Das Orientteppich-Lexikon

Die Enzyklopädie des Orientteppichs von J. Iten-Maritz, das Standardlexikon für Orientteppiche ist vergriffen und wird nicht wieder aufgelegt. Heimtex Orient wird diese schmerzliche Lücke mit einem neuen, aktuellen Lexikon füllen. In dieser Ausgabe finden Sie die Fortsetzung dieses aufwändigen Werkes.

Bolli - Turksprache sprechender Unterstamm der Ghaschghai, Süd-Iran, dessen Knüpferzeugnisse als Ghaschghai-Teppiche gehandelt werden.

Bolvari - Turksprache sprechender Unterstamm der Ghaschghai, Süd-Iran. Sie knüpfen nur wenig. Ihre Teppiche werden als Ghaschghai gehandelt.

Bombyx mori - Name des Maulbeer-/Seidenspinners, dessen Kokon die Seide liefert.

Bor - Ort und OT-Provenienz in Zentral-Anatolien, Türkei. Sehr selten.

Bordjalou - 1.) Stamm, und OT-Provenienz, West-Iran. Eine zur Hamadan-Gruppe zählende Knüpfung, die in den Dörfern Chumadjin und Kumbasan geknüpft werden.
2.) Ein Kasak aus dem Dorf Tschobanker im Distrikt westl. von Lambalo, Süd-Kaukasus. Die relativ seltenen B. zählen zu den Kasak-Knüpfungen. Das Dessins wird geprägt durch seine deutlich hakenbesetzten Muster. Nach dem gleichnamigen Distrikt wird er auch Bortschaly gen.

Bordschaly - s. Bordjalou-Kasak (2.)

Bordüre - Franz.: Rand (ursprünglich Ufer); Fachausdruck für die, das Innenfeld umrahmende Mustereinfassung von Teppichen. Fachlich werden sie der Größe nach immer schmaler werdend als Haupt-, Neben- und Mitläuferbordüren bezeichnet. Die nur einen bis max. 4 Knotenbögen schmalen Einfasslinien werden fachlich eigentlich Nähte gen., ein Fachausdruck, der wegen seiner möglicherweise falschen Auslegung jedoch eher vermieden wird.

Bordürenbezeichnungen - Die B. sind im Laufe der Jahre im Handel entstanden und haben in den Ursprungsländern oft andere Namen, die jedoch weniger bekannt sind. Nur in Ausnahmefällen haben die B. einen echten Bezug zum eigentlichen Inhalt oder überkommenen Mustertraditionen. Eigentlich beschreiben die Namen mehr die Silhouette des Duktus in bildhafter Form. Sie erklären sie nur selten inhaltlich, was besonders deutlich wird in der Bezeichnung Babierstangen-Dessin, dessen Sinngehalt bei den Kunsthistorikern umstritten ist.
Die geläufigsten B. in OT sind: Adlerschnabel-, Alma/Apfel-, Botheh-, Barbierstangen-, ububuklu-, Djudor-, Dombakli-, Dreiecks-, Eibenzweig-, Eichenlaub-, Galeeren-; Herati-, Kartuschen-, Krabben-, Kufi-, Laufender Hund, Medachyl-; Perlen-, Peykan-, Pfeilspitzen-, Reyhanli-, Sägezahn-, Schah Abbas-, Schami-; Schekiri- (nur im Serabend und Sarough-/Indo-Mir), Stundenglas-, Swastika-(Hakenkreuz), T-, Weinglas-, Wellenranken- und Zinnen-Bordüre.
Die Bez. Reziproke Bordüren, In-and-out-Bordüren, Wellenranken- und Zinnen-Bordüren sind dessinübergreifende Ornamentikformen und somit keine definierten Muster.

Bordürenteppich - Bisweilen gebräuchliche Bezeichnung für Teppiche, die auch im Innenfeld mit Bordüren gemustert sind.

Bornet, George D. - Bekannter schweizer OT-Sammler, der den Alt- und Antik- Gabbeh als Sammlungsteppich entdeckte. Die berühmte Bornet-Sammlung wurde 1980 erstmals publiziert und regte andere OT-Sammler an, seinem Beispiel zu folgen. Die Bornet-Sammlung inspirierte den südiranischen Produzenten, Zollanvari aus Schiras, mit an, den modernen Gabbeh zu entwickeln.

Borpusch - Zentralasiatische, meist usbekische Stickerei, ähnlich dem Susani, entweder schmal oder quadratisch.

Borte - Bordüre

Borudjerd - Ort und OT-Provenienz im West-Iran; B. werden allgemein nicht unter ihrer genauen Herkunftsprovenienz, sondern als Hamadan angeboten.

Bosnien-Herzegovina - Balkan-Teppiche

Bosporus - Meerenge zwischen Europa und (Klein)-Asien. Der neuesten Theorie zufolge, soll der Bosporus zum Ende der Würm-Eiszeit vor ca. 10.000-15.000 Jahren entstanden sein, als die allmählich abtauenden Eismassen die Meeresspiegel stark ansteigen ließen. Die vom Süden her überlaufenden Wassermassen durchbrachen den bestehenden Isthmus, so dass die Wasser in den damals tiefer gelegenen Binnensee eindrangen und das heutige Schwarze Meer schufen. Archäologische Funde scheinen diese These zu bestätigen. Die Wissenschaft vermutete, dass in dieser gewaltigen Naturkatastrophe die Sintflutlegende sehr wahrscheinlich ihren Ursprung hat.
Der 28 Kilometer lange, 0,7 bis 3,3 Kilometer breite Bosporus verbindet das Schwarze Meer mit dem Marmara Meer. Den Einschnitt zwischen Europa und Klein-Asien können auch tiefgehende Seeschiffe passieren. Nach Süden führt die Wasserstraße anschließend über die Dardanellen (Türkisch: anakkale) und die Ägäis ins Mittelmeer. Das auf beiden Bosporus-Ufern befindliche Istanbul ist die einzige Stadt der Welt, die auf zwei Kontinenten liegt. Inzwischen überspannen zwei Hängebrücken den Bosporus, eine dritte ist in Planung.
Von der Antike bis in die Neuzeit war der Bosporus immer wieder heiß umkämpft. 1936 wurde er in der Convention von Montreux zur internationalen Wasserstraße erklärt und türkischer Oberhoheit unterstellt. Die Türkei hat aber alle Schiffe ohne Behinderung und kostenlos passieren zu lassen. Im Jahr 2002 haben etwa 48.000 Schiffe, teils riesige Öltanker, den B. passiert. Frachter dürfen nicht schneller als 10 Knoten laufen. Für die Kriegsmarinen gibt es zudem strenge Vorschriften: Überwasserschiffe werden nur durchgelassen mit entladenen, himmelwärts gerichteten Geschützen. Die Munition muß weggeschlossen sein. Kein U-Boot darf den B. getaucht unterqueren, Lotsen überwachen die Schiffspassagen. Es besteht jedoch kein Lotsenzwang. Im Norden kann eine jederzeit aktivierbare Minensperre die Durchfahrt abriegeln, über die das Nato-Mitglied Türkei wacht.
Bei Feinschmeckern begehrt sind die vorzüglichen Bosporus-Fische, die in den Restaurants an seinen Ufern, insbesondere in dem dafür renommierten, kleinen Ort Tarabia aufgetischt werden. Dass die Fische so schmackhaft sind wird mit den beiden starken Bosporus-Strömungen erklärt: Das durch Verdunstung salzhaltigere und damit leichtere Oberwasser fließt vom Schwarzen in das Marmara-Meer ab, während das weniger salzhaltige also schwere Tiefenwasser darunter von der Ägäis durchs Marmara Meer ins Schwarze Meer zurückströmt.

Boteh - Das B., ein aufrecht stehender Tropfen, der nach oben in einen rechts oder links geneigten Haken ausläuft, ist ein geläufiges, orientalisches Musterdetail, das bisweilen auch als Mir-i-Boteh bezeichnet wird und in Europa Paisly- oder Kaschmirmuster genannt wird. Auf Persisch bedeutet das Wort soviel wie Laubbüschel, Strauch. Erweitert zur Bez. Mir-i-B. lautet die Übersetzung in etwa fürstliche Pflanze oder freier: Herkunft/Abkunft, Ursprung. Es scheint uralt zu sein, denn seine Herkunft liegt im Dunkel. Nachweisbar ist das B. erstmals auf einem Lederflakon, das aus dem Pazyryk-Kurgan geborgen wurde.
Als typisches Rapportmuster beeindruckt es in seiner Schlichtheit und findet sich als Musterdetail in den meisten OT, wird aber auch als Primärornament eingesetzt. Bisweilen ist zusätzlich ein kleineres Boteh integriert, das sich zur entgegengesetzten Seite neigt. Diese Zusammenspiel aus Groß- und Kleinboteh bezeichnet man im Persischen auch als madar va batsche, zu Deutsch: Mutter und Baby - manchmal auch als Madonna mit Kind gedeutet. In vielen Mustern erscheint das Boteh versteckt und so eingebettet, dass man erst genauer hinschauen muß - manchmal mit etwas Phantasie.
Das B. kommt zwar in allen Teppichen vor, doch gibt es eine Provenienz, die ihm den Vorzug gibt: Der Sarough-Mir, der von einer ebenfalls mit Bothes umrahmten Schekiribordüre eingerahmt wird. Er ist ein, schlichter, all-over-gemusterter Teppich, der heutzutage in teils hervorragender Qualität in Indien, Indo-Mir, geknüpft wird und seinen Ahnen hinsichtlich Vielfalt, Güte und Ausdruckskraft in den feineren Qualitäten übertrumpft.
Herkunft und inhaltliche Bedeutung des B. geben Rätsel auf und sind, wie so vieles in altorientalischen Musterelementen, recht umstritten. Man nimmt an, dass es entweder ein in sich geschlossenes Symbol darstellt oder möglicherweise ein Restbestand eines einst größeren Musters ist.
Da die vorislamische, zarathustrisch-parsische Religion des Zarasthustraismus das Feuer als Symbol für Immanenz und Ewiges Leben verehrt, könnte das Boteh in seiner Silhouette eine züngelnde Flamme darstellen. Wiederum könnten die umgeknickten Häkchen Palmenwipfelspitzen symbolisieren, denn die Segen spendende Palme ist ein uraltes Fruchtbarkeitssymbol. In Indien wird es auch als Silhouette der nahrhaften Mangofrucht oder auch einer Mandel interpretiert. Dort bez. man es auch als Suggi (Hindi: Papagei) oder Litschie. Die Turkmenen bez. es als Djudor (dt. Mandel). Möglicherweise aber ist das Boteh Teil des aus dem chinesischen Kulturkreis stammenden Yin-Yang und stellt damit ein Symbol für den aus dem antiken Persien vielleicht sogar in das Juden- und spätere Christentum übernommenen Dualismus dar - Leben und Tod, Geburt und Vergehen, Freud und Leid, usw. Löst man das immer hell-dunkel erscheinende Kreismotiv in seine zwei Einzelteile auf, ähnelt jedes auffallend dem ansonsten recht unerklärlichen Boteh. Manch einer sieht im Boteh auch ein Relikt des Auges, das den Bösen Blick abwenden soll.
Das B. wird auch Paisley oder Kaschmir-Muster genannt.
aus Heimtex Orient 03/05 (Teppiche)