Provenienz-Namen im Wandel

Aus Orientteppich-Provenienzen werden Gattungen

In dem Begriff Provenienz verbergen sich die beiden lateinischen Silben pro = hervor (räumlich) und venire = kommen. Doch ein bereits seit Jahren anhaltender Prozess zeigt, dass wir uns im Bereich der Orientteppichbezeichnungen von der ursprünglichen Bedeutung dieses Wortes mittlerweile entfernt haben. Marktgängige Dessins und Farben werden schon seit Jahren zusätzlich auch weit entfernt von ihren Ursprungsregionen geknüpft. So wird der bisherige Begriff "Orientteppich-Provenienz" mit seinem Sinngehalt einer genau definierten Lokalisierung zusehends umfunktioniert in eine Art Typisierung und damit zum geographisch unabhängigen Gattungsnamen, der nur noch Dessin und Farbe bestimmt - einerlei wo das Stück geknüpft wurde.

Zahlreiche Produktnamen verweisen traditionell auf die Herkunft, auf ihre Provenienz, und damit auf ihren geographischen Ursprung, auch wenn sie zwischenzeitlich in ganz anderen Regionen produziert werden. Wir erkennen das in Beispielen wie dem süffigen Pils (ursprünglich der tschechischen Stadt Pilsen vorbehalten), Sherry aus der spanischen Stadt Jerez de la Frontera, Florentiner Tüll, Brüsseler Spitzen, Muranoglass, Kaolin (aus dem Chinesischen für Weiße Erde, der Grundstoff des Porzellans), Denim-Stoffe für Jeans (ein Verballhornung des Französischen de Nîmes) und natürlich Perserteppiche, die noch im 19. Jahrhundert wegen der osmanischen Dominanz ausschließlich als Türkenteppiche gehandelt wurden. Diese Aufzählung ließ sich beliebig fortsetzen.

Um die Herkunft einer Ware zu umreißen, spricht man also nicht nur bei Orientteppichen von ihrer Provenienz. Auch andere Branchen, wie beispielsweise der Wein- und Tabakhandel, Tee- und Kaffeeimporteure kennen dieses Fremdwort, um ihre Produkte zu lokalisieren und damit zweifelsfrei zu bestimmen. Aber auch hier ist der Name nicht unbedingt gleichzusetzen mit der tatsächlichen Herkunft. Mokka beispielsweise, ein Ort im Jemen, kommt schon längst nicht mehr von dort.

Zwar ist eine Provenienz eigentlich an ein genau definiertes Territorium gebunden, wie Herstellungsorte, Hauptstapelplätze, Länder, Provinzen, Regionen und Landstriche, ja sogar Fluren wie beim Wein. Doch bei Orientteppichen erfolgt die Zuweisung der Herkunft in erweiterter Bestimmung, den bekanntlich tragen sie auch die Namen knüpfender Volksstämme, stehen für Musteraussagen, sind Traditonsnamen, Sammelbegriffe, Fundortbezeichnungen und Manufaktur-Namen. Andere beziehen sich auf den Verwendungszweck, die Machart-, Format- und Qualitätsbezeichnungen und können auch Kombinationen aus all diesen Begriffen wiedergeben. Der Begriff Orientteppich-Provenienz ist also ein weit ausladender Schirm, der den eigentlich bindenden Territorialcharakter bereits großzügig ausdehnt.

Neue Provenienz-Namen

Zu den bekannten Traditionsnamen kommen neuerdings immer mehr Wortschöpfungen, Phantasienamen und Trademarks hinzu, die nur selten einen Hinweis auf die Teppichherkunft beinhalten oder sogar in falsche Richtungen weisen. Wie zum Beispiel bei der von Jefremowitch geschaffenen Teppichmarke Azeri, die dem Namen nach aus Aserbeidjan stammen müsste, jedoch in der Türkei geknüpft wird.

Diese Teppiche läuteten vor gut zehn Jahren die Runde der Trademarks ein. Zwar ließ sich der New Yorker Importeur den Begriff Azeri schützen, was aber schon bald darauf, als diese Knüpfungen die Verbraucher begeisterten, zu Nachahmungen führte. Markenrechtliche Auseinandersetzungen waren die unweigerliche Folge. Ob berechtigt oder nicht - inzwischen findet der Begriff Azeri handelsweit für vergleichbare Knüpfungen dieses Dessincharakters Verwendung. Manchmal abgewandelt als Azarie. Auch die Vereinigung "Consulat des Teppichs" ließ sich viele, zum Teil auf Hali (Türkisch: Knüpfteppich) endende Eigennamen markenrechtlich schützen und wacht streng darüber, dass nur seine Produktion und nur von ihm berechtigte Anbieter diese (Provenienz)bezeichnungen führen und nutzen dürfen.

Bei den Neuen handelt es sich um Provenienz-Namen, die oft noch gar nicht im Markt verfestigt sind. Viele stammen aus den afghanischen Flüchtlingslägern Nord-Pakistans, wo Teppiche überwiegend nach Vorgaben der Auftraggeber geknüpft wurden. Die bestimmen dann auch meist, wie der Teppich zu heissen hat. Im Handel tauchen sie dann als Ghasni, Maltebaff, Pandjabi, Tschap(pa)baff, Tschitschin, Tschubi oder als Siegla-Teppiche - richtig wäre Ziegler-Teppiche - und so weiter auf. Bis auf Pandjabi, dem traditionellen Namen eines Teils Pakistans, lassen auch diese Namen keinen Rückschluss auf die Herkunft zu, und sind daher im Sinne des Wortes eigentlich keine Provenienzbezeichnungen.

Im Gegenteil, denn Namen wie Tschitschin, der zurückgeht auf die bekannte, kaukasische Provenienz Tschitschi, verwirren eher. Allerdings sind Provenienzbezeichnungen wie Kasak oder Schirwan für in Nord-Pakistan oder Afghanistan erschaffene Teppiche eine klare Falschaussage, denn diese Zuweisungen müssen den aus dem Kaukasus stammenden Knüpfungen vorbehalten bleiben.

Trotz speziell im Ursprungsland Iran festzustellenden Abnehmens der herkömmlichen Provenienzvielfalt, werden wir es künftig dennoch verstärkt mit neuen Wortschöpfungen zu tun haben, die die traditionellen Provenienznamen voraussichtlich immer mehr ersetzen werden.

Dies ist beispielsweise der Fall beim "Nachfolger" des heutigen Gabbehs (übrigens auch eine Provenienzbezeichnung, die verlagert wurde, denn ursprünglich war der Gabbeh eine ganz andere, eigenständige Proveneinz aus dem Farsgebiet Süd-Persiens), der unter dem neuen Kunstnamen Risbaff, zu Deutsch Feinknüpfung, sowie als Loribaff und Chamsehbaff vermarktet wird. Er trägt seinen Namen nach dem südwest-persischen Volksstamm der Luren, beziehungsweise der Stammesföderation der Chamseh, die zwar Taufpaten dieses schönen Produkts sind, doch nur ein geringer Teil wird auch von selbigen geknüpft.

Da Feinknüpfungen überall entstehen können, läßt die Bezeichnung Risbaff genaugenommen überhaupt keinen Rückschluss eines Woher zu. In Goutschan wiederum wurden neue Dessins entwickelt, die inzwischen mit der Zusatzbezeichnung Nobaff (sinngemäss: Neuknüpfung) angeboten werden. Doch eine Neuknüpfung kann nun wirklich aus allen möglichen Knüpfgegenden kommen. Man sollte sie deshalb korrekterweise dann "Ghoutschan-Nobaff" nennen. So wüßte jeder, daß sie aus dem nordost-iranischen Kurden-Gebiet stammt.

Es gibt auch Wortschöpfungen, die seit langem fester Sprachgebrauch sind, und von denen jeder weiss, welche Weltgegenden mit ihnen verbunden sind. Schliesslich ist der Handel darauf angewiesen, klangvolle Namen für die Vermarktung zu finden. Die geläufigsten geben wir hier wieder:

Berber
Obwohl wir nur eine geringe Anzahl Teppiche den Händen fleißiger Berberfrauen verdanken, hat sich diese Provenienzbezeichnung eingebürgert. Sie ist jedoch eine reine Erfindung und geht wohl auf Franz Oehler zurück, der seinerzeit die Produktion dieser naturwollfarbenen Teppiche in Algerien förderte und sie später nach Marokko verlagerte.

Mit diesem klangvollen Namen lagen die Marktstrategen absolut richtig, denn der Berber-Teppich, der mit den Berbervölkern Nordafrikas fast nichts zu tun hat, ist inzwischen der bekannteste aller Knüpfteppiche. In Marokko selbst wird zusätzlich allerdings zwischen etlichen nordafrikanischen Provenienzen unterschieden. Marmoucha und Chichauoua sind darunter einigen auch hier bekannt.
Cabistan
Eigenartigerweise ist Cabistan hin und wieder ganz offiziell auf Provenienz-Landkarten verzeichnet. In der Kaukasus-Region existiert aber gar kein Ort dieses Namens. Als echte Fata Morgana ist er wahrscheinlich eine pfiffige Wortschöpfung New Yorker Teppichhändler, denen die Bezeichnung Kuba für eine kaukasische Provenienz aus der heutigen Republik Aserbeidjan nicht ins Vermarktungskonzept passte.

Anzunehmen ist, dass er ihnen wohl zu viel Assoziation zur karibischen Zuckerinsel gleichen Namens schaffte. So erfanden sie ganz einfach das sehr orientalisch klingende Cabistan. Der Name dürfte in den zwanziger-dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden sein, als die Sowjet-Kommunisten aus Devisenmangel große Mengen kaukasischer Teppiche in die USA verkauften.

Lawer
Obwohl überall unter diesem Namen Kirmans angeboten werden, gibt es den Lawer eigentlich gar nicht. Es ist kein solcher Ort bekannt. Lawer ist sehr wahrscheinlich eine Verballhornung des Französischen, der damals dominierenden Handelssprache im Vorderen Orient. Der Name Lawer entstand demnach aus der phonetischen Zusammenführung von Kirman-Ravar (Raver) und dem Französischen Kirman-lavé (gewaschen).

Die Erklärung weist somit auf den internationalen Teppichhandel hin, der schon immer Teppiche mittels Spezialwäschen veredelte und bis Mitte der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts seine Geschäfte über Istanbul auf Französisch abwickelte.

Anzunehmen ist, dass der Import-Grosshandel aus Marketingerwägungen immer mehr Eigennamen kreieren und sich beim Patentamt in München warenrechtlich schützen lassen wird. Ein Versuch, sich den Namen Gabbeh markenrechtlich schützen zu lassen, musste, obwohl anfangs in München eingetragen, im Nachhinein glücklicherweise wieder gelöscht werden.

Musterverschleppung

Die Bestimmung einer Provenienz wird dann besonders schwierig, wenn ein Dessin in anderen Teppichen als in seiner Ursprungsregion auftaucht. Durch die zunehmend verbesserte Logistik im Orient und das Internet, das weltweit schnellste Farbübertragungen ermöglicht, ist das Knüpfen ortsfremder Dessins an weit entfernten Plätzen mittlerweile nichts Ungewöhnliches. Wenn sich Farben und Dessins dann als marktfähig erweisen, werden bald schon entsprechend mehr Knüpfstühle belegt. Unter Umständen geht dass dann sogar so weit, das andere mit auf den Zug springen, so dass wir plötzlich die Kopie von der Kopie im Sortiment vorfinden.

Festzustellen beispielsweise beim Nain, der seit einigen Jahren auch in China imitiert wird. Verursacher sind unter anderem die US-Importeure, die wegen des zwar inzwischen aufgehobenen US-Importembargos iranischer Produkte nach Ausweichmöglichkeiten suchten und Knüpfaufträge für persische Dessins nach Pakistan und China vergaben. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass sich die europäische Industrie bei abgepassten Teppichen überwiegend morgenländischer Dessin bedient und diese auch gern orientalisch Provenienz-Namen verleiht.

In der Kunstgeschichte haben sich die verschiedenen Strömungen seit alters her gegenseitig befruchtet. Leider wurden dabei den Schöpferischen hin und wieder ihre Kreationen stibitzt. Milde sprechen wir dann von Musterverschleppung oder noch freundlicher von Mustertransfer, der sicher nicht gleich streng zu werten ist, wie Kreations- oder Markendiebstahl.

Gerade im Orientteppichbereich ist das Nachknüpfen von Mustern anderer Provenienzen ein alter Hut, ebenfalls das Auslagern von Produktionen in andere Gegenden oder gar entfernte Länder. Beispielsweise liess der persisch-armenische Teppichexporteur Taftanschian im der ersten Viertel des 20. Jahrhunderts "Amerikanische"-Saroughs in Indien produzieren, während die OCM ihre Musterpatronen anfänglich im Sarough-Arak-Gebiet zeichnen liess, die Produktion aber auch in Indien betrieb. Und die gesamte Musterpalette der pakistanischen Bucharas beruht auf den inzwischen weiterentwickleten Dessintraditionen der weit entfernt in Mittelasien lebenden Turkmenen.

Seit nun gut dreissig Jahren verstärkt sich zusehends der Trend, Dessins auch in anderen Regionen als in ihrem Ursprungsgebiet knüpfen zu lassen. Außer in ihrer Heimat werden mittlerweile viele Orientteppich-Muster zusätzlich in anderen Landesgegenden und in weit entfernten, auch ausländischen Produktionszentren nachgeknüpft.

Insbesondere Persermuster sind Grundlage vieler Knüpfteppiche aus Indien, China und früher auch des Balkans. Anfänglich fast fadengetreu, münden sie später dann auch in eigene Entwürfe ein, wie wir bei den indischen Knüpfungen mit persischem Duktus beobachten können.

Nur der Fachmann kann sie an ihrem Bild unterscheiden - und wenn das zu ebenbürtig ausfällt, muß er schon sehr genau hinsehen und zur Lokalisierung die handwerkliche Verarbeitung, sowie die verwendeten Knüpfmaterialien unter die Lupe nehmen. Die Vermarktung findet allerdings nach wie vor unter dem Namen der Urprovenienz statt wie beispielsweise Indo-Bidjar, Indo-Gabbeh, China-Hereke oder Pakistan-Buchara.

Doch jede noch so gut gefertigte Kopie wird kaum jemals die Ausstrahlung und Akzeptanz eines Originals und damit auch nicht dessen Wertigkeit erreichen. Es genügt eben nicht, nur die Optik handwerklich sauber zu imitieren, die Seele muss auch mit implantiert werden. Es ist sehr schwer zu erklären, warum der Betrachter das Original der Imitation vorzieht, zumindest wenn beide nebeneinander liegen.

Zwar ist der Unterschied manchmal augenfällig, aber oftmals nicht mehr. Die Erklärung liegt wohl in der Volkskunst, aus der sich alle Orientteppiche ursprünglich entfalteten. Die sich im Teppich mit ausdrückenden Empfindungen der Kunsthandwerker - auch wenn sie im Leistungslohn stehen - sind scheinbar nicht mit transferierbar.

Hinzu kommt natürlich, dass es bei näherer Betrachtung auch für den Laien sichtbare Unterscheidungsmerkmale gibt. Nehmen wir beispielsweise das Material eines in China geknüpften Nain-Dessins. Seine Florwolle ist sehr viel weicher als die persische. Das gleiche Merkmal haben die in China geknüpften Seiden-Herekes, deren Florseide auffallend samtiger ist als die sich bürstiger anfühlende des türkischen Originals.

Oftmals ist auch die Handwerkstechnik unterschiedlich gegenüber der Ursprungsprovenienz. Versierte Fachleute können das zielsicher herausfinden. Auch wenn der Duktus erhalten bleibt, so gibt es in vielen Musterdetails erkennbare Abwandlungen. Sie sind zwar bisweilen gering, aber bei genauem Hinschauen schnell auszumachen. Wenn wir beim Beispiel China-Nain bleiben, so erkennen wir hier recht deutlich, dass die Musterkonturen nicht dem Original-Nain entsprechen. Außerdem sind chinesische Perser-Knüpfungen genaugenommen zu exakt, ihnen fehlt gewissermaß der Charme des Originals. Doch das interessiert nur Fachleute, dem Verbraucher ist das überwiegend egal.

Soweit der Ursprung vom Namen her fremdländisch ist, müssen Orientteppiche im EU-weiten Einzelhandel einen unmissverständlcihen Ursprungsvermerk aufweisen. Gemeint ist damit das Ursprungsland in seinen heutigen Grenzen. Ein in den Flüchtlingslägern Nord-Pakistans geknüpfter Afghan-Teppich ist demnach handelspolitisch ohne Wenn und Aber ein Produkt pakistanischen Ursprungs. Ethnologisch bleibt er allerdings ein Afghan-Teppich, was aber auf dem Auszeichnungsetikett im Sinne des Gesetzes belanglos bleibt.

Bei indischen Teppichen mit nichtindischen Dessins ist deshalb der Zusatz "Indo-" üblich und durch die intensive Werbung und Verkaufsberatungen inzwischen für Jedermann geläufig. Für China-Teppiche mit Fremdmustern findet man auch die Bezeichnung Sino-(Kirman). Nur wenn ein Kaschmir-Teppich aus dem indischen Teil Kaschmirs stammt, kann auf die Zusatzbezeichnung Indo verzichtet werden.

Mit dieser Entwicklung, die auch im Inland in Persien verstärkt um sich greift, wird der ursprüngliche Provenienzbegriff künftig auch dort immer mehr verwässern. Es steht zu erwarten, dass die Provenienz in Zukunft nur noch Teppichgattungsname sein wird. Dies ist bereits heute bei umsatzstarken, Perser-Provenienzen der Fall.

Bidjar
Die grosse Nachfrage nach dieser Provenienz lässt sich aus dem kleinen Ort Bidjar und seinem näheren Umland und dem angrenzenden Garrus-Gebiet gar nicht befriedigen. Bidjar-Teppiche kommen in ständig steigender Zahl zusätzlich auch aus dem entfernteren Umkreis. Unter anderem aus den Orten Bukan, Saffarabad, Saqqes und Tekab, ja sogar aus dem nördlich gelegenen Sandjan, Provinz Süd-Aserbeidjan. Alle mit Persischem Knoten, während der "Ur-Bidjar", der eigentlich Halva-i-Bidjar und Garrus hieß einst von Kurden mit dem Türkischen Knoten geknüpft wurde.

Ghoum
Seine Muster wurden schon in den siebziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts im süd-persischen Schahreza nachgeknüpft, allerdings in einer gröberen Einstellung als das Original und nicht ganz so elegant. Vermarktet werden sie in Deutschland allerdings immer als Ghoum.

Feinste Seidenteppiche werden seit bald zehn Jahren zusätzlich in der nordwest-iranschen Provinz Süd-Aserbeidjan, insbesondere im Ort Marageh und Umgebung gefertigt. Im Unterschied zu den Originalen sind die Nachknüpfungen mit dem dort beheimateten Türkischen Knoten geknüpft und haben durchweg einen Baumwollschuss. Die Vermarktung erfolgt jedoch ausschliesslich und zum Leidwesen der in der Stadt Ghoum beheimateten Manufakturen unter der eigentlich unrichtigen Provenienz-Bezeichnung Ghoum.

Keschan
Ausser den hellgrundigen Dessins kommen aus Keschan selbst nur noch hochwertigere Knüpfungen. Die anderen Qualitäten mit dem provenienztypischen Medaillonmuster werden geknüpft in Ardekan und Ardestan; die niedrigste Konsumqualität im weit entfernten Yasd und vielen anderen, kleinen Orten ausserhalb des traditionellen Keschan-Gebietes.

Nain
Die verkaufsstarken, zweifarbigen Blau-Beige-Dessins werden ausser in Nain und Umgebung mittlerweile landesweit im Iran geknüpft. Besonders zu erwähnen sind die Produktionen aus Bardaskan, Kaschmar, Nischapour, Sabsewar und Tabas. Weit abgelegen im Chorassan, tragen sie dennoch den Namen Nain und sind als Feinknüpfungen von den Originalen nicht mehr oder nur marginal zu unterscheiden.

Ob die Provenienzbezeichnung nun zu recht oder zu unrecht besteht, hat die Fachwelt längst entscheiden: Soweit die Qualität stimmt, will sie keine Differenzierung. Bei Billigqualitäten sollte zur Klarstellung zumindest aber ein Zusatz ausgelobt werden wie beispielsweise Tabas-Nain, Kaschmar-Nain und so weiter.

Täbris
Knüpfungen mit dem beliebten Herati-/Mahi-to-hos-Muster kommen nur als hochwertige Qualitäten wirklich aus Täbris und der näheren Umgebung. Insbesondere die 40er-Dichten, also die nicht so feinen Knüpfeinstellungen, stammen aus dem südaserbeidjanischen Choy und Marand, sowie deren umliegenden Landstriche, also recht weit entfernt von Täbriz. In Täbris selbst werden sie noch als Marand, bzw. Choy bezeichnet und gehandelt. Schon in Teheran und demzufolge natürlich auch in Deutschland gelten sie als Täbris.

Die Dessins aller vorgenannten Provenienzen werden in Indien und teilweise auch in der VR China mehr oder weniger kunstvoll imitiert.
aus Heimtex Orient 04/02 (Teppiche)