Vermeintliche Fehler bei Nadelvlies-Belägen

5 Beispiele für überzogene Produkt-Reklamationen

Nadelvlies ist ein Flächenbelag. Angesichts des jährlichen Produktionsvolumens sind Herstellungsfehler nie ganz auszuschließen. Oft werden Produktreklamation jedoch deutlich überzogen. Dipl.-Ing. Alfred Fischer, Sachverständiger und technischer Berater beim Bodenbelags-Anbieter Marka, stellt aus seiner anwendungstechnischen Praxis fünf Beispielfälle für unrealistische Nachlassforderungen vor.

Fall 1: Geruch, den nur der Nutzer roch

Von einer vergleichsweise kleinen, neu verlegten Nadelvliesfläche sollte laut Beschwerde des Nutzers ein "fast unerträglicher Geruch" ausgehen. Dieser konnte beim Ortstermin allerdings weder vom Vertreter des Belagproduzent noch vom Anwendungstechniker des Klebstoffherstellers festgestellt werden. Der Nutzer übergab ein Reststück ohne Klebstoffanhaftung, dass der Belaghersteller im firmeneigenen Labor auf etwaige Geruchsentwicklung prüfte. Das Prüfkollegium kam zu dem Schluss: "geringe materialspezifische Geruchsentwicklung - aber nicht belästigend".

Der Nutzer gab sich damit nicht zufrieden und beauftragte einen Gutachter, der sich ohne genaue Untersuchung seiner Meinung anschloss. Es kam zum zweiten Ortstermin, bei dem die Vertreter des Belagherstellers erneut eine klebstofffreie Probe mitnahmen und diese beim TFI in Aachen zur Prüfung einreichten. Die Ergebnisse des TFI deckten sich weitestgehend mit denen des Herstellerlabors - mit dem Gutachten des externen Prüfinstitutes konnte der Nutzer allerdings plötzlich leben.

Fall 2: Nutzungsart relativierte Reklamationsmöglichkeiten

In einer Tennishalle zeigten sich schon während der Verlegung des Nadelvliesbelags Farbdifferenzen zwischen den Bahnenstößen. Dennoch wurde die Verlegung fortgesetzt und anschließend eine definierte Menge Gummigranulat aufgebracht - was für die vorgesehene Nutzung sowieso nötig war. Danach waren die Farbunterschiede praktisch nicht mehr erkennbar.

Als das Gummigranulat nach Abschluss der Wintersaison zur Reinigung wieder abgesaugt wurde, bemerkte auch der Nutzer die Farbunterschiede und forderte daraufhin einen gewaltigen Nachlass. Beim Ortstermin stellte Herstellervertreter mit Hilfe des großen Graumaßstabes eine Farbdifferenz von 3 fest. Farbunterschiede in dieser Größenordnung berechtigen prinzipiell tatsächlich zu einem mehr oder weniger hohen Nachlass - dieser richtet sich jedoch immer nach dem vorgesehenen Gebrauch.

Da hier bei bestimmungsgemäßer Nutzung eine Gummigranulatauflage nötig war, die die Farbunterschiede überdeckte, lehnte der Hersteller eine technische Reklamation ab und gewährte lediglich aus kaufmännischer Kulanz einen geringen Nachlass - mit dem sich der Nutzer nach Aufklärung über die Zusammenhänge schließlich auch zufrieden gab.

Fall 3: "Sägezähne" lagen innerhalb zulässiger Dickentoleranzen

In einem größeren Objekt beanstandete die Bauleitung nach Verlegung eines neuen Nadelvliesbelags Höhenversätze an den Bahnenstößen. Der Herstellervertreter fand beim Ortstermin durch Prüfungen mittels Fühlerlehre und Tasten tatsächlich "Sägezähne" bis 0,9 mm vor.

In der Fachliteratur werden zum Thema Dickentoleranzen allerdings Höhenversätze bis 1,0 mm und teilweise auch mehr als hinzunehmend bezeichnet (z.B. "Leitfaden über Unzulänglichkeiten bei Neubauten des Bundesministeriums für Raumordnung", AGI-Arbeitsblatt A 20 für Doppelböden, Kommentare zu DIN 66095 und EN 1470 etc.). Nachdem der Bauleitung die entsprechenden Unterlagen zugeleitet worden waren, hatte sich die Beanstandung erledigt.

Fall 4: Unsachgemäße Behebung verstärkte den Mangel

In einem Neubau traten einen Tag nach der Verlegung des neuen Nadelvliesbelags leichte Nahtöffnungen auf. Die Bodenleger versuchten, die Nähte durch "Anklopfen" mit einem Hammer wieder zu schließen. Das führte zwangsläufig zu einem sogenannten "Weißbruch", der die offenen Nähte zusätzlich hervorhob. Der Generalunternehmer beanstandete die auffälligen offenen Nähte und behielt einen großen Teil der Auftragssumme ein.

Ein Vertreter des Belagsherstellers besichtigte die Flächen und fand dabei ein Raumklima von rund 30 % relativer Luftfeuchte und 27 C vor. Er gestand angesichts des zu erwartenden Erscheinungsbildes der Fläche in Verbindung mit der Möblierung und der vorgesehenen Nutzung einen Kulanz-Preisnachlass von 10 % zu.

Damit gab sich der Bodenleger jedoch nicht zufrieden und schaltete einen Gutachter ein. Als dieser zu einem ähnlichen Ergebnis kam wie der Herstellervertreter ging der Bodenleger schließlich vor Gericht. Der vom Gericht bestellte Gutachter kam allerdings zum gleichen Schluss wie sein Vorgänger: Mehr als 10 % Kulanz-Nachlass konnte der ausführende Handwerker nicht verlangen. Den "Weißbruch" hatte er schließlich selbst verursacht.

Fall 5: Farbunterschiede berechtigten nur zu begrenztem Nachlass

In zwei Großraumbüros in einem Neubau waren rund 800 qm Nadelvlies-Bodenbelag vollflächig geklebt worden. Die Bauherrschaft beanstandete an einigen Bahnen Farbabweichungen, weshalb ein Herstellervertreter hinzugezogen wurde. Dieser prüfte die Farbabweichungen mit dem großen Graumaßstab und kam im Einvernehmen mit dem Auftraggeber zu dem Schluss, dass bei den beanstandeten Bahnen tatsächlich eine Farbdifferenz von 3 bis 4 gegenüber der übrigen Fläche vorlag - mit Tendenz zu 4.

Im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung wurde ein Nachlass von 5 % auf den Wert des verlegten Bodenbelags angeboten - was der Bauherrschaft aber zu wenig erschien. Der von Auftraggeberseite bestellte Gutachter kam allerdings zu dem gleichen Ergebnis wie der Herstellervertreter - die Nachforderungen der Bauherrschaft erwiesen sich als unberechtigt. Bei bloßen Farbabweichungen war für den Bauherrn nicht mehr drin.
aus FussbodenTechnik 05/02 (Bodenbeläge)