Ernst Dieckmann zur Diskussion über Fugenbildungen bei Nadelvliesbelägen

"Den Verleger jahrelang zu Unrecht verantwortlich gemacht"

Reklamationen aufgrund von Fugenbildungen im Nahtbereich verklebter Nadelvliesbeläge bildeten eines der Top-Themen der TKB-Gesprächsrunde "Fußbodentechnik" in Frankfurt, auf der unter anderem Scherfestigkeitsanforderungen und entsprechende Prüfmethoden für Nadelvlies-Klebstoffe diskutiert wurden (FussbodenTechnik berichtete ausführlich in Ausgabe 4/2002 S. 6 ff). Die TKB wies einen Mindestwert von 3,5 N/qmm, wie ihn angeblich Klebstoffhersteller Wulff aus Lotte fordere, als unrealistisch zurück. Wulff-Geschäftsführer Ernst Dieckmann, der auf der Veranstaltung nicht anwesend war, schickte uns vor diesem Hintergrund folgenden Leserbrief, in dem er seinen Standpunkt zur Diskussion erläutert.

Nahtschrumpfungen bei verklebten Nadelvlies-Bodenbelägen auf Polyamid-Basis (PA) bereiten zur Zeit der gesamten Bodenbelags- und Klebstoffbranche Kopfzerbrechen. Die grundsätzliche Problematik: Polyamid ist eine Faser, die große Mengen an Feuchtigkeit aufnehmen kann (7,5 %) und dadurch an entsprechend konstruierten Belägen zwangsläufig Maßänderungen in Form von Quellungen und Schrumpfungen hervorruft - wenn der Klebstoff diesen Maßänderungen keine Kraft entgegen setzt.

Zum besseren Verständnis sollte man ein paar Jahre zurückblicken und die über 120 Messungen betrachten, die im Hause Wulff an unterschiedlichen Nadelvliesbelägen durchgeführt wurden.

Fugen in Nadelvlies - eine altbekannte Problematik

Es stimmt nicht, wenn man heute behauptet, dass es früher beim Einsatz lösemittelhaltiger Kunstharz-Klebstoffe keine Probleme mit Schrumpfungen von Nadelvliesbelägen gab. Vor rund 20 Jahren brachte beispielsweise ein Belaghersteller einen hoch abriebfesten polyamidhaltigen Nadelvliesbelag auf den Markt, der sehr stark durchgenadelt war. Dieser Belag wurde vorzugsweise in Tennishallen eingesetzt und musste bei einer ganzen Reihe von Objekten wieder herausgenommen bzw. nachgeklebt werden, weil es sowohl mit Dispersions- als auch mit Kunstharz-Klebstoffen zu Schrumpfungen und Beulenbildungen gekommen war. Nur mit einem hoch lösemittelhaltigen oder gefüllten Neoprene-Klebstoff und einer extrem schweren Walze von 60 - 80 kg ließ sich der Belag auf den Boden bringen.

Das Problem bestand - wie wir heute wissen - nicht allein im hohen Anteil an Polyamidfasern sondern auch in der starken Durchnadelung des Belags. Solche Beläge stehen quasi wie auf Stelzten im Kleberbett. Hinzu kommt, dass es sich bei diesen "Stelzen" um ummantelte Polyamidfasern handelte, die schwer benetzbar sind.

Ein anderer Belaghersteller bot zu diesem Zeitpunkt einen Nadelvliesbelag mit Schaumrücken an, bei dem sich in Tennishallen in Richtung Fenster-/Südseite ebenfalls Fugen von 5 bis 7 mm bildeten. Damals haben wir gerätselt, warum der Belag in wärmebelasteten Bereichen so stark schrumpft. Meistens wurde eine fehlerhafte Verlegung vermutet. Erst Jahre später erkannten wir auf Grundlage des im Hause Wulff entwickelten Prüfwesens, dass der Verleger lange Zeit zu Unrecht für diese Schäden verantwortlich gemacht wurde. Der weiche Schaumrücken hatte dasselbe Manko wie heute ein weicher Klebstoff - beide sind nicht in der Lage, Maßänderungen des Belags abzufangen.

Weiche Dispersionsklebstoffe brachten zusätzliche Probleme

Die Problematik ist also nicht neu - nur hat man selbst nach 20 Jahren immer noch nicht die Zusammenhänge erkannt und entsprechende Konsequenzen gezogen. Nadelvliesbeläge aus Polyamid haben immer Probleme bereitet. Da Verklebungen mit stark lösemittelhaltigen Klebstoffen heute aus ökologischer Sicht nicht mehr denkbar sind, kommen nun allerdings durch Dispersionsklebstoffe weitere Probleme hinzu - vor allem, wenn diese mit einer weichen Kleberfuge ausgestattet sind.

Über 120 Messungen an PA-Nadelvliesbelägen über mehrere Jahre zeigten, dass selbst bei gleichen Artikeln enorme Schwankungen in Sachen Maßstabilität auftreten können - beispielsweise bei unterschiedlichen Farbstellungen und Faser-Optik-Kombinationen. Tendenziell fällt jedoch auf, dass PA-Nadelvlies bei Feuchteaufnahme quillt und bei Wärmebelastung schrumpft. Die Maßänderungen liegen zwischen 5 und 10 mm auf eine 2 m breite Bahn gerechnet - unverklebt geprüft.

Wie soll der Verleger aber prüfen, wo die Ausgleichsfeuchte des zu verklebenden Nadelvlies-Belags liegt? Und wie kann der Bodenleger feststellen, ob ein Artikel aufgrund der vorliegenden Farbstellung ein abweichendes Wachstums- bzw. Schrumpfverhalten aufweist? Da der Handwerker dies alles nicht prüfen kann, bleibt nur eine Möglichkeit: Wenn Nadelvliesbeläge wachsen und schrumpfen, sollte der Klebstoff diesen Maßänderungen ausreichende Kraft entgegen setzen, um sie in Grenzen zu halten.

Was müssen moderne Klebstoffe leisten, um Schäden zu vermeiden?

Können Klebstoffe Maßänderungen abfangen? Wir haben im Rahmen des Wulff-Prüfwesens Methoden entwickelt, um das Verhalten verklebter und unverklebter Beläge unter schwankenden Feuchte-/Temperaturbedingungen korrekt messen zu können. Damit lässt sich feststellen, wie sich ein Belag unverklebt verhält und inwieweit der Klebstoff in der Lage ist, Maßänderungen abzufangen. Durch Befeuchten von oben und unten wird zudem der Einfluss des Wassers aus dem Klebstoff sowie von Feuchtreinigern simuliert. Nach unseren Erfahrungen sollten die Maßänderungen verklebter Beläge unter 0,1 % liegen - das entspricht 1 mm pro Meter. Dann sind in der Praxis keine Schäden zu erwarten.

Ergänzend wird der sogannente Tarkett-Test unter Wärmebelastung von + 50 C durchgeführt. Hier handelt es sich im Prinzip um eine "Einmal-Prüfung": Prüft man die Klebstoffe einmal durch, weiß man im Grunde bereits, ob eine hoch wärmestandfeste sowie scher-/schubfeste Kleberfuge vorliegt oder nicht - entweder die Probklebung hält 50 C stand oder fällt ab. Der Test ist als reine Klebstoffprüfung anzusehen.

Zugscherfestigkeit sollte mindestens 1,5 N/qmm betragen

Um festzustellen, welche messbaren Kräfte erreicht werden, haben wir die Prüfungen um eine Messung der Zugscherfestigkeit des Klebstoffs in Anlehnung an DIN 281 erweitert. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Klebstoff, der den Tarkett-Test bei 50 C bestehen soll, Zugscherfestigkeiten über 1,5 N/qmm aufweisen sollte. In diesem Bereich liegt der Klebstoff Wulff Multi-Coll für Teppichböden, Nadelvlies-, PVC- und CV-Beläge sowie dessen leitfähige Version Wulff Multi-Coll LF für leitfähige Nadelvlies- und Textilbeläge.

Mit Multi-Coll erreichen wir die höchsten Werte: Die Prüfung in Anlehnung an DIN 281 ergibt am dritten Tag über 3 N/qmm. Die leitfähige Version Multi-Coll LF erzielt einen geringeren Wert. Auf mehreren Millionen Quadratmetern wurden mit den Produkten positive Praxiserfahrungen beim Verkleben von Bodenbelägen gemacht. Auch bei Verlegung von PA-Nadelvliesbelägen traten mit Multi-Coll im Objekt in den letzten 8 Jahren keine offenen Nähte auf. Darüber hinaus hat sich der Klebstoff bei der Verlegung von Comfundo-Korkbelägen erfolgreich bewährt - er ist identisch mit dem Comfundo-Einseitenklebstoff.

Aus diesen Erfahrungen lässt sich folgern, dass man mit hohen Zugscherfestigkeiten bei gleichzeitig hohen Schälfestigkeiten - nach unseren Anforderungen mehr als 2 N/qmm nach 24 Stunden - auf der sicheren Seite liegt.

Sollten Beläge weiterhin akklimatisiert werden?

In der Branche muss allerdings noch offen diskutiert werden, ob es überhaupt richtig ist, dass ein Belag in einem Neubau 24 Stunden akklimatisiert wird. Der Belag zieht während dieser Zeit nämlich Feuchtigkeit aus der Spachtelmasse und der Raumluft, die bereits zu einem Belagwachstum von mehreren Millimetern führen kann. Durch das Wasser aus dem Klebstoff wächst der Belag dann noch zusätzlich. Da Klebstoffe einige Tage brauchen, um eine ausreichende Festigkeit aufzubauen, sind vor diesem Hintergrund unter ungünstigen Bedingungen selbst bei hoch scher-/schälfesten Klebstoffen Fugenbildungen möglich.

Die Veröffentlichung dieser Erfahrungen soll helfen, dass sich Fehler nicht wiederholen. Wir sind gern bereit unsere Erfahrungen weiterzugeben, damit Reklamationen durch Fachwissen vermieden werden.

Ernst Dieckmann, Wulff, Lotte

----

Stichwort "Scherfestigkeit von Klebstoffen"

Wie Funktioniert die Prüfung in Anlehnung an DIN 281?

Um Maßänderungen von Bodenbelägen - und Folgeerscheinungen wie Nahtschrumpf oder Stippnahtbildung - wirkungsvoll zu verhindern, sind Klebstoffe mit hoher Scherfestigkeit erforderlich. Zur Ermittlung dieser Festigkeitsgröße - ohne Beeinflussung durch den Belag - bietet sich eine Prüfung betreffender Klebstoffe in Anlehnung an die "Parkettklebstoff-Norm" DIN 281 an.

Dabei wird der Klebstoff zwischen zwei Holzprüfkörpern aufgetragen: Die Prüfkörper werden mit dem Klebstoff gegeneinander geklebt und anschließend in einer Prüfmaschine mit kontrollierter Kraft wieder auseinander gezogen. Der genaue Prüfaufbau:
- Holzprüfkörper: 160 x 23 x 8 mm
- Prüffläche: ca. 600 qmm
- Prüfgeschwindigkeit: 20mm/ Min.
- Klebstoffauftrag: Zahnung B1 / LF B2
- Prüfungszeitpunkt: 3. Tag

So lässt sich ermitteln, welchen Scherkräften ein Klebstoff standhält bzw. welche Kraft er auftretenden Scherbeanspruchungen entgegen setzt. Ein Wert von 1,5 N/qmm bedeutet beispielsweise, dass der Klebstoff dem Belag eine Kraft von 15 kg/qcm entgegen setzt, wenn der Belag schrumpfen will. Dem Fachmann muss klar sein: Höhere Werte bedeuten mehr Sicherheit.
aus FussbodenTechnik 04/02 (Handwerk)