Kommentar: Sven Rutter zum Estrich-Pass

Vergebliches Liebesmühen um den Gewerknachbarn


Nachdem der "Estrich-Pass" im Anschluss an die letzte Gesprächsrunde Fußbodentechnik im Ansatz steckengeblieben ist, will nun die TKB die Ausgestaltung in die Hand nehmen und den Berufsverbänden von Estrich-, Boden- und Parkettlegern in absehbarer Zeit einen konkreten Entwurf vorlegen. Über die wichtigsten Inhalte dieses Informationsblattes, mit dem der Estrichleger den Nachfolgegewerken die wichtigsten Angaben über den verlegten Estrich übermitteln soll, ließ sich auf der diesjährigen Gesprächsrunde immerhin weitgehende Einigkeit erzielen. Wird nun das Gegeneinander der Gewerke auf der Baustelle dank "Estrich-Pass" bald einem Miteinander weichen?

Das Liebesmühen zwischen den "Gewerknachbarn" gestaltet sich schwierig. Ob der "Estrich-Pass" irgendwann wirklich Baustellenpraxis wird, muss angesichts der skeptischen Haltung der Estrichleger weiterhin in Frage gestellt werden - zumal deren Einwände nicht völlig von der Hand zu weisen sind. Die Krux: Je konkreter die Angaben des Estrichlegers ausfallen, umso schneller kann er bei Fehlern in haftungsrechtliche Schwierigkeiten kommen - je allgemeiner seine Angaben bleiben, umso weniger Gebrauchswert haben sie für den nachfolgenden Boden- oder Parkettleger. Denken wir nur an die Angabe von Markennamen wie "Zemendrit" oder "Anhyment" (die gibt es wirklich).

Fraglicher Nutzen für den Estrichleger

Völlig unbeantwortet blieb zudem die von Dr. Thomas Brokamp, Bona-Entwicklungschef, aufgeworfene Frage nach dem Nutzen für den Estrichleger: "Wir müssen auch einmal überlegen, welche Vorteile ein Estrichleger von einem Estrich-Pass haben könnte." Das muss man wirklich - deutlicher formuliert: Warum soll er etwas ausfüllen, was ihm höchstens Schaden könnte?

Weiteres Problem: Da das Ausfüllen des "Estrich-Passes" freiwillig bleiben müsste - schon um den rechtlichen Bedenken der Estrichleger Rechnung zur tragen - würde er wahrscheinlich nur von denjenigen Betrieben genutzt werden, die bereits die Notwendigkeit einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den Nachbargewerken erkannt haben. Diese Handwerker provozieren jedoch keine Schnittstellenprobleme. Hier braucht es also keinen "Estrich-Pass".

Dort, wo das Papier hingegen wirklich helfen könnte - bei den Betrieben, die ausschließlich an ihr Gewerk denken - wird er wohl kaum eingesetzt werden. Hier ist es wie mit vielen Problemlösungen: Wer gewissenhaft arbeitet, braucht sie nicht, und wer schluderig arbeitet, setzt sie nicht ein. Bleibt also nur der Ruf nach einer Zwangsregelung - und die erfordert dann wieder ein entsprechend aufwändiges, rechtlich wasserdichtes Konzept. Das aber wollen die Befürworter des "Estrich-Passes" gerade vermeiden, um die Sache nicht zu kompliziert zu gestalten und damit das Verfahren endlos in die Länge zu strecken - ebenfalls berechtigte Einwände.

Bauherr und Planer dürfen nicht aus der Verantwortung genommen werden

Immerhin ist es schon einmal gelungen, alle Parteien unter einen Hut zu bekommen - bei der von Estrich-, Boden-, Parkett- und Fliesenlegern sowie dem Heizungsbaugewerbe gemeinschaftlich entwickelten Fachinformation "Schnittstellen bei beheizten Fußbodenkonstruktionen" von 1998. Hier konnte man sich auf ebenso sinnvolle wie verbindliche Festlegungen über die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten bei der Erstellung des Gemeinschaftswerks Fußboden einigen - einschließlich Verfahren für eine durchdachte Informationsübermittelung in Form einschlägiger Protokolle.

Ein wesentlicher Grund für die breite Akzeptanz - insbesondere im Estrichgewerbe - liegt in der Berücksichtigung der Planerseite, deren Pflichten der "Estrich-Pass" komplett vernachlässigt. Und das ist eines seiner wesentlichen Mankos: Warum soll der Estrichleger Verantwortlichkeiten wahrnehmen, für die eigentlich der Bauherr bzw. der Planer als sein Vertreter gerade zu stehen hat. Denn der muss nach VOB den gewerkübergreifenden Informationsaustausch koordinieren.

Natürlich sind die Einwände berechtigt, dass die "Schnittstellenkoordination" trotz vielfacher Lobpreisungen von Handwerkerseite auf der Baustelle kaum praktiziert wird - nach dem Motto: Alle finden es toll, aber keiner macht mit. Aber wäre das bei einem "Estrich-Pass" anders? Das Schnittstellenprotokoll Heizestrich scheitert nicht am zugegeben stolzen Preis von 8 EUR, der bei einer Heizestrichkalkulation nun wirklich nicht ins Gewicht fällt. Und es scheitert auch nicht an der Sturheit der Planer, von denen viele für eine solche Hilfestellung sicher dankbar wären, wenn sie ihnen in der Praxis denn von jemandem angeboten würde.

Wo jede Kooperationsbereitschaft fehlt, helfen freiwillige Lösungen nicht weiter

Es scheitert an fehlender Bereitschaft der Fachhandwerker, Verantwortung für das Gesamtgewerk Fußboden zu übernehmen - oder schlicht an mangelndem Interesse für die Belange des "Gewerknachbarn". Und es scheitert natürlich auch - das muss man fairerweise einräumen - am zunehmenden Unwesen der Bauträger, denen häufig nichts so egal ist, wie die Probleme eines Fachhandwerkers. Und da helfen leider auch keine noch so schön gestalteten Formblätter und keine noch so inbrünstigen Appelle.

Fazit: Ohne Zwangsregelung wird man dem Problem des "Krieges zwischen den Gewerken", wie es Dieter Große einst formuliert hat, wohl nicht Herr werden. Grundlage dafür kann aber nur ein Konzept nach Vorbild der Schnittstellenkoordination bzw. des Schnittstellenprotokolls für beheizte Fußbodenkonstruktionen sein, bei dem Planer und Bauherr mit im Boot sitzen - auch wenn der Weg dahin beschwerlicher ausfällt.

Der Vorschlag von Joachim Barth, Bundesinnungsmeister Parkettlegerhandwerk und Bodenlegergewerbe, solche Schnittstellenkoordinationen künftig als obligatorische Nebenleistung in die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) der VOB/C zu schreiben, ist ein wirklich konstruktiver Ansatz, der Beifall verdient hat. Das könnte ein Kurs Richtung Ziel sein und je eher man ihn einschlägt, umso eher ist dort.
aus FussbodenTechnik 04/02 (Handwerk)