Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Warenkunde

Es ist zwar wichtig, auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner" möglichst mit Ja antworten zu können. Doch alles kann man gar nicht wissen. Etliches muss auch der versierte Fachmann nachschlagen, zum Beispiel im Orientteppich-Kompass mit seiner umfangreichen Fachterminologie. Diese Ratespiel dient also allen dazu, sich ständig weiterzubilden. Wohl auch, sich mal ein wenig selbst zu prüfen. Ein Fachwissen ohne Lücken gibt es nun mal nicht. Daher sind diese Fragen und Antworten ein guter und vor allem ein amüsanter Meilenstein. Wie immer versuchen wir ein Mix anzubieten zwischen Zeitgenössischem, Neuem und historischem Teppichwissen. Auch da gibt es hin uns wieder neue Erkenntnisse, die zu berücksichtigen sind. Schließlich ist der Orientteppich ein Produkt das lebt und das zugleich auf eine ungeheuer lange Historie und Tradition verweisen kann. In dieser Hinsicht gibt es weltweit keine annähernd vergleichbare Handarbeit. Eine, die zudem prägend für die jeweilige Einrichtung ist und dort meist sogar die Führung übernimmt.

Seidenstraße - antike Handelsroute

Als Seidenstraße wird ein Netz von Karawanenstraßen bezeichnet, die Europa und Asien verbinden. Die Bezeichnung geht auf den im 19. Jahrhundert lebenden Deutschen Ferdinand von Richthofen zurück, wenngleich bereits die Byzantiner eine ähnliche Bezeichnung verwendeten. Die ältesten Berichte über den Verlauf der Seidenstraße stammen aus der griechisch-römischen Antike: Herodot hat um 430 v. Chr. den Verlauf der Nordroute detailliert dargestellt.

Alle drei Routen der Seidenstraße sind das Ergebnis einer sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden Entwicklung. Dabei sind sie keinesfalls natürliche Routen. Die Seidenstraße ist eine der unwirtlichsten Strecken der Erde, die oftmals durch versengtes, wasserloses Land führt und eine Oase mit der nächsten verbindet. Hat man - von Westen kommend - die Taklamakan-Wüste erreicht, ist man umgeben von den höchsten Gebirgsketten der Erde. Nur ein paar eisige Pässe führen durch das Gebirge, die mit ihren tiefen Schluchten und 5.000 zu überwindenden Höhenmetern zu den schwersten der Welt gehören.

Nur wenige bereisten die gesamte Strecke von etwa 8.000 Kilometern. Der Handel lief immer über mehrere Zwischenstationen und jede Nation, die von der Strecke tangiert wurde, wollte ihren Profit als Zwischenhändler maximieren. Und so kam es durch die Konkurrenz untereinander immer wieder zu Konflikten, die in bewaffneten Auseinandersetzungen endeten. Damit war meist auch der gesamte Ost-West-Verkehr für eine gewisse Zeit unterbrochen. Nur unter der Mongolenherrschaft im 13. und 14. Jahrhundert war fast ganz Asien unter einem Herrscher vereint, was seinerzeit zu einem sicheren und geschützten Handel führte.

Die Organisation des transkontinentalen Handels war höchst komplex und schwierig. Hunderttausende Tiere, eine große Anzahl von Viehtreibern und Tonnen von Handelsgütern mussten versammelt und bewegt werden. Eine große Bedeutung kam dabei dem zweihöckrigen Kamel zu, das in Zentralasien beheimatet war. Es hat den Vorteil, dass es hitzeresistenter als einhöckrige Kamele ist und ein Winterfell besitzt, so dass es gut an die starken Klimaschwankungen angepasst ist. Daher wurden diese Kamele seit Beginn der Handelsbeziehungen benutzt.

Seide war für den Westen wohl das außergewöhnlichste Handelsgut, das die Seidenstraße passierte. Schließlich gab dieser Stoff der Route auch ihren Namen. Dennoch verzerrt dieser Begriff die Wirklichkeit des Handels, denn es wurden viele andere Waren über diese Handelsstraßen ausgetauscht. Karawanen in Richtung China transportierten unter anderem Gold, Elfenbein, kostbare Steine und Glas. In die andere Richtung wurden vor allem Pelze, Keramik, Jade, Bronze, Lacke und Eisen getragen. Viele dieser Güter wurden unterwegs eingetauscht und wechselten so mehrmals den Besitzer bevor sie ihr endgültiges Ziel erreichten. Neben Seide waren vor allem Gewürze bis in die Neuzeit wichtige Handelswaren aus Südostasien. Sie wurden nicht nur als Würzmittel und Aromastoffe, sondern auch als Medikamente, Anästhetika, Aphrodisiaka, Parfum und für Zaubertränke verwendet.

Nichtsdestoweniger war das begehrteste chinesische Produkt die Seide. Die Entwicklung der Seidenweberei lässt sich in China bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. zurückführen. Die Herstellung großer Mengen für den Export, einhergehend mit der Ausbildung von Seidenmanufakturen, erfolgte erst mit dem Ende der "Zeit der Streitenden Reiche" im 3. Jahrhundert v. Chr. Zu dieser Zeit war Seide ein überaus seltener Stoff im Westen, sie gehörte wie Purpur und Glas zu den Luxusartikeln im Römischen Reich. Nur die Reichsten konnten sich bescheidene Mengen des kostbaren Stoffes leisten. In der Zeit der Pax Augusta, als auch das westliche Ende der Seidenstraße sicher war, verlangte die römische Oberschicht verstärkt nach östlicher Seide, Gewürzen und Juwelen, denn man wollte den opulenten fernöstlichen Lebensstil nachahmen.


Farbbluten - auslaufende Farbstoffe

Beim Farbbluten oder Ausbluten laufen während einer Nassbehandlung zumeist dunklere Farben in hellere Töne. Hierbei wird überschüssiger Farbstoff abgegeben bis eine Sättigungsgrenze (Affinität) erreicht ist. Die Ursache kann auch eine unsachgemäße Waschbehandlung sein.


Laufender Hund - reziprokes Bordürenmuster

Beim laufenden Hund handelt es sich um ein uraltes Schmuckornament, eine mäandrische Verzierung, die die energische Kreisbewegung eines Hundes beim Laufen nachzeichnet. Vermutet wird, dass es für Ewigkeit und Einheit steht, da der Zyklus der Wiederholung eine Zusammengehörigkeit symbolisiert.

Der Laufende Hund wird als Bordürenleiste in der Teppichmusterung eingesetzt, dann auch Georgische Borte genannt. Zu finden ist er häufig auch an Häuserwänden, Außenfenstern und Trachtengürteln.


W-Schlingen - Schnellknüpftechnik

Die W-Schlinge gehört zu den weniger gebräuchlichen Knotenarten. Sie wird hin und wieder in Kirman, Zentral-Iran, verwendet und in der Europäischen Union mit einem höheren Zollsatz belegt.


Kermes - Schildlaus der Kermeseiche

Aus der Schildlaus der Kermeseiche lässt sich ein sehr edler, bläulich-purpurroter Naturfarbstoff gewinnen, der früher bei der Herstellung von Orientteppichen zum Einsatz kam.

Unter dem Begriff Naturfarbstoff werden mineralische oder von Pflanzen und Tieren gewonnene Farbstoffe zusammengefasst. Neben Kermes gehören auch Ocker, Indigo, Purpur, Cochenille, Krapp, Waid, Safran, Wau oder Rotholz dazu.

Die Natur mit ihrem Farbenreichtum inspirierte schon früh den Menschen dazu, organische Farben zu gewinnen, um sie für Verzierungen oder bei Ritualen zu verwenden. Von den Kulturvölkern ist der Gebrauch von pflanzlichen und tierischen Farbstoffen seit etwa 2.500 v. Chr. bekannt.

Ende des 18. Jhs. wurden die ersten mineralischen Farben entdeckt. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen dann die synthetischen Farbstoffe auf, die bis heute die Naturfarbstoffe fast gänzlich verdrängt haben.


Eslimi - vierersymetrisches, florales Dessin

Das in Persien als Eslimi bezeichnete Muster ist in Europa als Arabesken-Dessin geläufig. Das rankenartige, meist symmetrisch angeordnete Musterdetail zeigt ein System, rotierender, überschlanker Zweige. Es ist wohl das orientalischste aller Muster und entstammt ursprünglich der schon früh im Morgenland gepflegten hohen Kunst der Fayencearbeiten.

Die Kuppel der Moscheen und anderer Gebäude sind oft gedeckt mit reich verzierten Kacheln, die durch ihre Glasierung Wind und Wetter trotzen. Ihre Farben sind derart stabil, daß selbst die im persischen Hochland intensiver strahlende Sonne sie nicht zu bleichen vermag.

Dieses vorbildliche Farb- und Musterspiel wollte man sich auch ins Haus holen und knüpfte entsprechende Teppichmuster mit Blüten, Pflanzen-, Zweig- und Rankenornamenten. Gepaart mit stilisierten Blättern, Gabelranken und Wolkenbandornamenten, wird dieses Gesamtmuster zum so genannten Eslimi-Dessin.

Es ist das häufigste Floraldessin und ziert vorwiegend folgende Provenienzen: Isfahan, Nadjafabad, Nain, Mesched, Mahallat, Sabsewar, Täbriz, Teheran, Hamadan-Sharbaff, Keschan, Ghoum und Sarough. Meist sind die Bordüren in gleicher Musterweise auf das Innenfeld abgestimmt und wiederholen die Pflanzenornamente. Die wie in einem Querschnitt erscheinenden Blüten werden in Verehrung eines kunstsinnigen Safawiden Königs Shah-Abbas-Blüten genannt.


Meder - Volk im antiken Persien

Die Meder waren ein antikes indoiranisches Volk. Sie lebten in Medien, im Westen des heutigen Irans. Vor ihrer Reichsgründung waren sie in zwei Stämme unterteilt: das Reich Manda und das Mada-Parsa-Reich. Ein kaum greifbares Königreich Manna im nördlichen Zagros-Gebirge, das ein Teilstamm der Skythen gegründet haben soll, wird zum Ausgangspunkt der Wanderungen der Meder. Die eigentliche, langsame Wanderung der Meder in das Gebiet um Ekbatana dürfte um 810 v. Chr. noch nicht abgeschlossen gewesen sein.

Herodot unterteilt die Meder in die Stämme der Busen, Paretakener, Struchaten, Arizanter, Budier und Mager.

Deiokes gilt als Gründer des Mederreiches (728 v. Chr. bis 550 v. Chr.) mit der Hauptstadt Ekbatana. Phraortes verdrängte die Assyrer und einte die Stämme. 614 v. Chr. zerschlugen die Meder Assyrien und zerstörten die Stadt Assur. 612 v. Chr. wird dann auch die alte Hauptstadt der Assyrer Ninive zerstört. Die vorübergehende Herrschaft der Skythen, von denen die Meder angeblich die Reiterkriegsführung erlernten - die Meder wurden später berühmt für ihre Pferdezucht - wurde schließlich von Kyaxares II. beendet. Damit erreicht das medische Reich seine größte Ausdehnung. Ein Krieg gegen die Lyder wurde durch die von Thales von Milet vorhergesagte Sonnenfinsternis am 28. Mai 585 v. Chr. beendet. Beide Seiten wurden von dem Naturereignis derart erschreckt, dass sie Frieden schlossen.

550 v. Chr. verbündete sich der medische Adel mit den Persern gegen Astyages, was zum Ende der Mederherrschaft führte. Das Mederreich wurde schließlich von Kyros II. erobert, der damit den Grundstein für das Perserreich legte. Die medische Aristokratie genoss später im Perserreich der Achämeniden viele Privilegien und wurde an der Verwaltung beteiligt.

In der größten Ausdehnung reichte das medische Reich von dem Fluss Halys (Anatolien) bis nach Baktrien (Afghanistan) an den Fluss Oxus (heute Amudarja).


Zagros - Gebirgszug in Persien

Der Zagros ist das größte Gebirge im Iran. Er erstreckt sich über etwa 1.500 Kilometer von Kurdistan an der irakischen Grenze bis zur Schifffahrts-Straße von Hormuz, wo sich Vorderasien und die Arabische Halbinsel bis auf 50 Kilometer annähern. Das Gebirge läuft etwa parallel zum Schwemmland des Tigris beziehungsweise zum Persischen Golf in 50 bis 100 Kilometer Entfernung, und ist in mehreren Gebirgszügen 200 bis 300 Kilometer breit. Die höchsten Gipfel erreichen nahe der Großstadt Isfahan eine Höhe von mehr als 4.500 Metern, während sie etwas südlicher bei Schiraz bis rund 1.000 Meter reichen.

Etwa parallel zum Zagros-Gebirge verläuft das kürzere Kuhrud-Gebirge. Zwischen ihnen fließen Binnenflüsse, die in riesige Salzseen münden und für ein angenehmes Klima auf den Hochflächen um Schiras und Isfahan sorgen.

Der Zagros gehört geologisch zu den jungen, alpidischen Kettengebirgen aus dem Miozän, die sich von den Pyrenäen über die Alpen, Karpaten, Balkan und Türkei zum Elburs-Gebirge ziehen. Östlich des Zagros setzt sich diese Gebirgsfolge Eurasiens über Hindukusch, Karakorum und Himalaya bis nach Ostasien fort. Fast überall wird sie von Erdbeben heimgesucht.

Es wird vermutet, dass der Mensch Ziegen zuerst im Zagrosgebirge domestiziert hat.


Gobelin - textiler Wandbehang

Der Gobelin, auch Wandteppich genannt, ist ein textiler Wandbehang mit meist eingewirkten Bilddarstellungen, schon im Alterum als Schmuck von Wohn- und Festräumen verwendet. In Spätantike und Byzanz wird der Bildteppich zu großen figürlichen Bildkompositionen entwickelt. In Renaissance und Barock werden auch Motive nach berühmten Gemälden oder Entwürfen großer Meister wie zum Beispiel Raffael, Francisco der Goya oder van der Weyden übertragen. Seit dem Klassizismus herrscht die Übertragung beliebter Bildmotive der Tafelmalerei vor. Mit Bildteppichen sind bis in die Rokoko-Zeit hinein Wände von Räumlichkeiten der wohlhabenden Schichten in Europa gestaltet worden.

Bei Gobelins handelt es sich meist um Bildteppiche. Die Kunst der Herstellung von Gobelins wird Tapisserie genannt. Die einzige noch vollständig erhaltene Sammlung von Gobelins hängt im Großmeisterpalast in Vallette auf Malta und zeigt Motive der Karibik.

Der Begriff leitet sich vom Namen der Familie Gobelin ab, die Anfang 1400 in Faubourg Saint-Marcel bei Paris eine Scharlachfärberei besaß. 1607 wurde dort mit der Herstellung von Bildteppichen begonnen. Im Jahr 1630 betrieb der Niederländer Marc de Commans die Manufaktur für Wandteppiche in den Räumen der Gobelins.

1662 gründete Minister Jean-Baptiste Colbert im Auftrag von Ludwig XIV. die Manufacture royale des tapisseries et des meubles de la Couronne, in die die Königliche Goblin-Wandteppich-Manufaktur eingegliedert wurde. Aufgabe der Firma war es, die Einrichtung der königlichen Schlösser herzustellen. Die künstlerische Leitung übernahm der Hofmaler Charles Lebrun. In diesen Jahren beschäftigete die Manufaktur rund 250 Handwerker der verschiedensten Gewerke. Nach dem Tod des einflussreichen Colbert bekamen die Widersacher Lebruns am Hofe Ludwigs Oberhand. Dadurch ging der Betrieb langsam zugrunde, bis er 1694 aus Geldmangel geschlossen wurde, 1697 jedoch aufgrund der großen Nachfrage als reine Tapisserie wieder eröffnete. Die Manufaktur ist derzeit im Besitz des Französischen Staates und kann besucht werden.

Bei so genannten unechten Gobelins handelt es sich um Jacquardweberei. Die hochwertigen, edel wirkenden und strapazierfähigen Dekostoffe zeigen meist klassische Blumen-, Blatt- oder Ornamentmuster auf einfarbigem Grund. Häufig sind sie zusätzlich mit Metallfäden gemustert. Die Gobelinmalerei ist eine Nachahmung der gewirkten Gobelins durch farbige Bemalung eines dem Gobelin ähnlichen gewebten Stoffes. Die Gobelinstickerei versucht den echten Gobelin mittels eines besonderen Flachstiches auf Leinwand mit Wolle oder Seide nachzuahmen. Eine Sonderform des Bildteppichs ist der seit dem Mittelalter gebräuchliche, in Nadelarbeit hergestellte Wandbehang.

Der Bildteppich als traditionelle Technik spielt in der heutigen Bildenden Kunst eine geringe Rolle. Mit den neuen Möglichkeiten des digitalen Drucks und anderen textilen Herstellungsverfahren erfährt der Wandbehang dagegen eine Renaissance bei zeitgenössischen Künstler.
aus Heimtex Orient 06/05 (Teppiche)