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Berber


Diese Teppichgruppe wird zwar Berber genannt, geht jedoch ethnisch nicht auf die in Nordafrika ansässige Völkergruppe der Berber zurück, denn die Knüpfer sind ebenso auch arabisch stämmig. Der Name ist wohl eine Marketingidee, die sich allerdings mit der Zeit nachhaltig durchgesetzt hat. Wahrscheinlich geht die Bezeichnung Berberteppich auf Franz Oehler zurück, der seinerzeit die Produktion dieser naturwollfarbenen Teppiche in Algerien förderte und sie dann später nach Marokko verlagerte. Mittlerweile ist der Berber einer der bekanntesten Importteppiche überhaupt.

In der Fachwelt wurde lange diskutiert, ob die Knüpfungen Marokkos, Algeriens und Tunesiens überhaupt der Gruppe der Orientteppiche zuzuordnen seien. Schließlich bedeutet Orient Osten, doch hier haben wir es mit den Mahgrebstaaten zu tun, was auf Arabisch soviel wie Westland bedeutet. Da seine ursprünglichen Teppichmuster und die Handwerkstechniken jedoch eindeutig orientalisch geprägt sind und unter islamischem Einfluß der westwärts drängenden Araber entstanden, reihte man die Berberteppiche schließlich mit unter die Orientteppiche ein.

Die Berbervölker sind nachweislich schon seit über viertausend Jahren in Nordafrika ansässig. Einige Ethnologen gehen sogar so weit, sie zu den direkten Nachfahren der erstmals in Südwest-Frankreich nachgewiesenen Cro-Magnon-Menschen des Neopaläolithikums zu rechnen.

Obwohl die Berberstämme nie eine politische Einheit bildeten, bietet die Teppichknüpfkunst ihres gesamten Siedlungsraumes von Tunesien bis zum Atlantik ein erstaunlich verwandtes Bild. Von den reizvolllen, farbigen Knüpfungen der Bauern und Nomaden kommen zwar nur wenige Teppiche auf dem Markt, werden aber in den Ursprungsländern Marokko und Tunesien gern von den Touristen gekauft. Ihr Hauptanteil allerdings verbleibt im Lande bei den Einheimischen.

Bis Ende der sechziger Jahre wurden auch große Mengen Knüpfteppiche aus Algerien exportiert. Diese Produktion ist jedoch inzwischen vollständig zum Erliegen gekommen.

Mit Aufkommen der Nepalimporte war die Produktion der marokkanischen Berber stark zurückgegangen, was sicher auch auf die unvernünftige Preispolitik und den damit einhergehenden Preisverfall, sowie die dadurch wiederum in Mitleidenschaft gezogenen Wollqualität zurückzuführen ist. Diese wenig gemusterten, uniflächigen und in hellen Wolltönen gehaltenen Knüpfteppiche wurden dann von den Knüpfungen Nepals und später auch den iranischen Gabbehs kompensiert.

Auch in dieser Provenienz werden seit jüngster Zeit naturwollfarbene Stücke geknüpft, die dem Berber recht ähnlich sind. In Marokko ist man nun jedoch sehr darauf bedacht, es nicht mehr zu Massenproduktionen wie früher kommen zu lassen und den Qualitätsanspruch hochzuhalten. Zusätzlich stellt sich das Problem, daß viele Knüpferinnen inzwischen in andere, nicht so mühselige Arbeitsbereiche abgewandert sind, also in die Teppichmanufakturen zurückgeholt oder neue ausgebildet werden müssen.

Seit kurzem jedoch befindet sich der Berberteppich sowohl in der Produktion und als auch in seinem Hauptabsatzmarkt Deutschland wieder im Aufwind. Die Fachwelt rechnet mittelfristig mit einem weiteren Erstarken des Absatzes. Die Chancen Marokkkos stehen derzeit also recht gut, zumal dieses Land EU-asoziiert ist und damit den Vorteil genießt, daß seine Produkte zollfrei importiert werden können.

Außer im Großmanufakturbereich werden von Marokko regierungsseitig auch andere Anstrengungen zur Wiederbelebung der Knüpfkunst unternommen. Beispielsweise startete der österreichische Teppichenthusiast Wilfried Stanzer mit staatlicher Unterstützung in Amassine, einem Dorf im Hohen Atlas, ein mit Aufmerksamkeit zu verfolgendes Knüpfprojekt, von dem wiederholt die Medien berichteten. Gemessen am Gesamtknüpfaufkommen ist dieser Anteil zwar verschwindend gering, aber die derzeit noch lokal begrenzte Initiative stärkt diese alte Volkskunst und läßt auf Übernahme auch in anderen Regionen hoffen.

Die Qualitätsbezeichnungen sind recht übersichtlich. Ihre Zahlen stehen für die Anzahl der Knoten auf einer Länge von 10 cm in Kett- und in Schußrichtung. Um die Knotendichten zu errechnen, werden sie miteinander multipliziert und mal hundert auf den Quadratmeter hochgerechnet. Beispiel: 15 x 15 = 225 x 100 = 22.5000 Knoten/m2. 15/15-simple ist die häufigste Qualität, 25/25 als feinste entsprechend selten:

Qualität ca. Knotenanzahl/m2
15/15= ca. 22.500
16/16= 25.600
18/18= 32.400
20/20= 40.000
25/25= 62.500

Double und simple
Die Knotenbezeichnungen double und simple bedeuten nichts weiter, als daß der Knüpffaden einfach oder doppelt gelegt wird. Es gibt sogar, dreifache, also so genannte triple-Fäden, die allerdings sehr selten gearbeitet werden.

Außerdem kann ein Knüpffaden aus zwei verzwirnten Garnen bestehen. Dieses Knüpfgarn wird torsadé genannt und ergibt einen körnigen Floreffekt. Der große Vorteil, dieses Garns liegt darin, daß es weniger verfilzt. Aus allem ergeben sich folgende Varianten:
a - simple: Knoten mit einem einfachen Wollfaden, der 2 Florspitzen (Polenden) pro Knoten ergibt,
b - double: Knoten mit doppelt gelegtem Wollfaden, so daß 4 Florspitzen pro Knoten gebildet werden,
dd - demi double: geknüpft wird in zwei verschiedenen Einstellungen: eine Reihe mit einfachen, die nächste Reihe mit doppelt gelegtem Knüpffaden, dann wieder eine einfache usw., oder abwechselnd nebeneinander ein einfacher und ein doppelt gelegter Knüpffaden. Dieses Verfahren ist, so wie der triple-Knoten, allerdings sehr selten. Die Florspitzen sind hier also alternierend zwei-, drei- oder vierendig.

Die früher des öfteren anzutreffenden Nomaden und Bauernknüpfungen und Webarbeiten wie die sog. Hambal, mit den Provenienzbezeichnungen Chichauoua, Haouz, Marmouscha etc, um hier nur die geläufigsten zu benennen, sind inzwischen so gut wie vom Markt verschwunden, haben aber viele Freunde in Sammlerkreisen. Vereinzelt werden sie noch auf den Souks, die arab. Bez. für Bazar, gehandelt, spielen aber im Importbereich nur eine untergeordnete Rolle. Diese, von der Landbevölkerung in Heimarbeit und Nebenerwerb geknüpften Teppiche weichen in Farbgebung und Mustern von der Großproduktion erheblich ab.

Die mit flächigen, leuchtenden Farben gestalteten werden allgemein als Königs- oder Berber-Royal bezeichnet, gelangen jedoch nur selten in deutsche Läden und Fachabteilungen.

Bei vielen Anbietern seit langem zum Standardsortiment gehörend, holt der farblich äußerst ruhige, marokkanische Berberteppich derzeit mehr und mehr das ihm verloren gegangene Marktpotenzial wieder zurück.


Berber in Stichworten

Andere Schreibweise: Berbère.
Richtige Aussprache: Betonung gleichmäßig auf beiden Silben.
Ursprungsländer: Marokko und Tunesien. Früher auch Algerien. Tunesische Knüpfungen und Kelims werden fast ausschl. an die Touristen vermarktet.
Herstellungsregionen: Ganz Marokko, aufgeteilt in Ware des Hohen Atlas (Haut Altas) und des Mittleren Atlas (Moyenne Atlas).
Haupthandelsplätze: Rabat, Kenitra, Meknes, Fez, Marakesch, Casablanca.
Herstellungsbasis: am vertikalen Knüpfstuhl.
Produktionsform: große Knüpfteppichmanufakturen und Klein-Ateliers; Haut-Atlas-Ware auch im Hausfleiß.

Formate: Brücken aller Größen, Teppiche und Läufer; quadratische Maße, runde Teppiche und Übergrößen sind selten, können aber auf Bestellung gefertigt werden; keine Seidenteppiche.

Materialien:
Flor: Schafwolle, einheimische und Importwollsorten.
Kette und Schuß: Baumwolle.
Knotenform: Gördes (auch Türkischer Knoten, Turkbaff oder symmetrischer Knoten genannt).
Knüpfung, Qualität: geschichtet. Die allgemeinen Qualitätshinweise superieure und moyenne, sollten dehnbar ausgelegt werden.
Musterduktus meist uni in beigefarbener Wolle mit vereinzelten Musterelementen in asymmetrischer oder symmetrischer Anordnung; kaum Bordüren.

Besonderheiten: vorwiegend unifarben in hellen Wolltönen; sog. single und double-Knüpfungen, s.u. In Spezialgeschaften werden auch reizvolle bäuerliche und Nomadenknüpfungen angeboten; beispielsweis unter den Bezeichnungen Chichauoua, Haouz, Hambel (geknüpft und gewebt).
Teppiche aus Marokko: spärliche Mustergebung, die ausschl. von den europäischen Auftraggebern in zurückhaltende Farben bestimmt wird; Fond meist naturfarbene Schafwolle in Beigetönen. Souk-Ware ist etwas farbiger bis hin zu leuchtenden Fondfarben, die dann als Königsberber (Royal-Berber) vermarktet werden.
Teppiche aus Tunesien: traditionelle Musterformen, die deutlich arabischen Ornamentierungen folgen; akzentuierte Farben. Die Stadt Gafsa ist berühmt für ihre Kelims.
EUR-Quadratmeterpreise im Einzelhandel: siehe WERTH-INDEX mit Knüpfdichtenaufteilung
aus Heimtex Orient 02/02 (Teppiche)