Eingefärbte Estriche: Technologie, Praxishinweise und Ausführungstipps

Wie Estriche zu Bodenbelägen werden

Wie schon einmal lange vor der Verbreitung der heute üblichen Bodenbeläge, kommen Estriche seit einiger Zeit wieder zunehmend als direkt genutzte Fußböden ins Spiel - in der modernen Architektur gelten eingefärbte Estriche inzwischen als zeitgemäßes Gestaltungselement. Welche Materialien kommen hier zum Einsatz? Wie werden sie fachgerecht verarbeitet? Was ist bei der Planung, Ausführung und Nutzung solcher Böden zu beachten? Berufssachverständiger Ingo Niedner gibt interessante Einblicke in diesen ausgefallenen Bereich der Fußbodentechnik.

Earbe war und ist als gestalterisches Element am Bau unverzichtbar - wobei sich allerdings die Trends verändern: Während die Entwicklung am Fußboden in den letzten Jahrzehnten von industriell vorgefertigten Bodenbeläge geprägt wurde, setzt in jüngster Zeit wieder eine Tendenz zum Ursprünglichen ein. Traditionelle Fußböden aus der Zeit vor der textilen und elastischen Massenware wie der naturbelassene Terrazzo und auch farbige Estriche scheinen als architektonisches Element ein Comeback zu erleben - vor allem im Wohnungs-, Verwaltungs- und Gewerbebau. Beide Fußboden-Varianten gelten bei vielen zeitgeist-orientierten Planern inzwischen als Inbegriff für eine moderne Fußbodengestaltung.

Welche Varianten eingefärbter Estriche gibt es?

Für die Herstellung eingefärbter Estriche eignen sich grundsätzlich alle gängigen Estrichmaterialien - auch einfache Anhydrit- und Zementestriche sowie Asphalte und Spachtelmassen. Dabei wird der Estrich durch Pigmente so eingefärbt bzw. komplett durchgefärbt, dass man über die gesamte Fläche eine bestimmte Farbstellung erzielt.

Die älteste und bekannteste Form des eingefärbten Estrichs ist der Terrazzo. Hierbei handelt es sich um einen Zementmörtel mit verschiedenfarbigen, gebrochenen Natursteinzuschlägen - z.B. Marmor, Muschelkalk, Travertin, Kalk, Granit, Quarz, Basalt, Serpentin - die je nach Gestaltungswunsch in unterschiedlichen Körnungen eingebaut werden. Den Abschluss bildet ein mehrfacher Oberflächenschliff. Ein wesentlich häufiger anzutreffender eingefärbter Estrich ist der Magnesiaestrich - in der traditionellen Form als Steinholz oder in der heute dominierenden Variante als mineralischer Industrieestrich. Letzterer wird praktisch immer eingefärbt ausgeführt.

Die im Wohnungs-, Verwaltungs- und Gewerbebau üblichen Zement- und Anhydritestriche - in Form tragender und lastverteilender Platten auf einer Verbund-, Dämm- oder Trennschicht - dienten in den vergangenen Jahren hingegen fast ausschließlich als Untergrund für die Aufnahme von Bodenbelägen. Als direkt genutzter Fußboden sind sie bislang nur sehr selten zu finden - und dann höchstens in Räumen mit untergeordneter Bedeutung wie Keller oder Speicher. Seit kurzem bieten allerdings auch hier immer mehr Industrie- und Handwerksunternehmen unterschiedliche Produkte und Leistungen für die Herstellung und Gestaltung direkt genutzter Estriche an.

Wie werden eingefärbte Estriche hergestellt?

Die Ausführung eingefärbter Estriche erfolgt prinzipiell nach den gleichen Verfahren und Grundregeln wie bei "normalen" Estrichen. Die einzige Besonderheit liegt im Einfärben. Vorsicht: Von den unzähligen Färbemitteln am Markt sind nur wenige für Estriche geeignet - insbesondere für Zementestriche. Dafür muss das Färbemittel einige wichtige Anforderungen erfüllen:
- lichtecht sein,
- eine lange Beständigkeit aufweisen,
- alkalibeständig ausfallen,
- gut färben,
- wasserverträglich sein,
- möglichst lange den einmal gewählten Farbton beibehalten

In der Praxis hat sich der Einsatz von Pigmenten bewährt - vor allem von Eisenoxid-Pigmenten und anorganischen Metalloxid-Pigmenten. Sie sind im Gegensatz zu vielen Farbstoffen - insbesondere organischen Farbstoffen - nicht in Wasser löslich und werden daher als eine Art Zuschlagstoff in das zu färbende Gut eingemischt. Oxidpigmente ermöglichen rote, schwarze, gelbe, braune, grüne, blaue und weiße Einfärbungen.

Was beim Einbau besonders zu beachten?

Der beigemischte Pigmentanteil beträgt in der Regel zwischen 1 % und 5 % bezogen auf das Bindemittel. Dabei ist unbedingt auf ein gleichmäßiges Durchmischen zu achten. Achtung: Je nach Art des verwendeten Zementes und dem Grad der Durchmischung der Pigmente können deutliche Farbschwankungen auftreten. Insbesondere die Auswahl zwischen Weiß- und Grauelementen führt in der Praxis schnell zu deutlichen Farbunterschieden.

Darüber hinaus ist beim Einbau besondere Sorgfalt gefordert. Die Ausbildung von Fugen und Ansätzen in der Estrichfläche sollte beispielsweise immer mit handelsüblichen Fugenprofilen erfolgen. Die Randstreifen im Wand- und Eckbereich sind sehr genau zu verlegen. Außerdem gilt es, jede Form von Verunreinigung durch Schmutz, Zigarettenstummel oder ähnliches zu vermeiden.

Was ist bei der Planung und Gestaltung zu beachten?

Man kann Auftraggeber, die sich für einen eingefärbten Estrich als Nutzboden interessieren, nicht oft genug darauf hinweisen, dass solche Fußböden immer Unikate sind. Es wird nie gelingen, einen solchen Boden zweimal in identischer Einfärbung und Optik herzustellen.

Je nach Verarbeitung und Umgebungsbedingungen kann ein eingefärbter Estrich mal wolkig, mal eher uni ausfallen - über die Fläche leichte Farbdifferenzen zeigen oder ein nahezu einheitliches Oberflächenbild liefern. Das endgültige Aussehen hängt von vielen Faktoren ab - unter anderem Raumklima und Austrocknungsverhalten - die sich nur sehr eingeschränkt kalkulieren und beeinflussen lassen.

Tipp: Im Beratungsgespräch mit dem Bauherrn nie mit Handmustern arbeiten. Besser ist es, eine individuelle Probefläche unter den Bedingungen herzustellen, unter denen der farbige Estrich später auch eingebaut werden soll.

So entsteht zumindest ein halbwegs realistisches Muster, das allerdings dennoch keine absolut getreue Vorschau auf das Endergebnis liefern muss - auch darauf sollte man den Auftraggeber immer ausdrücklich hinweisen.

Wie wird die Oberfläche eingefärbter Estriche geschützt?

Nach Einbau und Trocknen des Estrichs ist der Fußboden allerdings noch lange nicht nutzungsbereit. Wie viele Bodenbeläge brauchen auch eingefärbte Estriche eine Nachbehandlung zum Oberflächenschutz - ebenso wie eine regelmäßige Pflege, um sie dauerhaft schmutzabweisend sowie widerstandsfähig gegenüber Gebrauchseinwirkungen zu erhalten. Als Oberflächenschutz eignen sich verschiedene Nachbehandlungsmaßnahmen:

- imprägnieren,
- fluatieren,
- silikalisieren,
- wachsen,
- ölen.

1. Imprägnierung

Durch eine Imprägnierung der erhärteten Estrichoberfläche mit üblichen Zweikomponentenharzen entsteht ein staubfreier, schmutz- und wasserabweisender Fußboden. Je nach Zusammensetzung des Estrichs können durch die Imprägnierung jedoch deutliche erkennbare Wolkenbildungen - als Hell-Dunkel-Bereiche - oder Farbabweichungen unterschiedlicher Intensität auftreten.

Alternativ lassen sich auch Kunststoffdispersionen als Imprägnierung verwenden, wobei deutlich weniger optische Oberflächenveränderungen zu erwarten sind. Sie verleihen der Estrichoberfläche ebenfalls schmutz- und wasserabweisende Eigenschaften. Bei sachgerechter Verarbeitung fällt außerdem der Pflegeaufwand gering aus - der jedoch auch von Art und Häufigkeit der Beanspruchung abhängt.

2. Fluatieren / Silikalisieren

Bei eingefärbten Zementestrichen kann die Oberfläche auch fluatiert bzw. silikalisiert werden. Fluate sind leicht lösliche Fluorsilikate oder Silikonfluoride auf Basis Magnesium, Zink oder Aluminium (Kieselflusssäuren), die die Oberfläche von Zement- und Betonmörteln durch eine sogenannte "Verkieselung" nachträglich verfestigen und wasserundurchlässig machen.

Voraussetzung für ein optimales Ergebnis ist ein möglichst feinkörniges Material - ebenso wie ein Oberflächenschliff. Je sorgfältiger und feiner der Schliff und je besser die Verdichtung - die letztendlich auch durch den Schliff erfolgt - umso wirkungsvoller fällt die Fluatierung aus. Bei einem fachgerecht feingeschliffenen Terrazzo erhält man durch das Fluatieren eine sehr dichte und beständige Oberfläche.

3. Wachsen

Eine weitere Möglichkeit des Oberflächenschutzes bietet das Wachsen mit geeigneten Hartwachsen, die dann später auch zur regelmäßigen Pflege verwendet werden können. Anschließendes Polieren verleiht dem Boden einen matten Glanz und verbessert neben der Optik auch die wasserabweisende Wirkung des Wachses.

4. Ölen

Beim Ölen wird die Estrichoberfläche bis zur Sättigung getränkt, wofür sich allerdings ausschließlich säurefreie Öle eignen - die dann ebenso zur späteren Pflege eingesetzt werden können. Diese Form der Oberflächenbehandlung ergibt einen fettartigen Film mit guter Wasserabweisung. Das Verfahren verlangt allerdings Erfahrungen und Know-how in Sachen Bodenversiegelung. Darüber hinaus dürfen nur ausdrücklich für diesen Einsatzzweck ausgewiesene Materialien verwendet werden, die genau nach Herstelleranweisung zu verarbeiten sind.

Hinweis am Rande: All diese Arbeitsgänge im Zuge der Oberflächenbehandlung sind grundsätzlich besondere Leistungen, die auch gesondert auszuschreiben und zu berechnen sind.

Achtung: Niemals feuchte Estriche imprägnieren, wachsen oder ölen

Bevor man mit der Oberflächenbehandlung beginnt, muss der Estrich unbedingt ausreichend getrocknet sein - außer beim Fluatieren. Ansonsten kann die weitere Austrocknung zu erheblichen Problemen führen. Beim Trocknen wandert aus dem Estrich nämlich kein reines Wasser sondern eine gesättigte Salzlösung aus. Und Salze sind im Regelfall weiß. Das Wasser der Salzlösung wird zwar im Laufe der Zeit auch durch eine 2-K-Imprägnierung bzw. durch die aufgebrachte Öl-, Wachs- oder Fettschicht hindurchdiffundieren und verdampfen - die ausgefallenen kristallinen Salze bleiben allerdings auf der Oberfläche zurück, wo sie unter der Imprägnierung hässliche weiße Flecken bilden.

Solche Flecken können je nach Einfärbung des Estrichs eine erhebliche Beeinträchtigung des Oberflächenbildes darstellen und lassen sich auch nicht mehr entfernen. Die Reklamation ist also vorprogrammiert. Dann hilft oft nur noch ein Schleifen der kompletten Fläche, was allerdings wiederum zu einem völlig neuen Oberflächenbild führt, das gegebenenfalls ebenfalls nicht den Gefallen des Kunden findet.

Stückweises Schleifen hat ebenfalls fast immer eine nicht mehr vertretbare Flächenoptik zur Folge. Gleiches gilt auch für sonstige Ausbesserungsarbeiten - beispielsweise stellenweises Auf- bzw. nachträgliches Anspachteln. Eingefärbte Estriche sollten also grundsätzlich besonders sorgfältig ausgeführt und behandelt werden, so dass keine Nacharbeiten mehr nötig sind. Ansonsten wird es zwangsläufig Probleme geben.

Fazit: Ebenso interessante wie anspruchsvolle Fußbodenvariante

Ein farbiger Estrich stellt nicht nur optisch eine sehr interessante Form der Bodenausstattung dar - er kann auch für ausführende Handwerksunternehmen eine interessante Lösung bieten, sich als Fachbetrieb zu profilieren und eine hohe Wertschöpfung zu erzielen. Das setzt allerdings eine entsprechend hochwertige handwerkliche Ausführung voraus - ansonsten kehrt sich das Ganze schnell ins Gegenteil. Wer sich einbildet, mit farbigen Estrichen Massenprodukte anbieten zu können, unterliegt einem großen Irrtum.

Das gilt auch für Kunden, die meinen, mit einem farbigen Estrich eine besonders billige Variante der Fußbodenausstattung zu erhalten, weil sie schließlich den Oberbelag sparen. Ein farbiger Estrich in ordentlicher Ausführungsqualität wird meistens deutlich teuerer sein als ein "naturbelassener" Estrich mit einem marktüblichen Oberbelag.

Um Steitigkeiten von vornherein zu vermeiden, sollte man den Auftraggeber immer von vornherein auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen: Ein farbiger Estrich ist ein handwerklicher Boden und daher in keiner Hinsicht mit industriell gefertigten Bodenbelägen zu vergleichen - und er ist ein anspruchsvoller Boden, der einen entsprechenden Preis hat. Kunden, die unter diesen Aspekten zu Kompromissen bereit sind, erhalten dafür die Möglichkeit einer ebenso ausgefallenen wie zeitgemäßen Form der Fußbodengestaltung.

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Der Autor: Ingo Niedner ist Diplom-Chemiker sowie von der IHK Aschaffenburg öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kunstharztechnologie auf Fußböden. Er leitet das Sachverständigen- und Beratungsbüro für Fußbodenbeläge und Beschichtungen in Alzenau. Darüber hinaus engagiert er sich als Obmann des Arbeitskreises "Kunstharz" im Bundesverband Estrich und Belag.
aus FussbodenTechnik 06/02 (Handwerk)