Interview mit Otto Rogal zur Wirkungsweise von Glasfaser-Zuschlägen

"Deutlich weniger Risse ohne grössere Mehrkosten"

Das Angebot an Faserzuschlägen für die Estricherstellung ist in den letzten Jahren explodiert. Vor allem Glasfasern sind auf dem Vormarsch. Jeder Anbieter wirbt mit anderen Positiveffekten. Welche Vorteile können Glasfasern tatsächlich bewirken und wo liegen ihre Grenzen? FussbodenTechnik sprach mit Otto Rogall, Verkaufsleiter Anwendungstechnik des Düsseldorfer Anbieters Industrie Verbund Werkstoff CB, über die Wirkungsweise und das Leistungspotential von Glasfasern in Estrichen.

FussbodenTechnik: Was können Glasfasernzuschläge in Estrichen bewirken?

Rogall: Der positive Einfluss von Glasfasern besteht vor allem in einer deutlichen Reduzierung der Schwindrissneigung. In zementären Estrichen kommt es während des Abbindevorgangs zu einer Volumenverringerung, die zu Zwängungsspannungen führt. Da diese Zwängungsprozesse zu einem Zeitpunkt auftreten, an dem der Estrich noch nicht seine Endfestigkeit erreicht hat - vor allem in den ersten fünf Tagen - besteht die Gefahr einer massiven Schwindrissbildung. Glasfasern wirken durch ihre homogene, dreidimensionale Verteilung im Estrichgefüge der Entstehung solcher Frühschwindrisse entgegen.

FussbodenTechnik: Wie funktioniert dieser Schwindriss-Schutz?

Rogall: Das Funktionsprinzip von Faserzuschlägen lässt sich anschaulich an einem einfachen Beispiel erklären: Wenn man aus Lehm einen Ziegelstein formt und ihn an der Luft trocknen lässt, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit schon während der Trocknungsphase zerreißen. Schon in der Antike hat man erkannt, dass sich durch das Beimischen von Stroh oder Häcksel ein Zerreißen des Steins verhindern lässt. Grund: Auch in diesen Stein entstehen natürlich Schwindrisse - allerdings über die gesamte Matrix verteilt. Statt eines großen Risses, der den ganzen Stein zerstört, bilden sich viele kleine Rissansätze, die jeweils nur von einem Strohhalm bis zum nächsten verlaufen. Konsequenz: Das Gefüge bleibt insgesamt erhalten - der Festigkeitsverlust fällt deutlich niedriger aus. Glasfasern bewirken im Estrich im Prinzip den gleichen Effekt.

FussbodenTechnik: In welchen Dimensionen bewegt sich dieser Effekt?

Rogall: Das Ausmaß der Schwindrissreduzierung hängt von der Faserlänge und der Einsatzmenge ab. Laboruntersuchungen im Rahmen einer Diplomarbeit an der FH Bochum ergaben beim Einsatz von 2 kg Crak-Blocker Glasfasern pro cbm Beton eine Schwindmaßreduzierung um 20,4 %. Die Werte wurden mit Fasern von 12 mm Länge erzielt, wie wir sie auch für Estriche empfehlen. Mit den für Betone im Industriebodenbau vorgesehenen 24 mm langen Fasern ließ sich das Schwindmaß bei entsprechender Einsatzmenge von 3 kg/cbm sogar um 31,5 % reduzieren - das Schwinden betrug also nur noch 0,667 mm pro Meter. Der Null-Beton zeigte ein Schwinden von rund 1 mm pro Meter.

FussbodenTechnik: Inwieweit sind diese Werte auf den Estrichbau und die Baustellenpraxis übertragbar?

Rogall: Prüfungen des Zementherstellers Lafarge und eines Tochterunternehmens von Heidelberger Zement bestätigten, dass unsere Glasfasern das Schwindverhalten einer Estrich-Matrix erheblich verringern können. Bei Versuchen mit Zement-Fließestrichen ergab sich bei Zugabe von 1 kg Glasfasern eine Schwindrissreduzierung um über 30 %. Diesen Effekt bestätigen auch die Erfahrungen unserer Kunden aus dem Estrichgewerbe, die beim Einsatz von Crak-Blocker Glasfasern durchgehend eine deutliche Reduzierung der Schwindrissbildung feststellen konnten. Das Stader Unternehmen Wika-Beton nutzt unsere Glasfasern beispielsweise seit vielen Jahren bei der Ausführung von Zement-Fließestrichen. Der Fachbetrieb Estrich Grohmann aus Forchheim setzt die Technologie erfolgreich im Industriebodenbau ein. Die umfangreichen Praxis-Erfahrungen belegen, dass die Schwindrissreduzierung auch unter Baustellenbedingungen funktioniert.

FussbodenTechnik: Bei welchen Estrichen ist der Einsatz von Faserzuschläge besonders sinnvoll?

Rogall: Glasfaser-Zuschläge empfehlen sich grundsätzlich bei allen zementgebundenen Estrichen - das gilt für erdfeuchte ebenso wie für fließfähige Mörtel. Besonders sinnvoll ist der Einsatz in Heizestrichen sowie bei Untergründen für keramische und Naustein-Beläge. Wenn man hier das Trocknungsschwinden durch eine ausreichende Faserzugabe um 20 bis 30 % reduziert, verringert sich auch die Gefahr, dass der Heizestrich bzw. der keramische Belag durch Risse beschädigt wird.

Einige keramische und Naturstein-Beläge verlangen zudem eine Bewehrung des Estrichs. Glasfaserbewehrungen bieten hier gegenüber den früher üblichen Stahlmatten unter technischen wie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten deutliche Vorteile: Sie haben nachweislich keinen negativen Einfluss auf die Estrichmatrix und sind außerdem preisgünstiger als eine Stahlmattenbewehrung. In Heizestrichen können Glasfaserzuschläge als Bewehrung zudem thermische Längenveränderungen kompensieren.

FussbodenTechnik: Die Funktion einer konstruktiven Bewehrung im Sinne einer statischen Verfestigung wird von einigen Fachleuten angezweifelt. Inwieweit eignen sich Glasfasern grundsätzlich als konstruktive Bewehrung von Estrichen?

Rogall: Glasfasern können durchaus die Funktion einer konstruktiven Bewehrung erfüllen - allerdings erst bei entsprechender Einsatzmenge. Mit Zugaben ab 20 kg aufwärts lassen sich auch positive statische Effekte erzielen - bei der im Estrichbau üblichen Dosierung von 2 bis 3 kg pro cbm sind diese jedoch eher vernachlässigbar. Hier geht es primär um die Schwindrissreduzierung, wo sich schon bei Zugabemengen von 150 g pro Mischerfüllung positive Effekte erzielen lassen.

Die Prüfungen an der FH Bochum belegen allerdings, dass Glasfaser-Zuschläge auf keinen Fall negativen Einfluss auf die Druck- und Biegezugfestigkeiten von Estrichen haben. Ganz im Gegenteil: Der faserarmierte Mörtel zeigte stets leicht höhere Werte als der Null-Beton - wobei sich dieser Effekt schon aus der verringerten Rissneigung ergibt. Sie sorgt also unterm Strich tatsächlich für eine insgesamt stabilere Matrix. Dieser Effekt reicht aus, um die Funktion der bei Heizestrichen und unter keramischen Belägen geforderten Bewehrungsmaßnahmen zu erfüllen.
FussbodenTechnik: Ist es vor diesem Hintergrund nicht dennoch irreführend, Faserzuschläge als konstruktive Bewehrung zu verkaufen, wie es viele Estrichleger machen?

Rogall: Für den Estrichunternehmer ist es unter Marketingaspekten einfacher, seinem Auftraggeber den Glasfaser-Zuschlag als konstruktive Bewehrung zu verkaufen. Für viele Architekten hat der Begriff Bewehrung, den sie aus der Betontechnologie kennen, eine höhere Wertigkeit als eine Schwindrissreduzierung, unter der sich mancher Planer nur wenig vorstellen kann. Und wie gesagt: Glasfasern können die Estrichmatrix durch den erhöhten Risswiderstand tatsächlich stabilisieren - auch wenn der Effekt bei der im Estrichbau üblichen Einsatzmenge nicht an die Wirkung einer klassische Beton-Bewehrung heranreicht. Die Werbung mit einer Bewehrung des Estrichs ist also nicht ganz von der Hand zu weisen.

FussbodenTechnik: Sie sagten, dass Ihre Glasfaserzuschläge nachweislich keine negativen Einflüsse auf die Estrichmatrix haben. Wurde das durch eine bauaufsichtliche Zulassung bestätigt, wie sie manche Auftraggeber verlangen?
Rogall: Uns liegen Prüfzeugnisse verschiedener anerkannter Institutionen vor, die dies bestätigen. Eine bauaufsichtliche Zulassung gibt es für Faserzuschläge in Estrichen allerdings nicht. Sie ist grundsätzlich nur für Betone nach DIN 1045 vorgesehen. Das zuständige Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin hat uns auf eine entsprechende Anfrage mitgeteilt, dass derzeit keine Rechtsgrundlage für die Erteilung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für Fasern zur Verwendung in Estrichen besteht.

FussbodenTechnik: Alle von Ihnen angeführten Funktionen von Glasfaser-Zuschlägen beziehen sich ausschließlich auf Zementestriche. Was ist mit calciumsulfatgebundenen Estrichen?

Rogall: Bei Calciumsulfatestrichen sind Glasfasern kaum ein Thema, da diese Estriche keine ausgeprägte Schwindneigung aufweisen. Hier gibt es zwar teilweise ebenfalls Probleme mit Längenänderungen während der Trocknung - allerdings längst nicht so massive wie bei Zementestrichen. Versuche in Zusammenarbeit mit Knauf haben allerdings ergeben, dass sich durch Glasfasern in Calciumsulfat-Fließestrichen die Flexibilität der Estrichmatrix erhöhen lässt. Das könnte für den Sanierungsbau interessant sein - besonders beim Einsatz auf Holzbalkendecken, für den es allerdings auch entsprechende Spezialprodukte gibt.

FussbodenTechnik: Für die Schwindrissreduzierung in Zementestrichen werden neben Glasfasern auch deutlich preiswertere Kunststoff-Fasern angeboten. Reichen die nicht völlig aus?

Rogall: Auch wir haben neben Glasfasern preiswertere Kunststoff-Fasern aus Polypropylen (PP) im Programm. Sie können zwar ebenfalls die Rissneigung von Zementestrichen verringern, lassen sich aber nicht so gut verarbeiten wie Glasfasern: PP-Fasern neigen zum Klumpen und Aufschwemmen. Folge: Die Fasern sind ungleichmäßig in der Estrichmatrix verteilt, was den Stabilisierungseffekt mindert, und reichern sich zudem an der Oberfläche an, so dass der Estrich vor der Belagverlegung geschliffen werden muss.

Bei Glasfern entspricht das spezifische Gewicht der Fasern annähernd dem der Estrichmatrix, weshalb ein Aufschwimmen und Herausstehen der Fasern unwahrscheinlich ist. Das nachträgliche Schleifen der Estrichoberfläche entfällt. Die rund 130 Millionen Einzelfilamente pro Kilo Glasfasern verteilen sich gleichmäßig über die gesamte Matrix. Weiterer Vorteil: Glasfasern nehmen grundsätzlich kein Wasser auf. Das gilt zwar aus rein stofflicher Sicht auch für Kunststoff-Fasern - die feine Fibrilierung von PP-Fasern kann allerdings wie eine Kapilare wirken, in der sich dann das Anmachwasser anreichert.

FussbodenTechnik: Auch bei Glasfasern muss man sich zwischen den vergleichsweise preiswerten E-Glasfasern und den vermeintlich höherwertigeren, alkaliresistenten AR-Glasfasern entscheiden. Welche Glasfaser empfehlen Sie dem Estrichleger?

Rogall: Es kommt immer darauf an, welchen Effekt man durch die Faserzugabe erreichen will. Wenn es primär um die Schwindrissreduzierung geht, reichen Fasern aus E-Glas völlig aus. Sicher: Zementäre Mörtel sind grundsätzlich alkalisch und können daher Fasern angreifen, die keine ausgeprägte Alkaliresistenz aufweisen. Dabei handelt es sich jedoch um einen langwierigen Prozess über mehrere Jahre - während die Schwindrissneigung von Zementestrichen vor allem in den ersten Tagen und Wochen nach dem Einbau auftritt. In dieser Phase erfüllen die Fasern ihre Hauptfunktion. Später könnte man sie theoretisch wieder herausnehmen.

Als Schwindriss-Schutz bieten E-Glasfasern grundsätzlich die wirtschaftlichere Lösung. Außerdem haben Untersuchungen gezeigt, dass sich auch E-Glasfasern noch nach Jahren im Zementmörtel nachweisen lassen. Es kommt zwar zu einer allmählichen Oberflächenreduzierung - die Fasern lösen sich in alkalischer Umgebung jedoch nicht sofort auf. Wir haben beide Faserarten im Sortiment und festgestellt, dass Estrichleger die preiswerteren E-Glasfasern bevorzugen.

Alkaliresistente Fasern aus AR-Glas werden immer dann interessant, wenn man dauerhafte Effekte erzielen will - beispielsweise eine konstruktive Bewehrung mit entsprechenden Einsatzmengen, die im klassischen Estrichbau aber die Ausnahme sind.

FussbodenTechnik: Wirtschaftlichkeit ist ein wichtiges Stichwort. Was kostet den Estrichleger ein wirksamer Schwindriss-Schutz?

Rogall: Die Kosten sind angesichts des hohen Nutzens eigentlich vernachlässigbar. Selbst bei einer sehr hohen Zugabemenge von 2 kg Crak-Blocker E-Glasfasern pro cbm liegen die Mehrkosten nur bei rund 35 Cent pro qm Estrich. Wer die bewährten Portionsbeutel mit 150 g pro Estrichmischung verwendet, kommt sogar nur auf 20 Cent pro qm.

Viele unserer Kunden verkaufen den Faserzuschlag gegenüber Auftraggebern sogar als wertvolle Zusatzleistung. Wenn man dem Bauherrn veranschaulicht, wie viele Probleme sich durch einen effektiven Schwindriss-Schutz vermeiden lassen - Zeitverzögerungen und Zusatzkosten durch Risssanierung, Bedenkenanmeldung des Oberbodenlegers usw. - werden viele Auftraggeber gern bereit sein, Zusatzkosten von einem Euro oder mehr zu tragen. Als Argumentationshilfe können Estrichleger jederzeit alle einschlägigen Prüfergebnisse und Nachweise bei uns anfordern.

----

Glasfaserzuschläge - die Vorteile auf einen Blick

Vorteile bei Zementestrichen:
- reduziert die Schwindrissbildung
- Aufnahme von Zwängungsspannungen während des Abbindens
- geringe Nachrissneigung
- homogene, dreidimensionale Verteilung in der Estrichmatrix
- Einsatz als Bewehrung bei Heizestrichen und unter keramischen Belägen möglich
- Zeit- und Materialersparnis gegenüber anderen Bewehrungssystemen
- problemloses Dosieren und Einmischen mit selbstauflösenden Portionsbeuteln (150 g pro Pumpenfüllung)
- keine Erhöhung der Anmachwassermenge
- einfaches Glätten
- kein Aufschwimmen der Fasern
- kein Herausstehen der Fasern
- Glasfasern rosten nicht
- Verbesserung der Oberflächeneigenschaften

Vorteile bei zementären Industrieböden:
- reduziert die Schwindrissbildung
- Aufnahme von Zwängungsspannungen während des Abbindens
- geringere Entmischungs-Gefahr ("Bluten")
- reduziert die Wassereindringtiefe
- problemloses Einmischen (ca. 3 kg pro cbm, keine Spezialausrüstung wie Lift o.ä. erforderlich)
- Zugabe bereits im Betonwerk möglich oder direkt in den Fahrmischer
- homogene, dreidimensionale Verteilung in der Estrichmatrix
- keine Änderung am Mischungsaufbau
- einfaches Schneiden der Scheinfugen
- Glasfasern rosten nicht
- Verbesserung der Oberflächeneigenschaften
- einfaches Glätten
- Zeit- und Materialersparnis gegenüber anderen Bewehrungssystemen
aus FussbodenTechnik 02/02 (Handwerk)