BAM untersucht Emissionen durch Bodenbeläge und EC1-Klebstoffe

VOC-Emissionen aus Fußbodenaufbauten

Für nahezu alle Produkte am Fußboden gibt es heute Emissionsgrenzwerte sowie entsprechende Prüf- und Kennzeichnungssysteme - von Bodenbelägen über Klebstoffe bis zu Spachtelmassen und Grundierungen. Was passiert aber im Zusammenwirken dieser Materialien? Welche Raumluftbelastungen sind von einem Komplettaufbau zu erwarten? Dr. Olaf Wilke von der BAM stellt die Ergebnisse entsprechender Untersuchungen im Auftrag des Umweltbundesamtes vor.

Nahezu alle in Innenräumen eingesetzten Materialien können grundsätzlich unterschiedlichste Substanzen an die Raumluft abgeben. Durch Reaktionen mit den Bestandteilen anderer Materialien oder der Innenraumluft entstehen unter Umständen zudem so genannte Sekundäremissionen.

Da Innenräume einen wesentlichen Teil der Umwelt des Menschen ausmachen, ist die Ermittlung und Vermeidung von Quellen für Raumluftverunreinigungen von großer Bedeutung. Gerade bei Bodenbelägen und Verlegewerkstoffen handelt es sich um Baustoffe, die im Innenraum aufgrund ihrer großen Oberfläche eine wesentliche Emissionsquelle darstellen können.

Im Rahmen des Projektes 'Umwelt- und Gesundheitsqualität komplex aufgebauter Bauprodukte" (UFOPLAN) des Umweltbundesamtes wurden im Teilprojekt 'Untersuchung und Ermittlung emissionsarmer Bodenbelagsklebstoffe und Bodenbeläge" in der BAM Prüfkammermessungen an diesen Materialien durchgeführt. Die Untersuchung auf Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) betraf sowohl Einzelmaterialien als auch Komplettaufbauten aus Estrich, Grundierung, Spachtelmasse, Kleber und Bodenbelag über einen Zeitraum von mindestens 28 Tagen.

Die Untersuchung - Problemstellung und Ziel

Ziel dieses Projektes war es unter anderem, einen Überblick über Art und Menge der Emissionen zu bekommen, um den Stand der Technik einschätzen zu können. Außerdem sollten Erkenntnisse zum Verlauf der Emissionen über einen längeren Zeitraum gewonnen werden, da nur so eine Abschätzung des Langzeit-Emissionsverhaltens möglich ist. Hierbei sind auch besonders schwerer flüchtige Substanzen (SVOC) zu beachten, die bei Prüfkammermessungen einen anderen Konzentrationsverlauf zeigen als übliche VOC (z.B. niedrig siedende Lösungsmittel). Zum einen sind diese Substanzen in der Prüfkammer teilweise erst nach längerer Zeit nachweisbar, zum anderen ist die Erfassung bei der Probenahme/Analyse auch von der eingesetzten Methode abhängig. Die SVOC werden im realen Innenraum wahrscheinlich eher staubgebunden vorkommen - mit Prüfkammermessungen kann aber die Emissionsrate eines Materials bestimmt werden.

Bisher sind nur sehr wenige verlässliche Emissionsdaten für Bodenbeläge und Verlegewerkstoffe veröffentlicht worden. Hinzu kommt, dass durch die ständige Veränderung dieser Produkte - z.B. den Einsatz von anderen Lösungsmitteln oder deren Ersatz - aus älteren Untersuchungen kaum Informationen für aktuelle Materialien abzuleiten sind. Außerdem wird bei vielen Messungen nur ein Ausschnitt aus dem großen Flüchtigkeitsbereich der VOC erfasst oder ausgewertet. Die Prüfung von Einzelmaterialien liefert zwar Aussagen zum Emissionsverhalten und zu den emittierenden Substanzen - die Kombination von mehreren Einzelmaterialien, wie beim Fußbodenaufbau üblich, kann aber ganz andere Emissionen ergeben (zeitlicher Verlauf, Konzentration bzw. Emissionsrate).Die GEV hat für das Emicode-System eine Standardmethode zur Klassifizierung von Verlegewerkstoffen definiert, bei der mit Hilfe von Prüfkammern und durch Einsatz der Tenax/Thermodesorptionsmethode die Emissionen aus Verlegewerkstoffe charakterisiert und verglichen werden können. Diese Methode wurde im wesentlichen auch von der BAM bei den Untersuchungen eingesetzt - wobei allerdings insbesondere die Prüfzeiten, Kammergröße und Beladung verändert wurden.

Emissionen aus Klebstoffen - Die meisten EC1-Produkte halten den GEV-Grenzwert ein

Bei neun sehr emissionsarme Klebern gemäß Emicode EC1 wurden über einen Zeitraum von 28 Tagen unter anderem die Konzentrationsverläufe der VOC-Summen gemessen - Summe aller im Chromatogramm nachgewiesenen Substanzen ( Abb. 1). Nach 24 h fanden sich sehr unterschiedliche Anfangskonzentrationen zwischen 900 und 8000 g/cbm. Sechs Kleber hielten den von der GEV geforderten Grenzwert für eine EC1-Einstufung von 500 g/cbm nach 10 Tagen ein. Nach 28 Tagen lagen die Konzentrationen bei acht Klebern unter 250 g/cbm.

Der für die Untersuchung mit der Nr. 36 gekennzeichnete Kleber scherte mit 1500 g/cbm deutlich über den 10-Tages-Grenzwert für eine EC1-Einstufung aus. Der Grund lag im wesentlichen in einer sehr hohen Essigsäurekonzentration. Auch bei Kleber Nr. 12 (542 g/cbm am 10. Tag) und Kleber Nr. 2 (614 g/cbm am 10. Tag) machte die Essigsäure einen Großteil der Emissionen aus. Essigsäure ist analytisch nicht einfach zu bestimmen. Bei einer Quantifizierung mittels Toluol als Bezugssubstanz wie nach GEV-Methode treten deshalb große Minderbefunde auf.

Beim Vergleich der Werte aus der Einzelprüfung von Kleber Nr. 36 auf einer Glasplatte und der Werte für das System aus Grundierung, Spachtelmasse und Kleber Nr. 36 fiel auf, dass die VOC-/SVOC-Emissionen aus dem System deutlich geringer sind. Dies ist insbesondere auf die Verringerung der Essigsäure zurückzuführen, die anscheinend durch die Spachtelmasse neutralisiert wird. Dafür sind die Konzentrationen an Aceton und Butanol nach 24 Stunden etwas höher.

Emissionen aus Bodenbelägen - PVC-Beläge zeigen höchste Werte, Teppichböden niedrigste

Für die Bestimmung der Konzentrationsverläufe der VOC-Summen von unterschiedlichen Bodenbelägen wurden Teppichböden, PVC-, Linoleum-, Kautschuk- und Polyolefin-Beläge untersucht. Die Bodenbeläge zeigen im Vergleich zu den Klebern im Durchschnitt geringere Anfangskonzentrationen in Verbindung mit einem langsameren Abklingen der Emissionen (Abb. 2). Dies kann auch damit zusammenhängen, dass die Bodenbeläge in den wenigsten Fällen ganz frisch produziert waren. Insgesamt wiesen die PVC-Beläge die höchsten Konzentrationen auf, wobei in einem Fall nach 28 Tagen noch mehr als 1 mg/cbm gefunden wurde. Hierbei machte allein die Hauptsubstanz TXIB 539 g/cbm aus. Hinzu kamen noch alkylierte Benzole (SVOCs) mit 289 g/cbm. Bei den Teppichböden traten insgesamt die geringsten Emissionen unter den untersuchten Bodenbeläge auf.

Untersuchung von Komplettaufbauten - Der Belag dämpft Emissionen aus den unteren Schichten

Für die Untersuchung von Komplettaufbauten wurden zunächst 2 cm dicke Estrichplatten angefertigt, die bei 23 C und 50 % relativer Luftfeuchte mindestens 4 Wochen lagerten, bis sie zum Einsatz kamen. Die Grundierung erfolgte unverdünnt mit einer Auftragsmenge von 100g/qm. Eine Stunde später wurde die Spachtelmasse in etwa 2 mm Schichtdicke aufgegossen. Der Aufbau trocknete über Nacht, bevor der Kleberauftrag mit rund 300 g/qm folgte. Nach einer Ablüftzeit von 15 Minuten wurden schließlich die Bodenbeläge aufgeklebt und anschließend die Emissionszellen aufgesetzt.

Beim Vergleich der VOC-Konzentrationen aus dem Komplettaufbau aus Grundierung, Spachtelmasse, Kleber Nr. 36 und Teppichboden Nr. 1 mit den Einzelergebnissen für Teppichboden Nr. 1 fiel auf, dass die Substanzen, die für den Belag allein nachgewiesen wurden, sich mit fast gleichen Konzentrationen auch im Komplettaufbau fanden. Die übrigen ermittelten Substanzen stammten vom Kleber Nr. 36 - wobei aus dem Komplettaufbau die schwerer flüchtigen VOC Alpha-Terpineol und Phenoxypropanol sowie die SVOC nicht zu finden waren. Das Butanol zeigte nach 24 Stunden nochmals eine Erhöhung im Vergleich zum System Kleber/ Spachtelmasse/ Grundierung. Die Emission von Ethylhexanol war im Gegensatz dazu nach 24 Stunden stark vermindert, erreicht aber nach 28 Tagen denselben Wert wie aus dem Systemaufbau.

Der Vergleich der Emissionen aus den Einzelmaterialien, dem System Kleber/Spachtelmasse/Grundierung und dem Komplettsystem (Abb. 3) ergab folgendes Bild: Der Mischaufbau Kleber/Spachtelmasse/Grundierung weist geringere Emissionen auf, als die Summe der Einzelmaterialien. Die Emissionen aus dem Komplettaufbau mit einem Teppichboden als Deckschicht liegen noch niedriger. Bei den beiden anderen untersuchten Komplettaufbauten mit Linoleum- und PVC-Belägen sind die Emissionen gleichzusetzen mit den alleinigen Emissionen aus den Bodenbelägen. Hier fand also eine vollständige Versiegelung durch die Bodenbeläge statt - auch nach über 200 Tagen konnte im vorliegenden Fall keine Emission aus den unteren Schichten nachgewiesen werden.

Sekundäremissionen - Wechselwirkungen mit anderen Substanzen

Im Rahmen der Untersuchung der EC1-Klebern ließen sich bei zwei Produkten Sekundäremissionen nachweisen. Hierbei handelte es sich um Carbonylverbindungen (Aldehyde, Ketone und organische Säuren). Diese Substanzen wurden teilweise erst nach einer Prüfzeit von mehr als 28 Tagen gefunden. Die Sekundäremissionen traten auch bei einer Versuchsreihe auf, bei der der Kleber mit einem Teppichboden bedeckt wurde. Hier erfolgte die Bildung der Säuren allerdings langsamer.

Die Quelle dieser Sekundäremissionen ist noch nicht geklärt. Eine mögliche Ursache könnte der Einsatz von Tallharzen bzw. Tallölen sein, die ungesättigte Fettsäuren wie Linol- und Ölsäure enthalten. Von diesen Stoffen ist bekannt, dass sie durch Oxidation mit Luftsauerstoff zu einigen der genannten Subtanzen umgesetzt werden. Sie haben teilweise eine sehr niedrige Geruchsschwelle - sind also schon bei geringen Konzentrationen zu riechen und könnten deshalb zu entsprechenden Reklamationen führen.

Fazit - Im System zeitgemäßer Materialien ergaben sich die geringsten Emissionen

Die Emissionsmessungen an den Einzelmaterialien Kleber und Bodenbelag sollten einen Einblick in die möglichen Emissionen (Substanzen und Konzentrationen) und deren zeitlichen Verlauf geben. Es zeigte sich, dass die untersuchten EC1-Kleber die Anforderungen für die EC1-Klassifizierung im wesentlichen einhielten (< 500 g/cbm nach 10 Tagen) - wobei die Anfangskonzentrationen nach 24 Stunden allerdings sehr unterschiedlich ausfielen.Bei den verschiedenen Bodenbelägen ist ein Vergleich der Emissionen aufgrund der geringen Anzahl von Prüfungen pro Typ nur eingeschränkt möglich. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen keine Angaben zum Alter der Bodenbeläge vorlagen. Im Durchschnitt wiesen die PVC-Beläge die höchsten Emissionen auf. Bei den Teppichböden fanden sich die geringsten Konzentrationen - insbesondere nach 28 Tagen.

Die Emissionen aus den Komplettaufbauten wurden durch Sorptionseffekte und durch die unterschiedliche Durchlässigkeit der Bodenbeläge beeinflusst. Die Komplettaufbauten mit Linoleum- und PVC-Belägen emittierten die gleichen Substanzen mit vergleichbaren Emissionsraten wie die Bodenbeläge alleine. Dagegen resultierten die Emissionen aus dem Teppichboden-Komplettaufbau im wesentlichen aus unteren Schichten. Die Emissionen aus allen drei Komplettaufbauten waren geringer als die Summe der Emissionen der Einzelmaterialien.

SVOC & Sekundäremissionen - Es besteht noch Forschungsbedarf

Allerdings konnte aus dem Teppichboden-Komplettaufbau eine Substanz nachgewiesen werden, die bei den Untersuchungen der Einzelmaterialien nicht gefunden wurde.

Andere Substanzen lagen beim Teppichboden-Komplettaufbau in der Anfangsphase der Prüfung in höheren Konzentrationen vor als bei den Einzelmaterialien. Schwerflüchtige Substanzen (SVOC), die aus dem System Kleber/ Spachtelmasse/Grundierung noch emittierten, wurden anscheinend durch den Teppichboden zurückgehalten. Auch nach über 200 Tagen waren sie nicht nachweisbar.

Bei den Versuchsreihen an unterschiedlichen EC1-Fußbodenklebern konnte bei zwei Klebern das Auftreten von sogenannten Sekundäremissionen beobachtet werden. Dabei handelte es sich um Aldehyde und organische Säuren, welche zeitverzögert erst nach der Standardprüfzeit von 28 Tagen auftraten und vielleicht deshalb nur in den beiden Fällen nachgewiesen werden konnten, in denen die Prüfzeit verlängert war. Die Ergebnisse aller Untersuchungen, die im Rahmen des UFOPLAN-Vorhabens durchgeführt wurden, werden voraussichtlich im Herbst 2002 als Forschungsbericht (UBA-Texte) veröffentlicht.

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Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick

EC-1 Kleber:
- Anfangskonzentrationen (24 h) der Emissionen sehr unterschiedlich
- schnelles Abklingen der Emissionen (im Vergleich zu Bodenbelägen)
- die meisten Produkte hielten die Anforderungen für die EC1-Klassifizierung im wesentlichen ein

Bodenbeläge:
- PVC-Beläge zeigten im Durchschnitt die höchsten Emissionen
- Teppichböden zeigten die geringsten Emissionen

Komplettaufbauten:
- Emissionen aus dem Komplettaufbau fallen geringer aus als die Summe der Emissionen der Einzelmaterialien
- Untergrund (z.B. Spachtelung) hat großen Einfluss auf die Emissionen der Kleber in die Raumluft (Sorptionseffekte, Neutralisation)
- Durchlässigkeit der Bodenbeläge hat ebenfalls großen Einfluss auf die Emissionen aus den unteren Schichten

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Begriffsdefinitionen

VOC (volatile organic compound):
- WHO (1989): organische Verbindung mit einem Siedepunkt zwischen 50 - 100 C und 240 - 260 C.
- VdL (2000): organische Verbindung mit einem Siedepunkt von höchstens 250 C bei normalen Druckbedingungen.

TVOC (total volatile organic compounds)
- nach EU-ECA (1996): Summenwert aller im Chromatogramm zwischen n-Hexan und n-Hexadekan liegenden Substanzen (analytisches Fenster), Unterschiede möglich durch substanzspezifische Quantifizierung oder Quantifizierung als Toluol-Äquivalent.

SVOC (semi-volatile organic compound):
- WHO (1989): organische Verbindung mit einem Siedepunkt über 240-260 C.
- DIN ISO 16000-6 (2000): Substanz mit einem Siedepunkt größer als der Siedepunkt des n-Hexadekans (287 C).

VOC-Summe
- BAM-Definition: Summe aller nachgewiesenen Substanzen, Unterschiede möglich durch verschiedene Gerätemethodik.

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Messmethodik und Analytik

- Betrieb der Prüfkammern und Emissionszellen nach ENV-13419
- Klima: Temperatur 23 C 0,3C, relative Luftfeuchtigkeit 50 % 5 %.
- flächenspezifische Luftdurchflussrate q = 1,25 g/cbm (q = n/L, n: Luftwechsel (1/h), L: Belastungsfaktor (qm/cbm))
- Luftprobenahme durch Adsorption an Tenax
- Analyse mittels GC-MS nach Thermodesorption des Tenax
aus FussbodenTechnik 03/02 (Bodenbeläge)