Zusatzmittel für schnelle Belegreife - Anspruch & Wirklichkeit

Trocknungsbeschleuniger bergen viele Fehlerquellen

Nach zwei Tagen belegreif ohne wesentliche Mehrkosten - glaubt man den Herstellerangaben, bieten trocknungsbeschleunigende Zusatzmittel für konventionelle Zementestriche eine ebenso einfache wie kostengünstige Lösung für enge Terminvorgaben. Was können die Produkte wirklich leisten? Halten sie in der Praxis, was die Anbieter versprechen? IBF-Leiter Oliver Erning stellt die Ergebnisse entsprechender Untersuchungen vor.

Das Baugeschehen folgt seit einigen Jahren konsequent dem Trend "immer preiswerter und schneller". Im Fußbodenbau schlägt sich diese Entwicklung in einem zunehmenden Einsatz konventioneller Zementestriche mit Zusatzmitteln nieder, die die Trocknung des Estrichs beschleunigen sollen. Problem: Zu diesen so genannten "Trocknungsbeschleunigern" liegen bislang keine gesicherten Erkenntnisse und Erfahrungen vor. Welche Zeitvorteile lassen sich mit solchen Zusatzmitteln tatsächlich erzielen? Von welchen Bedingungen hängt der mögliche Zeitgewinn ab? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) in Troisdorf in Zusammenarbeit mit der Fachabteilung Baustoffe der Materialforschungs- und Prüfanstalt (MFPA) an der Bauhaus-Universität Weimar sieben handelsübliche Zementestrich-Zusatzmittel mit beschleunigender Wirkung auf ihre Eigenschaften und Baustellentauglichkeit untersucht.

Das Untersuchungsprogramm auf Initiative des BEB-Arbeitskreises "Sachverständige" erfolgte in zwei Versuchsreihen - teilweise parallel in IBF und MFPA Weimar, wobei die Ergebnisse prinzipiell deckungsgleich ausfielen.

Herstellerangaben: Uneinheitlich und nur eingeschränkt praxistauglich

Der erste Blick galt den Herstellerangaben: Was wird versprochen? Die Angaben fielen sehr unterschiedlich aus. Schon der sachgerechte Einsatz der Zusatzmittel war nicht immer klar geregelt: Die Verarbeitungshinweise reichten von einer einfachen Dosierungsvorgabe für das Zusatzmittel bis zur genauen Mischanleitung für den Estrichmörtel - mit Mischungsverhältnis, Dosierung, w/z-Wert (Wasser-/Zement-Verhältnis) und fester Sieblinie.
Die Versprechungen zur Belegreife des Estrichs deckten ein breites Zeitspektrum ab und begannen bei einem Wert von 2 Tagen. Nur ein Hersteller räumte offen ein, dass die Trocknungszeit von der Estrichdicke und den Klimabedingungen abhängt - bei den anderen Produkten waren solche Einschränkungen im "Kleingedruckten" versteckt. Eine frühe Belegreife ist schließlich immer an bestimmte Rahmenbedingungen gebunden. Bei näherer Betrachtung der Produktdaten ließen sich dann auch meistens entsprechende Einschränkungen finden: In der Regel war das Erreichen der versprochenen Belegreife an eine Temperatur von rund 20 C und eine relative Luftfeuchte von etwa 65 % geknüpft.

Diese klimatischen Bedingungen entsprechen dem so genannten "Normalklima" nach DIN 50014-20/65-2, bei dem viele physikalische Kennwerte von Estrichen ermittelt werden - auch "Laborklima" genannt. Das "Baustellenklima", das üblicherweise bei der Herstellung eines Estrichs bzw. vor einer Belagsverlegung herrscht, sieht jedoch in den meisten Fällen ganz anders aus. Für die Praxis sind solche Angaben daher nur eingeschränkt zu gebrauchen.

Frischmörteleigenschaften: Reduzierte Anmachwassermenge - kritischer Luftporengehalt

Um festzustellen, was beim Einsatz von "Trocknungsbeschleunigern" tatsächlich passiert, wurden im Rahmen der eigentlichen Untersuchungsreihe die Frisch- und Festmörteleigenschaften des Estrichs unter Einsatz der sieben Zusatzmittel ermittelt sowie der Austrocknungsverlauf bestimmt - jeweils im Vergleich zu einem Nullmörtel. Die Herstellung der Estrichmörtel erfolgte stets mit einem festen Mischungsverhältnis und einer möglichst gleichmäßigen, über das Ausbreitmaß ermittelten Konsistenz. Die Dosierung der Zusatzmittel orientierte sich an den Herstellerangaben.

Bei der Prüfung der Frischmörteleigenschaften zeigte sich durchgehend eine deutliche Reduzierung des w/z-Wertes im Vergleich zum Nullmörtel - worin sich der Haupteffekt der so genannten "Trocknungsbeschleunigung" andeutet: Die schnellere Trocknung ergibt sich offenbar vor allem aufgrund einer verringerten Anmachwassermenge. Gleichzeitig war bei allen Mörteln mit Zusatzmittel ein erheblicher Luftporeneintrag zu beobachten - der Luftgehalt der Frischmörtel erhöhte sich um etwa 8 %.

Dieser Effekt kann vor allem bei der Ausführung von Heizestrichen problematisch werden: Nach DIN 18560 Teil 2 Abschnitt 6.3.1 dürfen Zusatzmittel für Heizestriche den vorgegebenen Luftporen-Volumenanteil des Mörtels nach DIN EN 196 Teil 1 um maximal 5% erhöhen. Die neue Europäischen Norm für Heizestriche EN 1264 Teil 4 stellt diese Forderung sogar generell - also unabhängig von der Art des Mörtels. Demnach sind die untersuchten Zusatzmittel für Heizestriche ungeeignet. In den Herstellerangaben wird eine Verwendung in Heizestrichen jedoch nicht explizit ausgeschlossen - teilweise sogar empfohlen.

Festmörteleigenschaften: Teilweise drastisch sinkende Festigkeiten

Der hohe Luftporeneintrag hat zudem negativen Einfluss auf die Festmörteleigenschaften: Der reduzierte w/z-Werte müsste normalerweise zu einer Festigkeitssteigerung führen - in der Güte- und Bestätigungsprüfung der Estriche zeigte sich aufgrund des erhöhten Luftporengehalts jedoch teilweise ein deutlicher Festigkeitsabfall.

Das kann bei falscher Dosierung gefährlich werden: In einem Fall sank durch vermutlich minimale Überdosierung im Labor die Biegezugfestigkeit in der Bestätigungsprüfung von 2,6 N/qmm beim Nullmörtel auf 1,8 N/qmm beim Estrich mit Zusatzmittel - und damit unter den für einen ZE 20 geforderten kleinsten Einzelwert von 2,0 N/qmm.

Schon eine leichte Überdosierungen des Zusatzmittels hat also bei einigen Produkten drastische Festigkeitsverluste zur Folge. Dabei ist eine exakte Dosierung auf der Baustelle noch viel schwieriger als im Labor - die Gefahr von Dosierfehlern in der Praxis dementsprechend groß.

Austrocknungsverlauf: Prinzipiell keine Unterschiede zum Nullmörtel

Für die Untersuchung des Austrocknungsverlaufs wurde an 4 cm dicken "Testestrichen" auf weichfedernden Dämmschichten bei Normklima der tatsächliche Feuchteverlust - der Feuchteaustritt über die Oberfläche - sowie der Feuchtegehalt der Proben durch Darren und CM-Methode bestimmt. Beim Vergleich der ermittelten Austrocknungsverläufe ergibt sich ein bemerkenswertes Bild: Die Austrocknungskurven der Estriche mit Zusatzmittel zeigen prinzipiell den gleichen Verlauf wie die Kurven der Nullestriche - der Feuchtegehalt fällt am Anfang steil ab, wobei die Kurve mit fortschreitender Zeit stetig flacher wird und in eine Asymptote übergeht. Sie nähert sich also zunehmend einer Geraden an. Die Austrocknungskurven der Estriche mit Zusatzmittel sind lediglich parallel nach unten verschoben.

Die Trocknungsbeschleunigung durch das Zusatzmittel beruht demnach tatsächlich ausschließlich auf einer Reduzierung der Anmachwassermenge. Die Zementestriche mit Zusatzmittel bringen also praktisch nur einen "Startvorteil" in Form eines von vornherein geringeren Wassergehalts mit und können dementsprechend früher niedrige Restfeuchtewerte erreichen. Im Trocknungsverlauf zeigen sich hingegen keine wesentlichen Unterschiede. Eine chemische Bindung des Wasser konnte ebenfalls nicht beobachtet werden.

Belegreife: Werden die Versprechungen eingehalten?

Wann wird die Belegreife erreicht? Geht man vom üblichen Restfeuchte-Grenzwert für Zementestriche von 2 CM-% bzw. einem Darr-Wert von etwa 3,5 Masse-% (M-%) aus, war der "Testestrich" mit dem Zusatzmittel A tatsächlich schon nach 2 Tagen belegreif - die Estriche mit den Zusatzmitteln C und D erreichten nach 3 Tagen Belegreife, der Estrich mit dem Zusatzmittel B nach 8 Tagen und der Nullmörtel nach 25 Tagen. Diese Ergebnisse bestätigen auf den ersten Blick die versprochenen Eigenschaften - allerdings wurden sie unter Laborbedingungen ermittelt: Normklima, 12 - 13 cm Ausbreitmaß und 4 cm Nenndicke.

Lassen sich diese Ergebnisse ohne weiteres auf die Baustellenpraxis übertragen? Was passiert bei ungünstigen Klimaverhältnissen? Was passiert bei einer weicheren Konsistenz - also bei erhöhtem Wassereinsatz? Was passiert, wenn eine größere Nenndicke erforderlich ist? Die Oberfläche, über die der Estrich austrocknet, bleibt zwar die gleiche - nicht jedoch die Feuchtemenge, die austrocknen muss. Hier ist also mit einer deutlich längeren Wartezeit bis zum Erreichen der Belegreife zu rechnen.

Ausgleichsfeuchte: Nach 28 Tagen noch nicht erreicht

"Belegreif" muss außerdem nicht unbedingt auch "trocken" bedeuten. Ein Estrich gibt so lange Feuchtigkeit ab, bis ein Gleichgewichtszustand mit dem Umgebungsklima erreicht ist - zunächst als Flüssigkeit, später kappilar und zuletzt über Wasserdampfdiffusion. Der Grenzfeuchtegehalt für die Belegreife sollte deshalb nur gering über der Ausgleichsfeuchte des Estrichs bei Wohnraumklima liegen - also dem Gleichgewichtszustand. Nur so lässt sich gewährleisten, dass die im Laufe der Zeit noch austretende Feuchte nicht zu Schäden am Belag führt. Das ist aber nur dann der Fall, wenn der Trocknungszeitraum so groß ist, dass die Feuchte über sekundäre bzw. Randeffekte abgeführt werden kann.

Bei den Estrichen der zweiten Versuchsreihe verdunstete ab Erreichen des Belegreife-Grenzwertes von 2 CM-% bis zum Alter von 28 Tagen noch etwa 1,2 M-% Feuchte über die Estrichoberfläche. Die überprüften Estrichen hatten nach 28 Tagen in Normalklima also noch nicht ihre Ausgleichsfeuchte erreicht. 1,2 M-% entspricht etwa einem Liter Feuchtigkeit pro Quadratmeter, die ab dem Zeitpunkt der vermeintlichen Belegreife noch austrat. Eine solche Feuchtemenge in einem so kurzen Zeitraum ist nach unserer Erfahrung zumindest für feuchteempfindliche Bodenbeläge eindeutig zu hoch. Der Feuchtegrenzwert für die Belegreife sollte für diese Estriche deshalb nach unten korrigiert werden.

Feuchtemessung:Abweichende Messmethoden liefern keine sicheren Ergebnisse

Hinzu kommen Tücken bei der Feuchtemessung: Für Handwerker ist normalerweise die CM-Messung nach den Vorgaben des gewerkübergreifenden Schnittstellenprotokolls für beheizte Fußbodenkonstruktion maßgebend - sowie neuerdings zudem die veränderten Grenzwerte im aktuellen BEB-Merkblatt zum Thema Bodenbelagarbeiten. Die Zusatzmittel-Hersteller propagieren jedoch teilweise ein vereinfachtes Verfahren: die so genannte "1-Minute-Methode". Dabei wird das Prüfgut nur 30 Sekunden (statt 3 Minuten) geschüttelt und der Gasdruck schon nach einer Minute (statt nach 10 Minuten) abgelesen.

Vergleicht man die Untersuchungsergebnisse aus der Darrprüfung des Nullmörtels bei 105 C mit den Werten der CM-Schnittstellenprotokoll-Methode, bestätigt sich der bekannte Korrelationsfaktor von 1,5 M-% zwischen CM- und Darrprüfung im Bereich der Belegreife. Prüft man den Nullmörtel mit der "1-Minute-Methode", liegen die Werte im Vergleich zur üblichen CM-Schnittstellenprotokoll-Prüfung nochmals um 0,8 bis 1,2 M-% niedriger. Bei der "1-Minute-Methode" wird also offenbar nicht der gesamte Feuchtegehalt der Probe ermittelt, sondern nur eine Teilmenge gemessen. Das Ergebnis lässt sich daher nicht mit dem üblichen Belegreife-Grenzwert von 2,0 CM-% vergleichen, der anhand der CM-Schnittstellenprotokoll-Methode festgelegt wurde. Liest man bei der "1-Minute-Methode" das Manometer nach 10 Minuten ab, fallen die Werte deutlich höher aus - erreichen aber dennoch nicht die Ergebnisse der Schnittstellenprotokoll-Methode. Der Grund liegt in dem kürzeren Schütteln der CM-Flasche, wobei das Prüfgut nicht so fein zerkleinert wird. Dadurch ergibt sich ein Fehler in einer Größenordnung um 0,3 M-%. Die "1-Minute-Methode" lässt also ohne einen entsprechenden "Korrekturfaktor" keine Beurteilung der Belegreife anhand üblicher CM-Grenzwerte zu. Ein solcher Korrekturfaktor müsste nach den Untersuchungsergebnissen bei etwa 1 % liegen. Das heißt: Bei einem Estrich, der nach der "1-Minute-Methode" 2 CM-% und damit scheinbar Belegreife aufweist, ist von einer Restfeuchte von 3 CM-% nach der Schnittstellen-Methode auszugehen. Er wäre also nach den geltenden Regeln des Fachs noch zu feucht.

Muss ein Boden-, Parkett- oder Fliesenleger das alles wissen? Um Schäden aufgrund von Unsicherheiten bei der Beurteilung der Belegreife zu vermeiden, sollte einheitlich gemessen werden - also nach dem mit allen Gewerken abgestimmten Schnittstellenprotokoll. Wenn für Estriche mit bestimmten Zusatzmitteln andere Grenzwerte gelten, müssen die Hersteller darauf hinweisen und ihre Angaben ebenfalls an der üblichen CM-Messung oder der Darrmethode orientieren.

Fazit: Viele Unsicherheitsfaktoren

Die überprüften Zusatzmittel reduzieren lediglich das Anmachwasser und tragen zudem Luftporen in den Mörtel ein. Dadurch wird die Trocknung des Estrichs zwar durchaus beschleunigt - die Herstellerangaben zu den erforderlichen Trocknungszeiten orientieren sich allerdings ausschließlich an Laborwerten, die für den Estrichleger auf der Baustelle kaum brauchbare Anhaltspunkte bieten. Besser wäre es, wenn die Hersteller ihre Angaben zur Trocknungsdauer am Baustellenklima orientieren würden. Darüber hinaus soll die Belegreife solcher Zementestriche nach Verfahren bestimmt werden, die von den gewerbeüblichen Methoden abweichen und deren Ergebnisse erhebliche Unsicherheitsfaktoren aufweisen. Auch hier wären realistische Angaben, die sich an der Ausgleichsfeuchte und den üblichen Methoden orientieren, hilfreicher. Nur auf Grundlage praxisnaher Verarbeitungshinweise kann sich der Estrichleger vor teuren Fehlern schützen und seinem Bauherrn einen echten Mehrwert im Sinne einer frühen Belegreife verkaufen. Die untersuchten Zusatzmittel erfüllen diese Anforderungen nur eingeschränkt.
aus FussbodenTechnik 03/02 (Handwerk)