Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Warenkunde

Es ist zwar wichtig, auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner" möglichst mit Ja antworten zu können. Doch alles kann man gar nicht wissen. Etliches muss auch der versierte Fachmann nachschlagen, zum Beispiel im Orientteppich-Kompass mit seiner umfangreichen Fachterminologie. Diese Ratespiel dient also allen dazu, sich ständig weiterzubilden. Wohl auch, sich mal ein wenig selbst zu prüfen. Ein Fachwissen ohne Lücken gibt es nun mal nicht. Daher sind diese -Fragen und Antworten ein guter und vor allem ein amüsanter Meilenstein. Wie immer versuchen wir ein Mix anzubieten zwischen Zeitgenössischem, Neuem und historischem Teppichwissen. Auch da gibt es hin uns wieder neue Erkenntnisse, die zu berücksichtigen sind. Schließlich ist der Orientteppich ein Produkt das lebt und das zugleich auf eine ungeheuer lange Historie und Tradition verweisen kann. In dieser Hinsicht gibt es weltweit keine annähernd vergleichbare Handarbeit. Eine, die zudem prägend für die jeweilige Einrichtung ist und dort meist sogar die Führung übernimmt.


Ästhetik
Bezeichnung für China-Teppich im Stile des Rokoko

In China werden heute Teppiche gewebt, deren Erscheinungsbild antiken Aubussonteppichen nachempfunden ist.

Aubussonteppiche wurden ab 1665 in einer königlichen Manufaktur in der französsichen Stadt Aubusson hergestellt. Die Blütezeit der Manufaktur reichte etwa bis zum Ende des Rokoko (1720 bis 1780); sie war spätestens mit der Französsichen Revolution 1789 beendet. Beliebte Themen der gewirkten Bildteppiche (Gobelins oder Tapisserien) waren ländliche Hirtenszenen.

China-Teppiche, die heute im Stile des Rokoko gefertigt werden, erfreuen sich einer so großen Beliebtheit, dass seit einiger Zeit auch Knüpfteppiche mit Aubusson-Motiven und antik anmutenden Farben produziert werden. Gehandelt werden die geknüpften Varianten unter der Bezeichnung China-Savonnerie.


Faradji
Name einer renommierten Knüpferei in Täbris

Die Manufaktur der drei Faradji-Brüder ist für ihre hochwertigen, besonders harmonisch gemusterten Täbris bekannt. Gegründet wurde das Unternehmen vor über 30 Jahren von Abdul Hussain Faradji, der heute noch immer aktiv ist. Faradji war maßgeblich an der Entstehung eines neuen Dessins beteiligt: den mit Blüten durchgemusterten Täbris. Der Name der Knüpferei wurde so teilweise zum Synonym für eine ganze Dessinrichtung. Die ursprünglichen Täbris, auch die von Faradji, waren vor allem in kräftigen Farben gehalten.

Den heutigen westlichen Markt dominieren diese "Faradjimuster" neben den allseits beliebten Mahi-Täbris. Vor allem die von Faradji eingeführten Beigetöne im Innenfeld und der Bordüre mit der dezent-klassischen Musterung erfreuen sich großer Beliebtheit.

Heute werden diese Muster natürlich auch von vielen anderen Produzenten in Täbris geknüpft. Eine gute Möglichkeit, die echten Faradji von denen andere Hersteller zu unterscheiden, ist dabei aber nicht sehr schwer. Zu einem hilft natürlich die sehr dezent eingeknüpfte Signatur weiter. Auffällig ist aber auch die Musterung des Innenfeldes an sich. So sind Faradji-Knüpfungen nie exakt vierersymmetrisch. Zumindest in der Mitte des Teppichs wird die Symmetrie gebrochen. Einige Stücke kommen sogar gänzlich ohne Musterwiederholungen aus. Für den Teppichdesigner ist es eine große Herausforderung, ein solches Dessin harmonisch zu gestalten. All zu leicht bleibt das Auge des Betrachters an nicht perfekt gelungenen, einzelnen Musterdetail hängen. Die Harmonie des Teppichs ist dann schnell zerstört.

Neben den schon erwähnten beige Tönungen werden auch schwarze Teppiche mit ähnlicher Musterung bei Faradji gefertigt. Für den japanischen Markt kommen auch sehr vereinzelt blaue Stücke von den Knüpfstühlen.

Bei der Qualität sind die Maßstäbe sehr weit oben angelegt. Ein Großteil der Produktion erfolgt auf einem Seidengrundgewebe. Auch ist der Seidenanteil im Flor ist hoch. Die Muster werden oft üppig mit Seide herausgearbeitet. Doch herausragende Produzenten wie Faradji müssen sich dem Preisdruck unserer Zeit beugen. Wenn auch nur sehr vereinzelt werden mittlerweile auch Stücke auf reinem Baumwollgrundgewebe geknüpft.


Amerikanische Teppiche
Handelsbezeichnung für eigens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für den Export in die USA in Persien geknüpften Teppiche

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in Persien Teppiche geknüpft, die explizit für den amerikanischen Markt bestimmt waren und sich deshalb an konkreten Design-Vorgaben orientierten. Sie enthielten meist keine Medaillons, zeigten eine zurückhaltende Linienführung und waren überwiegend zweifarbig gehalten (rot/blau).

In den 70er Jahren wurden diese "Amerikanischen Teppiche" für den deutschen Markt aufgekauft.


Badohi
Knüpfregion in Nord-Indien

In Indien wurden die ersten Teppiche im 16. Jahrhundert am Hof der Mogulkaiser geknüpft. Sie zeigten deutlich persische Einflüsse. Später gewann die indische Teppichknüpfkunst an Eigenprofil.

Während der britischen Kolonialzeit nahm die Knüpfindustrie gewaltigen Aufschwung. Bestehende Knüpfzentren wurden ausgebaut, neue kamen hinzu. Alle waren und sind in erster Linie exportorientiert.

Zu ihnen gehört die derzeit mengenmäßig wichtigste Region um Badohi/ Varanasi (früher Benares). Die Produktionen von Jaipur, Amritsar, Agra und in Kaschmir ergänzen das Angebot.


Obra
Dem Dhurry verwandtes Flachgewebe aus Indien

Webteppiche sind textile Flächengebilde aus zwei sich kreuzenden Fadensystemen: Kette (Längsfäden) und Schuss (Querfäden). Ein Webteppich hat grundsätzlich keinen Flor. Die Dessins entstehen vornehmlich durch die sogenannte Schussmusterung, aber auch durch Besticken.

In der Fachliteratur werden die Flachgewebe je nach Herkunft und Herstellungstechnik unterschiedlich bezeichnet. Aus Indien stammen die Obra, die dem bekannteren Dhurry sehr ähneln.


Palas
Gestreiftes Flachgewebe in Leinwandbindung

Auch der Palas ist ein Flachgewebe. Er zeigt ein einfaches Streifenmuster und ist beidseitig nutzbar. Hergestellt wird er im Kaukasus und in Turkmenien.


Pentagramm
Fünfeckiges, mythologisches Abwehrsymbol

Das Pentagramm (grch.: pentágrammos = "mit fünf Linien") ist ein fünfeckiger Stern, der sich ergibt, wenn die Diagonalen eines regelmäßigen Fünfecks nachgezogen werden. Der spitze Winkel eines Pentagramms beträgt 36 und drittelt den stumpfen Winkel des Fünfecks von 108. Ein Pentagramm kann sehr einfach konstruiert werden, wenn bereits ein Fünfeck vorliegt. Eine ebenfalls mögliche Bezeichnung für ein Pentagramm ist "Pentalpha", da sich das Symbol auch durch fünf ineinanderstehende Alphas (A) bilden lässt.

Im Volksglauben galt es als Bannzeichen gegen das Böse. In Goethes Faust, Teil I, heißt es: Studierzimmer, Faust zu Mephisto: "Das Pentagramma macht dir Pein?" Im Volksglauben hinderte nämlich ein auf die Türschwelle gezeichnetes Pentagramm böse Geister daran, sie zu überwinden.

3000 v. Chr. tauchte das Symbol zum ersten Mal in Mesopotamien als Piktogramm für "Ecke" oder "Winkel" auf. In der Antike war das Pentagramm unter anderem ein Symbol der Gesundheit. Da man das Symbol in einem Zug zeichnen kann und am Schluss wieder zum Anfang gelangt, galt es auch als Zeichen für den Kreislauf des Lebens. Abraxas, Gott der Gnostiker, wurde ebenfalls mit einem Pentagramm symbolisiert, vermutlich, weil er angeblich fünf Urkräfte in sich vereint. Auch Pythagoras hatte ein Pentagramm als Symbol, ihn interessierte dabei der mathematische Aspekt. Mathematisch ist das Pentagramm wegen des Goldenen Schnitts wichtig, der in jedem perfekten Pentagramm auftritt.

Das natürliche Abbild des Pentagrammes ist der fünfzackige Stern im Kerngehäuse, der sich beim (Quer-)Schnitt durch den Apfel offenbart. Es versinnbildlicht die griechische Jungfraugöttin Kore, die im Herzen der Erdmutter (Demeter) ruht. Die Jungfraugöttin wurde unter anderem in Anatolien als "Hebe" in Assyrien als "Eveh" verehrt, namensähnlich mit der biblischen Eva.

Weitere Deutungsmöglichkeiten für die fünf Ecken sind und waren der Geist und die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft oder auch Äther und die vier Himmelsrichtungen Norden, Süden, Westen und Osten.


Pol
Fachausdruck für Teppichflor

Der Pol ist das florbildende Fadenmaterial bei allen Plüsch-, Samt-, Frottier- und Teppichgeweben, wobei die aufrechtstehenden Noppen oder Schlingen aufgeschnitten oder schlingenförmig geschlossen über der Grundschicht liegen und als Nutzschicht dienen.

Bei der Anfertigung eines Orientteppichs schneidet der Knüpfer bereits während des Knüpfens den Florfaden in etwa der beabsichtigten Florhöhe ab. Ist der Teppich fertig, wird der Flor auf seine endgültige Höhe getrimmt. Je feiner dabei die Knüpfung, desto niedriger muss der Flor geschoren sein. Bliebe er zu hoch stehen, würde das Muster kippen und verschwimmen. Einige Teppiche, vor allem aus China und Nepal, erhalten zusätzlich einen Reliefschnitt; dadurch werden Musterungen plastisch hervorgehoben.


Polenteppiche
Orientteppiche aus der Epoche der Safawiden (1501 - 1722)

Diese zum Teil mit Gold- und Silberfäden broschierten Seidenteppiche, oft mit eingeknüpften Wappen versehen, stellen einen teppichgeschichtlichen, kunsthistorischen Begriff dar. Sie sind heute nur noch in Museen und Kunstsammlungen anzutreffen. Im Auftrag polnischer Könige und Adliger wurden sie während der Regentschaft Schah Abbas I. in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter anderem in Persien hergestellt.

Darüber hinaus versteht man unter Polenteppichen aber auch die vorwiegend im 18. Jahrhundert mit Hilfe persischer Teppichknüpfer in Polen selbst (Tatra und slowakische Gebiete) geknüpften Teppiche, die allerdings keine orientalischen Muster zeigen, sondern sich im Stil mehr oder weniger an den Dessins französischer Erzeugnisse orientierten.
aus Heimtex Orient 05/05 (Teppiche)