Bautechnischer Radonschutz

Gasgefährdung aus dem Baugrund

Wer den baulichen Radonschutz in die gleiche Ecke stellt wie die Angst vor Erdstrahlen oder sich kreuzenden Wasseradern, liegt falsch. An Radon-Lungenkrebs sterben in den hoch belasteten Regionen statistisch mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle. Aus den bestehenden gesetzlichen Vorschriften lässt sich sogar eine Pflicht zum baulichen Radonschutz ableiten. Dabei ist gerade der Fußbodenbau gefragt. Dr.-Ing. Wolfgang Horn, Sachverständiger für den "Schutz vor Radon", erklärt, was es mit dem geheimnisvollen Gas auf sich hat.

und ein Viertel der Fläche Deutschlands gilt als hoch Radon-belastet, wobei der Grad der natürlichen Belastung regional sehr unterschiedlich ausfällt: Finden sich in Sachsen und Thüringen stellenweise Radon-Konzentrationen über 500 Kilo-Becquerel pro Kubikmeter in der Bodenluft, liegen die Werte in Niedersachsen und Brandenburg größtenteils unter 10 Kilo-Becquerel. Die höchsten Belastungen treten in waldreichen Mittelgebirgen mit wenig großen Städten auf - darunter der Harz sowie der Bayerische Wald.

Von dem chemisch völlig inaktiven Edelgas geht ein erhebliches Gefahrenpotential aus - vor allem aufgrund seiner radioaktiven Strahlungsintensität. Es gilt als stärkstes natürliches Umweltgift. Etwa 10 % aller Todesfälle durch Lungekrebs werden auf Radon zurückgeführt - demnach sterben jährlich rund 3.800 Deutsche durch Radon-Einfluss. Zum Vergleich: Bei Annahme gleicher Bevölkerungsdichte kommen in den betroffenen Gebieten lediglich rund 1.900 Menschen durch Verkehrunfälle zu Tode. Das Risiko, an Radon-Lungenkrebs zu sterben, ist demnach statistisch doppelt so hoch wie das eines tödlichen Verkehrsunfalls.

Dabei beträgt die Bevölkerungsdichte in Bayern, Sachsen und Thüringen lediglich 176 Einwohnern pro Quadratkilometer - im Bundesgebiet 223 - wodurch die tatsächliche Gefährdung in den stark belasteten Gebieten noch höher einzuschätzen ist. Veränderungen der allgemeinen Wohn- und Lebensweise tragen zu einer weiteren Verschärfung des Krebsrisikos durch Radon bei.

Was ist Radon?

Radon ist ein natürlich vorkommendes, radioaktives Edelgas, das in der Zerfallskette vom Uran zum stabilen Blei entsteht. In der Natur hat es als seltenstes natürliches Element der Welt im allgemeinen keine Bedeutung - zumal es als Edelgas keine chemischen Verbindungen eingeht. Geringe Konzentrationen in der Luft sind daher völlig vernachlässigbar. Im Boden kann sich das extrem schwere Gas allerdings schnell zu hohen Konzentrationen anreichern. Spurenanteile von Uran bzw. Radium in der Erde reichen bereits aus, um extrem hohe Radonkonzentrationen zu verursachen.

Hier beginnt das Problem, denn Radon ist zugleich ein sogenannter Apha-Strahler - entsendet also eine radioaktive Strahlung, die in erhöhter Konzentration Krebs verursachen kann. In den Körper gelangt das Edelgas vor allem durch Einatmen sowie teilweise über das Wasser in der Nahrung. Im Bergbau kennt man Radon-Lungenkrebs schon seit dem Mittelalter als sogenannte "Schneeberger Krankheit" - ohne dass jedoch lange Zeit die genaue Ursache bekannt war.

Welchen Einfluss hat die Bauweise auf die Radonbelastung?

Radon durchdringt sogar Baustoffe wie Beton - so dass Menschen in erdnahen Wohnungen in den stark belasteten Regionen ebenfalls gefährdet sind. Durch Fugen und undichte Keller kann das Gas mit der Bodenluft leicht in die unteren Räume eintreten und sich dort zu gefährlichen Konzentrationen anreichern. Das tückische: Es ist völlig geruchs-, farb- und geschmacklos.

Wirksame Schutzmaßnahmen sind schwierig - ein konventionelles Abdichten schadet mehr als dass es nützt: In belasteten Räumen steigt die Radonkonzentration nämlich mit sinkender Luftwechselrate. Grund: Durch die mangelhafte Frischluftzufuhr kann sich das Gas noch rascher anreichern - zumal es sich durch konventionelle Baustoffe nicht aufhalten lässt. Die immer anspruchsvolleren Wärmeschutzvorgaben und Abdichtungsmaßnahmen sorgen daher für eine zusätzliche Verschärfung des Problems. Hinzu kommt, dass sich die Menschen heute generell häufiger in Innenräumen aufhalten als noch vor 20 Jahren.

Gibt es eine gesetzliche Verpflichtung zum baulichen Radonschutz?

Das Gefährdungspotential natürlicher Radonbelastungen wird mittlerweile auch von staatlicher Seite anerkannt. Die Deutsche Strahlenschutzkommission hat im Jahr 2001 in einem offiziellen Bericht zur Problematik Stellung bezogen (Bundesanzeiger Nr. 35 vom 20.2.2001, Seite 2639). Dort erklärt sie unter anderem eine Begrenzung der Stahleneinwirkung auf die Bevölkerung für erforderlich und zeigt Maßnahmen zur Verringerung der Belastung auf.

Das Bundesumweltministerium hat in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Forschungsarbeiten zur Identifizierung natürlicher Radonvorkommen und zur Entwicklung wirksamer Schutzmaßnahmen in Auftrag gegeben. Gegenwärtig läuft ein umfangreiches Messprogramm von Bund und Ländern. Die bisherigen Studien zur Gesundheitsgefährdung zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Radonbelastung und Lungenkrebsrisiko auf.

Gleichzeitig fordert das Bauordnungsrecht der Bundesländer, dass von baulichen Anlagen keine Gesundheitsgefährdung ausgehen darf. In § 16 der Thüringer Bauordnung vom 3. Juni 1994 heißt es beispielsweise unter der Überschrift "Schädliche Einflüsse": "Bauliche Anlagen müssen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch Wasser, Feuchtigkeit, pflanzliche und tierische Schädlinge sowie andere chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Baugrundstücke müssen für bauliche Anlagen entsprechend geeignet sein." Vergleichbare Vorgaben lassen sich ebenso in den Bauordnungen der anderen Bundesländer finden.

Bauordnungen haben Gesetzeskraft und sind daher auch dann einzuhalten, wenn keine entsprechende DIN-Vorschrift oder vertragliche Vereinbarung vorliegt. Die physikalische und biologische Wirkung von Radon sowie die Schädlichkeit des Gases für den menschlichen Organismus sind eindeutig nachgewiesen. Damit lässt sich aus den Landesbauordnungen durchaus eine gesetzliche Verpflichtung zum baulichen Radonschutz ableiten - zumindest in den hoch belasteten Gebieten Deutschlands.

Wer ist für den baulichen Radonschutz verantwortlich?

Für die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben des Bauordnungsrechts ist der Bauherr verantwortlich bzw. der Architekt als sein Vertreter. Der Architekt muss den Bauherrn gegebenenfalls auf den gesetzlich vorgeschriebenen baulichen Radonschutz hinweisen und diesen entsprechend einplanen. Schließlich hat der Bauherr gegenüber dem Architekten das Recht auf ein mangelfreies Gewerk - ebenso wie ein Käufer gegenüber einem Bauträger.

Während ein privater Bauherr bei seinem eigenen Heim grundsätzlich noch selbst entscheiden kann, ob er radongeschützt bauen oder viel lüften will - was ihn allerdings langfristig bedeutend teuerer kommt - führt insbesondere bei öffentlichen Gebäuden an einem wirksamen Radonschutz kein Weg vorbei: beispielsweise bei Behörden, Schulen, Kindergärten, Jugendclubs, Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Dienstleistungseinrichtungen von Post oder Bahn sowie bei Verkaufsräumen.

Immer vorausgesetzt, die natürliche Radonkonzentration weist am Bauort ein entsprechendes Gefährdungspotential auf. Erste Anhaltspunkte liefert die "Radon-Verdachtskarte", die die besonders belasteten Regionen Deutschlands ausweist - auf Grundlage der Daten von Kemski und Partner im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz mit Stand 2001. Ob die lokale Radonkonzentration im Einzelfall tatsächlich zu entsprechenden Schutzmaßnahmen verpflichtet, lässt sich allerdings nur über eine Messung der Radonbelastung im Boden des Baugrundstücks durch einen entsprechend qualifizierten Sachverständigen ermitteln.

Welche baulichen Schutzmaßnahmen gibt es?

Für einen wirksamen baulichen Radonschutz gibt es kein Patentrezept. Art, Umfang und Wirksamkeit der Maßnahme sind unter anderem abhängig von:

- Höhe der Radonkonzentration im Baugrund und in den verwendeten Baustoffen,
- Nutzung des Gebäudes,
- Luftwechselrate in den Räumen (sehr wichtig),
- Standortsituation,
- Baukonstruktion,
- Einbaubedingungen,
- Bauablauf.

Prinzipiell sind beispielsweise folgende Maßnahmen denkbar:

- Dichtbahn mit Schlossprinzip auf Bodenplatte (bei niedriger Radonkonzentration im Baugrund);
- PE-Dichtbahn auf der Bodenplatte mit nachrüstbarer Drainwirkung (bei hoher Radonkonzentration im Baugrund);
- Dichtbahn auf der Bodenplatte mit Dämmschüttung aus zementgebundenem Polystyrolgranulat sowie Estrich.

Weniger bzw. nur in Ausnahmefällen zu empfehlen sind die Varianten:

- Dichtbahn unter der Bodenplatte - hier kann es zu Problemem bei der Verlegung (Witterungseinflüsse) oder später zu Feuchteschäden am Fußboden kommen;
- gerichtete Durchlüftung, insbesondere bei Aufbau eines geringen Überdrucks - hier können langfristig Feuchteprobleme auftreten.

Eines sollte man Bauherren immer deutlich machen: Bloßes Lüften kann nur eine schlechte Notlösung sein und ist auf Dauer wegen der immensen Heizkosten zudem die teuerste Methode, um einen ausreichenden Radonschutz zu gewährleisten. Aber auch unter den vermeintlichen Top-Lösungen gibt es welche, die nur auf den ersten Blick überzeugen: Dazu zählt unter anderem die Radondrainage unter der Bodenplatte, wenn sie frei durchlüftet ist. Sie ist dann nämlich weitgehend unwirksam und kann außerdem zu Bauschäden führen.

Welche Rolle spielt der Estrich beim Radonschutz?

Der Estrich ist für den baulichen Radonschutz gleich in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung:

- als Radon-Produzent sowie
- für die Radon-Hemmung.

Als mineralisches Bauteil produzieren Estriche ebenfalls Radon und geben es an die Raumluft ab. Das Ausmaß ist von den Zuschlagstoffen, der Fugenzahl, dem Gefüge sowie der Estrichdicke und -dichte abhängig. Der Anteil der Radonabgabe aus dem Estrich fällt im Verhältnis zum Gesamtbeitrag aller verwendeten mineralischen Baustoffe allerdings eher gering aus - ist aber bei der Berechnung der zu erwartenden Radonbelastung zu berücksichtigen.

Gleichzeitig hemmt der Estrich den Radondurchgang aus dem Erdreich. Sein Beitrag zum baulichen Radonschutz ist besonders groß, wenn:

- der Estrich wenig Fugen aufweist,
- kein Pumpeffekt durch Aufschüsselungen entstehen kann,
- ein dichterer Fließestrich vorliegt.

Heizestriche bieten hingegen keine Schutzfunktion gegen Radonbelastungen. Durch Thermodiffusion fördern sie sogar eher den Radoneintritt aus dem Boden. Das heißt nicht, dass man in Regionen mit hoher Radonbelastung keine Heizestriche einbauen darf - man muss allerdings durch zusätzliche Maßnahmen eine ausreichende Radon-Dichtheit gewährleisten.

Was muss der Estrichleger zum Thema Radonschutz beachten?

Da der Radonschutz in der Regel auf der Bodenplatte eingebaut wird, muss der Estrichleger ihn prinzipiell als Vorgewerk übernehmen, was mit entsprechenden Gewährleistungsrisiken verbunden ist - wie beispielsweise auch bei der Bauwerksabdichtung. Gleichzeitig gelten für den Radonschutz sehr hohe Anforderungen, die nicht einfach zu erfüllen sind. Für die Baustellenpraxis empfiehlt es sich daher, dass Feuchte- und Radonschutz, Dämmung und Estrich aus einer Hand ausgeführt werden. Wenn der Estrichleger die Gewährleistung für den Radonschutz übernehmen muss, sollte er auch vom Wertschöpfungspotential dieser Leistung profitieren.

Bautechnischer Radonschutz ist allerdings ein anspruchsvolles Gewerk, das spezielle Fachkenntnisse erfordert. Wer sich hier engagieren will, sollte sich also zuvor intensiv mit der Technologie vertraut machen und bei der Ausführung stets besonders sorgfältig arbeiten. Entsprechende Schulungsangebote der einschlägigen Materialanbieter sind bislang leider selten.

Achtung: Nicht jedes Material, das als radondicht zertifiziert ist, genügt den Baustellenanforderungen. Die Zertifizierungen erfolgen unter Labor- und Kurzzeitbedingungen, die sich nicht ohne weiteres auf die Praxis übertragen lassen. Vorsicht ist vor allem beim Einbau von Radon- und Feuchteschutz unter der Bodenplatte geboten: Schutzmaßnahmen wegen nachstoßender Feuchte auf der Bodenplatte beachten. PEHD-Dichtbahnen ab etwa 5 mm Dicke können zudem leicht Wellen werfen (Gewölbewirkung). Stöße und Überlappungen von stärkeren Dichtbahnen wirken sich hingegen bis in den Estrich aus - hier ist ein Ausgleich mit Schüttungen zu empfehlen.

Wer als Fußbodenfachbetrieb die richtige Ausführung beherrscht, dem bietet der bautechnische Radonschutz eine interessante Zusatzleistung, mit der sich entsprechend sensibilisierten Bauherren ein echter Mehrwert verkaufen lässt. Fachunternehmen in den betroffenen Regionen sollten Architekten daher aktiv auf das Problem aufmerksam machen.
aus FussbodenTechnik 02/02 (Handwerk)