Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Warenkunde

In der vorangegangenen Ausgabe fragten wir wieder nach der richtigen Antwort zu den zehn angefragten Fachbegriffen aus dem Orientteppichbereich und seinem Umfeld. Dabei spielt auch das Geschichtliche immer mit eine kleine Rolle. Zu jedem Begriff haben wir jeweils vier Antworten angeboten, von denen nur eine richtig ist. Haben Sie alle Begriffe richtig angekreuzt? Hier die Auflösung mit den Erläuterungen dazu.

Ablader - Fachbegriff im Außenhandel

Ablader ist eine im Aussenhandel gebräuchliche Bezeichnung für einen ausländischen Lieferanten, der im Importland ein Verkaufs- oder Musterlager unterhält, ohne dort handels- und steuerrechtlich geführt werden zu müssen. Viele OT-Läger im Freihafen-Hamburg und sog. Offene Zolläger im Inland gehören Abladern aus Orienteppich-Ursprungs- oder -Lieferländern.

Die Ablader beauftragen Vertreter mit der Wahrnehmung ihrer Geschäftsinteressen. Deren Hauptaufgabe ist, direkt im Importland den Absatz zu fördern. Durch seine Vertretung ist der ausländische Lieferant ständig auf dem Importmarkt präsent - im Orientteppichbereich immer mit einem eigenem Lagerbestand. Die Vertreter beobachten den Markt vor Ort, ordern entsprechend für das Verkaufslager und sind in der Lage, kurzfristig auszuliefern.

Im Rahmen ihres Vertretungsauftrages verhandeln sie Preise und Konditionen für ihren ausländischen Vertretungsgeber, also für ihren Ablader. Sie tätigen aber diese Geschäfte nicht in eigenem, sondern im Namen und für Rechnung des ausländischen Lieferanten/Abladers. Die Verkaufsrechnungen stellen sie dann mit dem den Vermerk aus: "Wir verkauften Ihnen im Namen und für Rechnung unseres (iranischen, afghanischen, pakistanischen, etc.) Abladers XY in - es folgt die Angabe des Exportlandes - folgende Waren: ..."

Zweckmäßig ist auch, dass solche Geschäfte ausschliesslich der Gesetzgebung des Importlandes unterliegen, so dass in Streitfällen deutsches Recht gilt. Viele Fragen, z.B. auch Reklamationen, lassen sich so für beide Parteien weitaus besser regeln.

Eine weitere Erleichterung für den Importeur besteht darin, dass er den Rechnungsbetrag im Importland auf ein Ausländerkonto des Abladers/ Lieferanten zahlt, was die sonst im Aussenhandel recht komplizierte Geschäfts- und Zahlungsabwicklung auch kostenmässig erleichtert.

Fach - Fachbegriff des Weberhandwerks

Fach ist auch ein Begriff in der Knüpftechnik, denn der Teppichgrund, der aus Kette und Schuss besteht, ist letztlich ein Gewebe. Fach bezeichnet die Trennung (Auffächerung) zwischen vorderen und hinteren Kettfäden beim horizontalen Knüpfstuhl. Durch Heben und Senken, bzw. Vorziehen und Zurückstossen jedes zweiten Kattfadens entsteht eine winkelartige Öffnung, in die der Schussfaden eingetragen, eingeschossen wird. So entsteht im Verlauf des Knüpfens ein Grundgewebe mit sich kreuzenden Kett- und Schussfäden, dass fachlich als Leinenbindung bezeichnet wird.

Parther - Indoiranisches Herrschervolk in Persien

Sie waren indoiranische Reiternomaden, die aus dem innerasitischen Raum ins Hochland Persiens eindrangen. Von 247 v.Chr. bis 226 n.Chr. beherrschten die Parther Persien und hinterließen in ihrer langen Herrschaftsperiode ihre Spuren. Eines ihrer berühmtesten Bauwerke ist der Taq-i-Kirra-Palast in ihrer Hauptstadt Ktesiphon (Persisch: Tisfun). In diesem Palast soll - allerdings erst viel später unter den Sassanieden - der legendenumwobene Teppich mit dem Namen "Frühling des Chorau" gelegen haben. Knüpfteppiche aus der Zeit der Parther sind nicht bekannt. Ihre bedeutendste Dynastie waren die Arsakiden, ein Name, der auf ihren ersten Führer Arsakes zurückgeht.

Die Parther bauten den Handel über die Seidenstraße aus. Pfirsich, Aprikosen und Seide gelangten nach Westen. Als Züchter der von den Chinesen "Himmelspferde" genannten schweren Schlachtrösser gelang es ihnen, mit diesen kräftigen Pferden erstmalig eine gepanzerte Reiterei aufzustellen, die sog. Kataphrakten. Eine taktische Waffe, gegen die auch die später auftauchenden Römer keine Chance hatten. In der Schlacht bei Karrhai erlitten die Legionen unter dem Triumvir Crassus 53 v. Chr. eine verheerende Niederlage.

Sar - Altpersisches Längenmaß

Dieses altpersische Längenmaß wird normalerweise mit 1,04 m angegeben, kann jedoch, je nach Landstrich, schon ab 0,96 m betragen. Obwohl Persien 1933 unter Schah Resa das metrische Gewichtssystem einführte, ist der Sar (oder Zar) in Persien noch immer eine ausschlaggebende Maßeinheit, um die Teppichgrößen zu bestimmen. Er taucht als Silbe in einigen, gewissermaßen genormten Teppichen auf, wobei immer nur die Längen angeben werden, denn die Breiten sind durch die entsprechenden Knüpfstühle festgelegt:
- Sar-charak, eineinviertel Sar, ca. 0,80 m x 1,30 m
- Sar-o-quart, ca. 1,25 m2
- Sar-o-nim, eineinhalb Sar, ca. 1,10 m x 1,50 m
- Do-Sar, zwei Sar, ca. 1,30 m x 2,10 m.

Savonnerie - Französische Teppichmanufaktur

1604 gründete Henri IV. (1553-1610), genannt "le bon roi", im Palais Chaillot am Louvre in Paris eine Teppichmanufaktur. Wegen der regen Nachfrage platzte sie bald aus allen Nähten und wurde daraufhin in den Vorort St. Cloud in eine ehem. Seifensiederei verlegt, Französisch: Savonnerei. Sie produziert nach wie vor und ist derzeit unter staatlicher Regie tätig. Es wurden und werden Teppiche in den Stilarten des franz. Barock, Rokoko, Klassizismus, Directoire, Empire und Louis Philippe geknüpft, teilweise aber auch zeitgenössische Dessins. Die Herstellung erfolgt auf einem Hautelisse genannten Spezialknüpfstuhl. Geknüpft wird in einem dem Türkischen Knoten ähnelndem Knoten. Wie beim Nepalteppich werden die Knoten ebenfalls über eine Stange geschlungen und die Schlaufenbögen anschließend oben durchtrennt, so dass die Florfäden auffächern.

Die recht gegenständlichen, von Bordüren gerahmten Blütenmuster beeinflußten bereits früh die orientalische Teppichknüpfkunst. Eines der berühmtesten Musterdetails daraus ist das Gol-Farangh, dessen Bezeichnung auf Deutsch europäische Blüte lautet, und das damit deutlich auf seinen Ursprung verweist.

Nach der 1864 abgeschlossenen, zaristischen Eroberung des Kaukasus ließen russische Adlige im Karabaghgebiet Teppiche in savonnerieartig gestalten Dessins knüpfen.

Viscose - Filamentgarn, umgangssprachlich "Kunstseide"

Die Herstellung von Viscose gilt als eines der ältesten Verfahren, Endlosfasern industriell herzustellen. Basis ist die zähflüssige (viscose) Zellulosemasse, aus der Fäden zum Verspinnen gezogen werden. Holzzellstoff wird mitt Natronlauge versetzt und dann unter Zusatz von Schwefelwasserstoff zu einer spinnfähigen Masse umgewandelt. Nach dem TKG (Textilkennzeichnungsgestz) sind Orientteppiche mit einem Flor aus Viscosefasern auf dem Etikett als Filamentgarn auszuweisen. Die umgangssprachliche Bezeichnung kann zu Problemen führen.

Yomoudh - Hauptstamm der Turkmenen

Knüpfteppich eines gleichnamigen Turkmenenstammes. Yomuden leben zwar hauptsächlich in der Republik Turkmenistan, Teile ihres Stammes und einiger Unterstämme finden sich jedoch auch in Afghanistan und im Iran. Ihre Teppiche, die allgemein als Bucharas bezeichnet werden, unterscheiden sich von denen der Tekke, einem anderen Hauptstamm, durch das sehr prägnante Güll. Hauptsächlich erscheint es als Dyrnak- und Kepse-Güll. Preise siehe Werth-Index Seite 55.

Kokon - Puppenhülle des Seidenspinners

Mit dem Namen Kokon bezeichnet man die Gespinsthülle des Seidenspinners Bombyx mori, sowie des Eichenspinners Bombyx sericaria. Die ausgewachsene Raupe spinnt sich zum Verpuppen mit einem Seidenfaden ein, den sie aus Drüsen an ihrer Stirnseite produziert.

In ihrem Kokon findet dann die Metamorphose zum Falter statt. Vor dem Schlüpfen werden jedoch die darin befindlichen Puppen abgetötet und der Gespinnstfaden, bestehend aus einer Eiweißverbindung, die Fibroin genannt wird, in einem Heißwasserbad abgehaspelt. Der Faden wird nach verschiedenen Bearbeitungsgängen zu Reiner Seide veredelt.

Schahsavan - Orientteppichprovenienz

Turkvolk und Provenienz im Iran; übersetzt bedeutet ihr Name "die den Schah lieben". Unter der Dynastie der Safawiden waren sie ursprünglich eine Art Prätorianergarde, die die beherrschende Stellung der Kisil-Basch ablöste. Sie leben im südl. Kaukasusgebiet sowie in Nachitschewan und in der Provenienz Süd-Aserbeidjan etwa südlich der Straße Täbris-Mianeh.

Ihre vornehmlich im Iran erzeugten Knüpf- und Webarbeiten sind sehr geschätzt. Insbesondere die Flachgewebe aus der Zeit als sie noch nomadisierten haben Eingang in viele Sammlungen gefunden. Die heutige Teppichproduktion mit betont geometrischen Dessins gehört zu den erschwinglicheren Qualitäten und unterscheidet sich von der farblich akzentuierten Alt- und Antikware durch die heute dunklere Farbgebung. Preise siehe Werth-Index Seite 131.

Barik - Persisch für schmal, z.B. für schmale Brücke

Barik bedeutet auf Persisch: schlank und ist gebräuchlich als Teppichmaßbezeichnung für Brücken mit einer Breite von nur ca. 1,00 und einer Länge von ca. 2,00 m. Die Bariks sind also schmaler als die Dosars, die mit einer Größe von ca. 1,30 x 2,00 m deutlich breiter sind. In Fachkreisen hört man bisweilen hört auch die Bezeichnung Mussel (Mossul)-Barik, ein Hinweis auf die kurdisch-irakische Stadt Mossul, über die im 19. Und auch noch in der 1. Hälfte des 20. Jhd. Orientteppich gehandelt wurden.
aus Heimtex Orient 02/02 (Teppiche)