Kleiner Fehler - großer Schaden

Blasenbildung durch Feuchtenester

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler könne hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schäden mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um Schäden durch "Feuchtenester" im Estrich.

Die Vorgeschichte: Fließestricheinbau auf Warmwasser-Fußbodenheizung

In einem Büroneubau mit mehreren Großraumbüros war auf einer erdreichangrenzenden Betonsohle ein Fußbodenheizungssystem eingebaut worden. Auf der mit einer Bitumenschweißbahn abgedichteten Betonsohle hatte man eine 80 mm dicke Dämmschicht einschließlich Abdeckung mit Polyethylenfolie aufgebracht. Die Rohrleitungen für die Warmwasser-Fußbodenheizung lagen auf der Dämmschichtabdeckung auf - endsprechend der Heizestrich-Bauart A1 nach DIN 18560.

Vor Beginn der Estricharbeiten erfolgte eine so genannte "Rohrleitungs-Druckprobe" des Fußbodenheizungssystems, das laut Protokoll zu diesem Zeitpunkt dicht war. Anschließend wurde gemäß Leistungsverzeichnis ein Calciumsulfat-Fließestrich in einer Nenndicke von 65 mm aufgebracht - die nach den zu Protokoll gegebenen Angaben auch der mittleren Schichtdicke entsprach. Hinweise oder auch Berechnungen über Mehrdicken des Estrichs gab es jedenfalls nicht. In den langen Fluren und im Bereich der Zimmertüren wurden entsprechend des vorliegenden Fugenplans Bewegungsfugen angeordnet.

Bodenleger reklamiert Messstellen und Heizprotokoll

Als die Verlegung des vorgesehenen Linoleum-Bahnenbelags anstand, meldete der Bodenleger wegen fehlender Heizprotokolle und Messstellen Bedenken an. Daraufhin wurde ihm ein Heizprotokoll zur Verfügung gestellt, aus dem hervorging, dass der Heizestrich etwa ab dem 20. Tag aufgeheizt worden war - beginnend mit einer Vorlauftemperatur von 25 C und einer täglichen Steigerung in Intervallen von 5 C bis zur maximalen Vorlauftemperatur von 50 C. Diese hatte man rund 4 Tage gehalten und dann wieder abgeheizt.

Etwa 14 Tage später ist die Fußbodenheizung dann noch einmal aufgeheizt worden - wieder zunächst mit einer Vorlauftemperatur von 20 C bis zur maximalen Vorlauftemperatur von 50 C, die dann etwa 6 Tage beibehalten wurde, bevor das dreitägige Abheizen begann. Das Protokoll wies damit auf den ersten Blick auf ein kontrolliertes Funktions- und anschließendes Belegreifheizen hin.

Was der Bodenleger allerdings übersah: Nach dem angegebenen Datum war das Auf- und Abheizen des Heizestrichs vor Beginn der Estricharbeiten erfolgt.

Da unmittelbar vor Beginn der Bodenbelagarbeiten immer noch keine Messstellen markiert waren, suchte der Architekt mithilfe der zur Verfügung stehenden Fotografien in Eigenverantwortung geeignete Messstellen in der insgesamt 500 qm großen Fläche. In einem Flur und in einem kleineren Büroraum zeigte er dem Bodenleger jeweils entsprechende Teilflächen von etwa 10 x 10 cm, an denen dann auch die Feuchtigkeitsmessungen durchgeführt wurden. Die protokollierten und vom Architekten bestätigten Prüfungen ergaben jeweils einen Feuchtegehalt von 0,3 CM-% - der Estrich war also offensichtlich ausreichend trocken.

Nach einer entsprechenden Untergrundvorbereitung - anschleifen, grundieren und spachteln - verlegte der Bodenleger im Februar bei günstigen raumklimatischen Bedingungen schließlich die 2,5 mm dicken Linoleumbahnen mit einem Kunstharzdispersionsklebstoff. Die Fußbodenheizung war während der Verlegung abgestellt - das Gebäude aber durch den Einsatz von Bodenheizkonvektoren "überschlägig" beheizt.

Das Schadensbild - Beulen und Blasen im Linoleumbelag

Rund zwei Wochen nach Abschluss der Bodenbelagarbeiten wurde die Fußbodenheizung mit Bezug des Gebäudes wieder in Betrieb genommen. Schon kurze Zeit später traten deutliche Beulen und Blasen im Belag auf - in den Fluren sowie in fünf der insgesamt sieben Büroräume. Sie lagen lediglich punktuell, aber konzentriert sowie teilweise auf eine Fläche von rund 1 m2 vor. Der Auftraggeber rügte diese Ablösungen und man schaltete einen Sachverständigen ein.

Der Sachverständige öffnete in zwei Flächenbereichen mit Beulen und Blasen die Fußbodenkonstruktion und stellte beim Ablösen des Belags einen Kohäsionsbruch in der oberen Estrichzone fest - an der Unterseite des Belags haftete neben dem Klebstoff und der etwa 1,5 bis 2 mm dicken zementären Spachtelmasse in teilweise staubiger, pulverisierter Form auch die obere Randzone des Calciumsulfat-Fließestrichs. Eine Kratzprüfung ergab in diesen Bereichen ebenfalls deutliche Weichzonen bzw. Entkristallisierungen der Estrichoberfläche.

Die Konstruktion wurde in diesen zwei Prüfbereichen nach einer Infrarot-Ortung der Heizungsrohre bis zur Dämmschichtabdeckung aufgestemmt. An beiden Stellen fanden sich überproportionale Estrichdicken von 79 und 90 mm, statt 65mm. Feuchtemessungen mit dem CM-Gerät und der gravimetrischen Methode ergaben hier Restfeuchtewerte zwischen 0,75 und 0,95 CM-% - also eindeutig über dem Belegreife-Grenzwert von 0,3 CM-%. Auch auf anderen Teilflächen mit Beulen ließen sich durch elektronische Feuchtigkeitsmessungen unterhalb des Bodenbelages nahezu Vollnassbereiche in Verbindung mit Entkristallisierungen innerhalb der Estrichoberfläche feststellen.

In Rücksprache mit dem Bodenleger und dem Architekten wurden unter Zuhilfenahme von Farbfotografien und Thermografien die Messstellen für die CM-Messung rekonstruiert. Hier zeigten sich keine massiven Ablösungen und nach großflächiger Aufnahme des Belags auch keine gravierenden Beschädigungen an der Estrichoberfläche. In einer Entfernung von rund 1 m von den alten Probeentnahmestellen wurde dann ebenfalls der Estrich aufgestemmt. Die Estrichdicke betrug hier 66 bzw. 77 mm. Die CM-Messung ergab mit 0,2 bzw. 0,3 CM-% zudem einen ausreichend trockenen Estrich.

Da aber in der Mehrzahl der Räume großflächige Beulen und Blasen vorlagen, entschied man sich schließlich, den gesamten Bodenbelag zu entfernen. Anschließend erfolgten weitere Probeentnahmen für gravimetrische Feuchtemessungen sowie Schichtdickenmessungen. Dabei ergab sich ein schlüssiges Bild: In allen Bereichen mit Beulen fanden sich Estrichdicken zwischen 80 und 90 mm. Der Feuchtigkeitsgehalt lag hier stets zwischen 0,9 und 1,25 Gewichts-%.

Die Ursache - Großflächig verteilte Feuchtenester im Estrich

Die Ursache für die Beulen und Blasen im Belag waren eindeutig die partiellen, aber großflächig verteilen Feuchtigkeitsnester im Estrich. Die Ablösungen traten vor allem deshalb vergleichsweise kurzfristig in Erscheinung, weil ab März/April wieder die Fußbodenheizung lief. Allerdings hätte ein Estrich-Feuchtegehalt von 1,25 Gewichts-% auch ohne Beheizen der Fußbodenkonstruktion längerfristig zu entsprechenden Schäden geführt - zunächst in Form von Entkristallisierungen an der Estrichoberfläche und dann auch durch Beeinträchtigung der nicht feuchteresistenten Verlegewerkstoffe, was noch großflächigere Belagablösungen zur Folge gehabt hätte.

Die Schuldfrage - Estrichleger hat Mehrdicken verschwiegen

Obwohl in diesem Fall der gerichtliche Entscheid noch aussteht, wurde sachverständigenseits unter Berücksichtigung der Fragen des Beweisschlusses folgende Schadensursache aufgeführt: "Nicht angezeigte/bekanntgegebene Überdicken/Feuchtigkeitsnester der eingebauten Calciumsulfat-Fließestrichkonstruktion."

Da die deutlich über die Nenndicke hinausgehende Estrichschichtdicke dem Architekten nicht bekannt gegeben wurde - weder durch eine Bedenkenanmeldung nach DIN 18353 "Estricharbeiten" noch durch eine Mehrdickenabrechnung seitens des Estrichlegers - liegt die Hauptverantwortung für die Fußbodenschäden beim Estrichleger.

Zumal die vorhandenen Mehrdicken für den Bodenleger im Rahmen der CM-Feuchtemessung an den vorgegebenen Stellen nicht erkennbar war. Ohne entsprechende Angaben des Estrichlegers kann der Bodenleger solche Feuchtigkeitsnester messtechnisch nicht ermitteln und daher höchstens per Zufall bei der Probeentnahme für die CM-Messung entdecken. Weitere Prüfpflichten hinsichtlich der Estrichdicke bestehen für Boden-, Parkett- und Flieseneger bzw. Beschichter nicht und sind auch nicht praktikabel.

Bodenleger akzeptierte falsches Heizprotokoll

Als weitere Ursache für die beobachteten Schäden wird gutachterseits ein "nicht der DIN 18365 und insbesondere nicht dem Stand der Technik (z.B. der Fachinformation Schnittsteilenkoordination bei beheizten Fußbodenkonstruktionen) entsprechendes Belegreifheizen der Estrichkonstruktion" angeführt.

Der Bodenleger hat zurecht wegen fehlender Messstellen formell Bedenken angemeldet. Die zwei von der Bauleitung vorgegebenen Stellen reichten aber auch nicht aus - bei einer Fläche von 500 qm sind mindestens 3 Messstellen erforderlich. Der Bodenleger hätte außerdem aufgrund des fehlerhaften Messprotokolls erneut Bedenken anmelden müssen. Das betrifft in erster Linie das unrealistische Datum. Darüber hinaus war das dem Stand der Technik entsprechende mindestens zehntägige Beheizen mit maximaler Vorlauftemperatur ohne Nachtabsenkung nicht erfolgt. Der Estrich hätte also trotz Einhaltung der CM-Grenzwerte nochmals aufgeheizt werden müssen.

Der Schadensfall zeigt, welche Bedeutung eine ordnungsgemäße Feuchtemessung und eine genaue Überprüfung des Heizprotokolls für den Bodenleger bei Heizestrichen haben. Die Hauptverantwortung wird allerdings wohl dem Estrichleger zugesprochen werden, dem damit auch ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden droht - zusätzlich zum nicht berechneten Mehrverbrauch. Für den Estrichbau belegt der Schadensfall, wie wichtig die Durchführung eines fachgerechten Höhennivellements ist - insbesondere bei vorhandenen Dämmschichten, die vom Bauherrn bzw. Heizungsbauer ausgeführt wurden - und wie wichtig eine sorgfältige Ausführung in möglichst gleichmäßiger Schichtdicke gemäß DIN 18560 ist.

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Der Autor:
Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für das Bodenlegergewerbe.

IFF-Fußboden-Gutachter
Helmut Becker
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aus FussbodenTechnik 04/02 (Handwerk)