. Merzerisierte Baumwolle wird meist fälschlich Kunstseide genannt. Diese Bezeichnung ist nach dem Textilkennzeichnungsgesetz aber nicht zulässig.

Beliebt ist merzerisierte Baumwolle als Florgarn, weil die Teppiche eine gewisse Seidenoptik erhalten. Dabei sind sie aber deutlich preiswerter als echte Seidenknüpfungen.

Der durch die Merzerisierung aufgetragene Glanzeffekt der Baumwolle vergeht jedoch allmählich. Sie ist auch längst nicht so verschleißfest wie Seide. Dies liegt in erster Linie an der Stapellänge der Fasern, die selbst bei guter Baumwolle weitaus kürzer ist als selbst die von geringwertigen Seidengarnen. Durch die Kurzstapeligkeit verfilzt der Baumwollflor beim Belaufen recht schnell, was unweigerlich zum Bruch der Baumwollfasern führt und die Kahlstellen verursacht.

Ab einer Einstellung von 18/18 besteht der Flor meist aus Seide. Der Preisdruck macht sich aber auch hier bemerkbar. Es wird mehr und mehr Seidengarn geringer Qualitäten verknüpft. Auch das bewirkt einen deutlich schnelleren Verschleiß des Flors, so dass sich in letzter Zeit die Kundenreklamationen häufen. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Zweijahresgarantie zwingt dann zu Rücknahme und Ersatz beziehungsweise Erstattung des reklamierten Teppichs.

Nachdem inzwischen Tests und Materialprüfungen in den entsprechenden Textilforschungsinstituten in Deutschland angelaufen sind, wird Heimtex Orient nach Vorliegen der Ergebnisse in einer der nächsten Ausgaben näher auf dieses Thema eingehen.

Auch der Ursprung der Seide hat sich im Laufe der Zeit geändert. Während noch vor einigen Jahren für den Flor Seidengarne aus China importiert wurde, greift man aus Kostengründen heute vornehmlich auf indische Qualitäten zurück. Diese mögen zwar sehr gut für die Tuchweberei, also zum Beispiel für die weibliche Nationalkleidung, den Sari, geeignet sein. Für die größere Beanspruchung von Teppichflorgarnen scheint sie jedoch weniger Verschleißfestigkeit zu bieten. Hinzu kommt noch, dass etlichen Florgarnen die kurzstapeligere Bourettseide, Schappseide und wohl auch Strusen beigemischt wird.

Die berühmte Kaschmirwolle spielt bei der Teppichproduktion keine Rolle. Die von verschiedenen, in Höhenlagen geweideten Ziegenrassen, jedoch hauptsächlich von der Kaschmirziege (Apra hircus) stammende Wolle, fachlich korrekt wäre Pashminawolle, ist viel zu zart und feinfädig und findet ausschließlich Verwendung in hochwertiger Kleidung.

Dessinierung

Persische Musterkonzeptionen beherrschen nach wie vor die Kaschmir-Dessins. Die Floraldessins beziehen sich auf die Provenienzen Kirman, Keschan, Sarough und Isfahan. Das wohl beliebteste Dessin ist das Feldermuster, beziehungsweise Gartenmuster, Persisch Ghab-ghabi genannt. Ein solcher Teppich sollte in keinem Sortiment fehlen.

Das Farbspiel der Kaschmirteppich ist im Gegensatz zu den persischen Vorbildern allerdings deutlich sanfter angelegt und neigt insbesondere bei den Seidenteppichen zu gefälligen Pastelltönen. So fordert es der Verbraucher heutzutage. Wie in Indien allgemein zu verfolgen ist, werden die Farben immer wieder umgehend den Wünschen der Importmärkte angepasst.

Markt / Wirtschaft

Durch die Unruhen des seit Jahrzehnten schwelenden Kaschmir-Konflikts im indischen Teil Kaschmirs, der immer wieder von militärischen Auseinandersetzungen und Terroristen heimgesucht wird, ist es dort auch für Europäer sehr unsicher geworden. Derzeit wagt sich kein ausländischer Einkäufer nach Kaschmir.

Die indischen Exporteure, die fast ausschließlich Kaschmiris sind, haben sich bereits seit langem darauf eingestellt und entsprechend große Teppichläger in Neu-Delhi errichtet. Die Vermarktung findet heute ausschließlich in der Hauptstadt Indiens statt.

Die Kaschmir-Produktion ist beachtlich, besonders die der Seidenteppiche, die trotz des Kaschmirkonflikts in konstanten Mengen vom kleinen Poschti bis zu Übermaßgrößen vom Knüpfstuhl kommen. Sie wird zu fast hundert Prozent exportiert, wovon knapp drei Viertel nach Deutschland gehen.

Die starke Preisentwicklung nach oben, die den persischen Teppich seit gut 18 Monaten betroffen hat, ist mittlerweile auch in Kaschmir zu bemerken. Auch hier werden gesunkene Produktionsmengen als Hauptgrund genannt.

Bei allen knüpftechnischen Besonderheiten und auch begrifflichen Stolpersteinen ist der Stellenwert in einem Teppichsortiment beachtlich hoch. Es ist festzustellen, dass der zum einen farblich aktuelle Kaschmir-Seidenteppich derzeit eine vom Verbraucher gefragte, gängige Provenienz ist.

Ein weiterer Vorteil ist das auch aus Verbrauchersicht recht günstige Preis-Leistungsverhältnis. Es macht den Kaschmir-Seidenteppich - sicher auch bedingt durch das Baumwollgrundgewebe - unter allen seinen Mitwettbewerbern zum derzeit preiswertesten Seidenteppich.
aus Heimtex Orient 02/05 (Teppiche)