Kunst in der Hamburger Hafencity

Steinerner Orientteppich verbindet Okzident mit Orient

Die Hamburger Speicherstadt erhielt kürzlich einen Teppich, der nicht aus der Ferne kam und nie ein Wohnzimmer schmücken wird. Er wird auch nie zu den fliegenden Teppichen zählen, er ist aus Stein. Und dennoch ist die - mehr oder weniger symbolische - Wegstrecke, die er zurücklegt, beachtlich: Eine Brücke zwischen Hafencity und Innenstadt, zwischen Orient und Okzident soll der steinerne Orientteppich schlagen.

In der Hamburger Speicherstadt liegt seit kurzem ein Teppich, den es hier noch nie gegeben hat. Ein steinerner Teppich verbindet die Speicherstadt mit der Hamburger Innenstadt. Ein optisches Verbindungsglied, aber auch ein Kunstgegenstand und ein Wertobjekt mit hohem Gebrauchsnutzen, sagt sein Erbauer, der Künstler Frank Raendchen.

Die Idee dazu kam ihm bei einem Spaziergang durch die Speicherstadt. "Mein temporärer Eingriff in das bestehende Straßenbild der Hafencity kehrt nicht nur das Innere nach außen, zeigt offen, was millionenfach in den Speichern der näheren Umgebung lag und liegt", erklärt er. "Der Effekt dieser öffentlichen Präsentation von etwas, das normalerweise ins Haus gehört, geht darüber hinaus: Der Hamburger Hafen ist das Tor zur Welt, durch das die Waren importiert und exportiert werden, auch die, mit denen wir unser Heim einrichten. Und auf so manchem edlen Teppich wurden Pläne geschmiedet, die zu wirtschaftlichem und politischem Erfolg führten. Zudem hat der Orientteppich - neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung und seinem dekorativen Nutzen - immer auch noch einen Rest märchenhaften Zaubers von der großen weiten Welt."

Die Körber-Stiftung, die sich für internationale Völkerverständigung einsetzt und selbst in der Hafencity ansässig ist, finanzierte das 27 Meter lange und 2,40 Meter breite Kunstwerk, das sich nun seit Anfang Oktober über die Wilhelminenbrücke an der Kehrwiederspitze spannt. Vorlage dazu war ein Nain. Das Endergebnis ist der persischen Provenienz allerdings etwas entfremdet.

Wie die geknüpften Exemplare entstand auch der steinerne Orientteppich in Fleißarbeit: Nach zwei Wochen Vorbereitungszeit puzzelten Raendchen und zwölf Mitarbeiter anschließend noch einmal sechs Wochen lang, bis auch das letzte Teilchen an seinem Platz lag. Anderthalb Tonnen Granit-, Marmor- und Quarzkiesel wurden verarbeitet. Eine Versiegelung mit Kunstharz sorgt dafür, dass der Teppich auch alltäglichen Belastungen wie Stöckelschuhe oder dem Hamburger Wetter standhält - zumindest für die ersten Jahre. Denn anders als ein Knüpfteppich wird der steinerne Orientteppich nur rund fünf Jahre halten, so die Prognose seines Erbauers.
aus Heimtex Orient 05/05 (Teppiche)