Zement-Fließestrich: Zukunftstechnologie oder unausgereifter Lückenfüller?

Funktioniert nur bei durchgehender Qualitätskette

Zement-Fließestriche sollen die positiven Materialeigenschaften und das breite Einsatzspektrum bewährter Zementestriche mit der rationellen, körperschonenden Verarbeitungstechnik von Calciumsulfat-Fließestrichen verbinden. Auf den ersten Blick ein idealer Baustoff, sind sie allerdings schon kurz nach der Markteinführung durch Schäden in die Negativ-Schlagzeilen geraten. Bruno Reisch, Maxit-Entwicklungschef, zeigt die Vorzüge und Grenzen der jungen Estrichart auf.

Die Marktbedeutung fällt angesichts der jungen Technologie bislang noch vergleichsweise gering aus: 1999 wurden rund 1,5 Mio. qm Zement-Fließestrich (ZFE) verlegt, was einem Anteil von rund 2 % am gesamten deutschen Estrichmarkt entspricht. Bezogen auf den Zementestrichmarkt ergibt sich ein Anteil von etwa 3 %. Am Fließestrichmarkt machen ZFE immerhin rund 5 % aus. In den vergangenen beiden Jahren ließ sich zudem eine deutliche Tendenz nach oben erkennen.

Zusammensetzung und Einordnung

ZFE besteht aus dem Bindemittel Zement - in vielen Fällen zusätzlich Flugasche - und Zuschlag von 0 - 8 mm. Hinzu kommen Zusatzstoffe wie Füller und oft auch Fasern. Die wichtigsten Zusatzmittel bilden Fließmittel, Stabilisatoren und Verzögerer.

Zement-Fließestriche sind damit Estriche nach DIN 18560. Die deutsche Estrichnorm kennt zwar nicht den Begriff "Fließestrich" - in der neuen Euronorm EN 13813, die DIN 18560 künftig in weiten Teilen ersetzen wird, ist der "fließfähige" Mörtel jedoch ausdrücklich aufgeführt. ZFE sind als Estriche nach DIN 18560 in den Festigkeitsklassen ZE 20 und ZE 30 verfügbar.

Fahrmischer- und Trockenmörtel-Estriche

Grundsätzlich muss man bei ZFE zwischen Werkfrischmörteln aus dem Fahrmischer und Werktrockenmörteln unterscheiden. Bei Fahrmischer-Estrichen werden Bindemittel, Zuschläge, Wasser, Stabilisator und Verzögerer bereits im Transportbetonwerk zum einem Nassmörtel aufbereitet, wobei das Fließmittel allerdings in der Regel erst auf der Baustelle hinzu kommt - in die laufende Trommel bei anschließendem, 30-minütigen Nachmischen.

ZFE-Trockenmörtel kommen als Trockengemisch aus Bindemittel, Zuschlägen, Zusatzstoffen und Fließmitteln auf die Baustelle und werden erst vor Ort in einer Mischpumpe mit Anmachwasser zu einem einbaufertigen Nassmörtel gemischt. Die Lieferung erfolgt meistens im Einkammersilo mit angeflanschter Silo-Mischpumpe.

Zentrale Materialeigenschaften

Fahrmischer- und Werktrockenmörtel-ZFE weisen unterschiedliche Materialeigenschaften auf. Beim Fahrmischer-Estrich ist beispielsweise der Wasserbedarf geringer - er wird mit steiferer Konsistenz eingebaut. Dadurch fällt auch die Frischmörtelrohdichte höher aus als bei ZFE-Werktrockenmörteln.

Fahrmischerestriche können frühestens nach 1 bis 2 Tagen begangen und nach 4 bis 5 Tagen teilbelastet werden - während ZFE auf Trockenmörtelbasis in der Regel nach 24 Std. begehbar und nach 3 Tagen teilbelastbar sind. Durch den Einsatz von Verzögerern kann es allerdings zu Verschiebungen bei den Zeitangaben für Begehbarkeit und Teilbelastbarkeit kommen. Heizestriche dürfen bei beiden Systemen frühestens nach 21 Tagen aufgeheizt werden.

In Punkto Eigenschaften des fertigen Bauteils unterscheiden sich Fahrmischer- und Trockenmörtel-ZFE vor allem im Trocknungsschwinden, das bei Werkfrischmörteln tendenziell höher ausfällt - hier sind daher auch mehr Bewegungsfugen erforderlich. ZFE können dennoch aufgrund ihrer hohen Dauertemperaturstabilität sogar in Saunaanlagen, Backhäusern und ähnlich temperaturbelasteten Bereichen eingesetzt werden.

Einsatzmöglichkeiten und Einbauverfahren

ZFE verfügen über ein nahezu unbegrenztes Einsatzspektrum. Sie eignen sich für Estriche im Verbund, auf Trennlage, auf Dämmschicht, auf Fußbodenheizung sowie für Hohlraumbodensysteme in Wohnungs-, Verwaltungs- und Gewerbebauten. Bevorzugte Einsatzgebiete sind insbesondere Bereiche, in denen Calciumsulfat-Fließestriche an ihre Grenzen stoßen:
- Schwimmbäder,
- Großküchen,
- Umkleidebereiche von Sportanlagen,
- Tiefgaragen
- und Kellerräume.

Dabei lassen sich in Objekten mit entsprechenden Räumlichkeiten alle Flächen mit einem Produkt ausführen.Die Verarbeitung von ZFE erfolgt weitestgehend analog zu calciumsulfatgebundenen Fließestrichen: Nach dem Einstellen der Konsistenz wird der Estrichmörtel zunächst mit dem Schlauch gleichmäßig verteilt - unter Beachtung des eingestellten Höhenmaßes - und anschließend durch einen "Kreuzgang" mit der Schwabbelstange einnivelliert.

Häufige Einbaufehler und typische Schäden

Schäden an ZFE entstehen meistens aufgrund mangelhafter Sorgfalt bei der Verarbeitung. Oft wird die vorgegebene Konsistenz nicht eingehalten. Dies führt zur Sedimentation und entsprechenden Spannungsunterschieden innerhalb der Estrichplatte. Die Folge sind Rissbildungen und Aufschüsselungen. Die Sedimentation behindert zudem die Austrocknung des Estrichs - das daraus resultierende Feuchtigkeitsgefälle erhöht die Gefahr von Rissen und Aufschüsselungen. Hinzu kommt eine mögliche Verstärkung des Schwindmaßes durch den höheren Wassergehalt.
Die schadensfreie Ausführung eines ZFE ist also zwingend an das exakte Einhalten der vorgeschriebenen Konsistenz - des Fließmaßes - gebunden. Kolonnen, die hier "experimentieren" oder ungenau arbeiten, schaden ihrer Firma und letztlich auch dem ZFE insgesamt.

Eine weitere Fehlerquelle besteht in Punkto Bewegungsfugen: Werden keine oder zu wenig Bewegungsfugen eingefügt, kommt es an Einkerbungen zwangsläufig zur Rissbildung. Werkfrischmörtel erlauben auf unbeheizten Flächen Feldgrößen von 30 bis 50 qm, während bei Werktrockenmörtel-Estrichen Feldgrößen bis 200 qm möglich sind - bei einer Seitenlänge von höchstens 20m. In Türdurchgängen sind bei beiden Systemen immer Scheinfugen erforderlich.

Auf beheizten Flächen liegt der entscheidende "Knackpunkt" in möglichen Verformungen durch Temperaturdifferenzen innerhalb der Estrichplatte. Die Anzahl und Lage der Fugen sollte sich daher vor allem an der Raumgeometrie und der Lage des Schwerpunktes orientieren - analog zum CSFE.

Sehr gefährlich sind außerdem Zugluftbelastungen während bzw. unmittelbar nach dem Einbau. Die Folge ist eine unkontrollierte Rissbildung, starkes Aufschüsseln und eine absandende Oberfläche. Ähnliche Gefahren bestehen, wenn Heizestriche aus ZFE zu früh aufgeheizt werden.

Vorteile und Grenzen

Gegenüber CSFE zeichnen sich ZFE vor allem durch das eingesetzte Bindemittel aus: Zementgebundene Estriche haben sich seit Jahrzehnten als Untergrund für Bodenbeläge aller Art bewährt - Boden-, Parkett- und Fliesenleger sind mit ihren Eigenschaften vertraut, die sich uneingeschränkt auch auf angeschliffene ZFE übertragen lassen.

Hinzu kommen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von ZFE, die ebenfalls weitgehend dem breiten Anwendungsspektrum konventioneller Zementestriche entsprechen - sofern es sich um Estriche zur Aufnahme von Bodenbelägen handelt. ZFE kann überall dort eingebaut werden, wo heute CSFE zum Einsatz kommen - wobei er zusätzlich die Bereiche abdeckt, bei denen CSFE an ihre Grenzen stoßen.

Im Vergleich zu konventionellen Zementestrichen bieten ZFE ein ebenso zeitgemäßes wie rationelles Einbauverfahren. Darüber hinaus lassen sich mit ZFE höhere Ebenheiten realisieren. Mit ZFE lassen sich also mit einem Material nahezu alle Aufgabenstellungen im Objektbereich umsetzen.

Da sie angeschliffen werden müssen, eignen sich ZFE allerdings nicht als Nutzestriche. Das bei Nutzestrichen häufig durchgeführte Einstreuen und Abreiben mit Zement, mit dem eine harte und verschleißfeste Oberfläche gewährleistet wird, ist bei ZFE nicht möglich. Mit dem Einstreuen von Hartkornmischungen liegen bisher zu wenig Erfahrungswerte vor.

Grenzen sind dem ZFE außerdem vor allem dort gesetzt, wo keine geeigneten Rohstoffe bzw. Rezepturen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus funktioniert er grundsätzlich nur bei sorgfältiger Verarbeitung. Ein funktionierender ZFE setzt eine durchgehende Qualitätskette von den Rohstoffen über die Rezeptur bis zur Verarbeitung voraus. Werden diese Bedingungen eingehalten, lassen sich mit ZFE problemlos dauerhaft schadenfreie Flächen ausführen.

Beim ZFE trennt sich die sprichwörtliche "Spreu vom Weizen". Hier zeigt sich das Qualitätsniveau von Hersteller und Verarbeiter. Wenn beides stimmt, steht dem Erfolg nichts im Wege. ZFE bietet damit die Chance, sich als qualifizierter Verlegebetrieb zu profilieren. Denn einen fehlerfreien ZFE kann nicht jeder ausführen.


Eigenschaften des fertigen Bauteils (ZFE auf Trockenmörtelbasis)

- homogener Gefügeaufbau
- Druckfestigkeit (28 Tage): ca. 25 N/qmm
- Biegezugfestigkeit ("8 Tage): ca. 5 N/qmm
- Haftzugfestigkeit (28 Tage): > 1,0 N/qmm
- E-Modul (28 Tage, dynamisch): ca. 22.000 N/qmm
- Trocknungsschwinden: < 0,4 mm/m
- Schüsseln: < 2 mm
- Wärmeleitfähigkeit: 1,2 W/mK
- thermischer Längenänderungskoeffezient: 0,010 mm/mK
- Dauertemperaturstabilität: + 80 C
aus FussbodenTechnik 01/02 (Handwerk)