Belutsch - die letzten authentischen Orientteppiche?

Wer beim Belutsch genauer hinsieht, entdeckt Erstaunliches. Belutschen sind immer Unikate; Stück für Stück individuell. Und wer noch genauer hinsieht, entdeckt einen ungeheuren Musterreichtum und fein gezeichnete Dessins in subtiler Farbgebung. Das Schönste - Belutschen sind äußerst preiswert.

Mit den stetig wachsenden Serienproduktionen schwindet die Provenienzvielfalt. Eine der wenigen Ausnahmen sind die Teppiche der Belutsch-Tradition. Geknüpft in abgelegenen, dörflichen Gemeinschaften oder unter den schwarzen Ziegenhaarzelten der Nomaden, bewahrte besonders Afghanistan eine noch weitgehend unberührte Provenienz in einer Vielfalt, die wenigen geläufig ist.

Wer Unverfälschtes und dennoch Preisgünstiges anbieten will, sollte den Belutsch unbedingt in seine Überlegungen einbeziehen. Mit ihm kann der Handel einen äusserst preiswerten Teppich anbieten, den immer noch der Nimbus des Geheimnisvollen und des Althergebrachten umgibt.

Zugleich besteht die Möglichkeit, mit diesen reizvollen Knüpfungen das Image des Orientteppichs aufzupolieren und Fachkompetenz zu dokumentieren.

Kaum ein Fachmann macht sich die Mühe, im Hamburger Freihafen unter tausenden von Stücken eine Auswahl zu treffen. Doch genau das macht die Freude am Orient-Teppichhandel aus. Hier kann man auch heute noch - im 21. Jahrhundert - ein variantenreiches, individuelles Belutsch-Sortiment zusammenstellen. Hier zählt die Intuition, das Gespür für Teppiche.

Das Schönste - Belutschen sind heute immer noch preiswert, fast möchte man sagen billig. Schöne Belutsch-Brücken können bei normaler Ertragskalkulation schon für unter EUR 200 pro Stück verkauft werden. Ein stilvoller, entsprechend preiswerter Belutsch wird deshalb immer seinen Käufer finden.

Wir treten mit diesem Artikel den Beweis an: An zwei Tagen hat unsere Redaktion eine Auwahl von 50 Belutschen herausgesucht, von denen wie an dieser Stelle leider nur 18 Stücke abbilden können.

Belutschen-Knüpfungen und Flachgewebe kommen aus West-Afghanistan und den angrenzenden Regionen des Iran.

Die Teppiche werden auch von den Bahluri, Taimani, Tschahar Aimaq, Tadjiken, Paschtunen und Kurden geknüpft. Alle diese Völker siedeln oder nomadisieren in abgelegenen Gebieten, die kein westlicher Einkäufer bereist. Schon gar nicht in den Wirren der kriegerischen letzten zwanzig Jahre des geschundenen Afghanistans.

Die Belutsch-Teppiche eint ihre kraftvolle Ursprünglichkeit und der geometrische, zur Abstraktion neigende Duktus, hervorgegangen aus uralten Mustertraditionen mit tiefen Farbstellungen in vorwiegend Rot und Blau. Findet man hellgrundige Stücke, sind sie meist besonders reizvoll.

Gerade die Einfachheit der Belutschen, ihre schlichten, grafisch-geometrisch gestalteten Dessins und die zurückhaltende Farbigkeit passen sich besonders gut dem heutigen Einrichtungsstil an.

Zudem reizt viele Menschen die Ruhe und das Authentische dieser Volkskunst, in deren Mustern Verkäufer und Käufer auf Entdeckungsreise gehen können.

Sehr häufig anzutreffen sind längssymmetrische Gebetsmuster mit musterbestimmenden Mihrabs (Gebetsnischen). Meist in den Größen 0,90-1,10 m x 1,40-1,60 m, oft an den Fransenseiten in wunderschöne, aufwendig gestaltete Palasgewebe auslaufend. Teppichgrößen bis
7 qm sind allerdings selten.

Selbst in Fachkreisen ist wenig bekannt, dass sich die Belutschen in verschiedene Unterprovenienzen einteilen lassen. Diese Vielfalt gilt es, den Kunden zu zeigen. Die meisten afghanischen Importeure kennen sich sehr gut in den Provenienzzuweisungen nach den Knüpforten, -regionen und -stämmen aus.

Belutsch-Provenienzen in alphabetischer Reihenfolge:

Adreskan
Adreskan ist ein kleiner Ort, der etwa achtzig Kilometer südlich von Herat liegt. Innerhalb der Teymuri-Knüpfungen wird diese Provenienz wegen ihrer speziellen Dessingebung mit einem eigenen Namen bedacht.


Arabi oder Arab-Belutsch
Es sind dies Teppiche vereinzelt in Afghanistan lebender Stämme, die ihre Herkunft auf den islamisch-arabischen Sturm des 7. Jhd. zurückführen. Sie siedeln zumeist in Nord-Afghanistan. Einige isoliert lebende Volksteile sprechen immer noch Arabisch.


Bahluri
Ein kleinerer Teil dieses, ethnisch nicht den Belutschen zugehörigen Stammes siedelt in Ost-Chorassan, Iran. Die meisten aber leben als kamelzüchtende Nomaden in West-Afghanistan. Ihre Dessins sind stark mit denen der Turkmenen verwandt, was möglicherweise auf eine Verwandtschaft zu diesen verweist.


Boruti
Das Volk der Boruti sieht sich zwar als den Belutschen zugehörig. Allgemein wird aber die Auffassung vertreten, dass sie Teil der Teymuri sind. Sie knüpfen nur geringe Mengen, so dass diese Stücke bei Sammlern als Raritäten begehrt sind.


Djamschidi
Sie sind wohl ein Mischvolk turk-mogolischer und iranischer Abstammung, das in West-Afghanistan siedelt und nomadisiert. Es besteht aber auch die Annahme, dass sie die Urbevölkerung von Sistan sind. Ihr zeitweiliges Zusammenleben mit den Turkmenen der Oase Pendeh hat ihre Muster geprägt.


Djanbeghi, auch Djan Beki
Sie leben im Grenzgebiet Iran-Afghanistan, so daß diese Belutsch-Knüpfungen aus beiden Ländern stammen können. Das Muster ist sehr typisch und wird Do-Gole, bzw. Do-Gül, Zwei-Blüten-Motiv, genannt. Es entspricht in seinem abgewandelten Duktus dem aus den Weramins bekannten Mina-Chaneh-Dessin.


Dochtar-e-Ghazi
Übersetzt lautet der Name dieses Stammes 'Tochter des Richters". Ein Belutschstamm mit einem sehr eigenständige, signifikanten Dessin. Die Knüpferinnen halten an ihrem überlieferten busch- oder straußähnlichen Primärornament fest, so daß dieser Belutsch-Typ gut herauszukennen ist.


Farahi
In dieser westaghanischen Provinz leben verschiedene Stämme, die Teppiche in Belutsch-Tradition knüpfen, so daß unter dieser Provenienzbezeichnung recht unterschiedliche Dessins auftauchen. Nach heutigen Erkenntnissen haben die dort lebenden Tadjiken und Paschtunen erst nach dem 2. Weltkrieg mit dem Teppichknüpfen begonnen. Ihre Arbeiten gelten als vorbildlich und sind gesucht.


Firuskuhi, Firuzskohi
Dieser Stamm, der einen tadjikischen Dialekt spricht, lebt in schwer zugänglichen Bergland von Ghor, Nordwest-Afghanistan. Das Knüpfaufkommen ist gering. Im Sinne unverfälschter Volkskunst gelten die Stücke als sehr 'reinrassig".


Gülbajeste
Der auch als Provenienzbezeichnung gebräuchliche Name 'Gülbadjeste" ist eigentlich die Bezeichnung für reliefartige Arbeiten, die teils geknüpft, teils gewebt sind, also für Teppiche, die in Persien Nimbaff genannt werden.


Guldoni
Guldoni (Persisch: Goldan) ist die Bezeichnung eines speziellen Blütenmusters wie es in einigen Belutschen wiedergeben ist. Da die Knüpfungen aus der westafghanischen Provinz Farah stammen werden sie auch als Farahi ( = von/aus Farah) oder auch Tschachansur bezeichnet.


Haft Bala oder Haft-Bolagh
Sie rechnen ethnisch zum Volk der Belutschen und siedeln im einem Gebiet gut dreissig Kilometer nördlich von Herat, West-Afghanistan. Ihr Name bedeutet frei übersetzt 'Sieben Dämonen" oder auch 'Sieben Hügel".


Hasara
Ihre markante Physiognomie zeigt, dass sie turk-mongolischer Abstammung sind. Sie sprechen ein mit mongolischen Worten durchsetztes Dari und berufen sich gern stolz auf den größten Sohn ihre Volkes, auf Djingis Chan. Von diesem weit abgeschieden im Hochland von Qala-i-Nau lebenden Nomadenvolk sind nur Webarbeiten (Kelims) bekannt. Im Iran, wo auch einige Sippen leben, werden sie Barbari genannt.


Kalanauoui
Die Dessins haben sich in den letzten zehn Jahren etwas verändert. Während sie früher eher düster waren, zeigen sie heute stärkere hell-dunkel Kontraste. Das hier abgebildet Stück wird rundum von einer ungewöhnlichen Soumakh-Webbordüre umgeben.


Kanesk
Der kleine Ort Kanesk liegt unweit der Provinzhauptstadt Farah. Der Duktus dieser von den Achaksai-Durrani, einem Stamm der Paschtunen und von den Tadjiken geknüpften Teppiche haben ein unverkennbar provenienztypischen Musterduktus.


Kauduani, auch Kaudani
Nach neuesten Erkenntnissen waren die Kauduani ursprünglich wohl ein Unterstamm der Teymuri. Ihr Knüpfaufkommen ist recht umfangreich Von den Kaudouani stammen die meisten, oft ansehnlich fein geknüpften Gebetsteppiche, die Namasliks (Namasehs) mit einem Weinlaubmuster, das Bargatok.


Kiptschak, Kumanen
Von den Mongolen bedrängt, flohen sie einst bis nach Ungarn, was Batu Chan, den Sohn Djinghis Chans, veranlasste, in Europa einzufallen und 1241 in der Schlacht bei Liegnitz (Oberschlesien) ein deutsch-polnisches Ritterher vernichtend zu schlagen. Zurückgewandert siedeln die Kiptschak heute verstreut in Nordwest-Afghanistan. Ihre Textilarbeiten ähneln denen der Djamschidis.


Latifchel
In diesem Ort in West-Afghanistan, der wahrscheinlich nach seinem Gründer benannt wurde, werden im Dessin unverkennbare Belutschen geknüpft, die oft 'kanuartige" Mustermotive mit aufweisen und an diesem Musterdetail leicht zu erkennen sind.


Mouschouani
Dieser Stamm ist wahrscheinlich aus den Djamschidi hervorgegangen. Sie nomadisieren hauptsächlich im Gebiet zwischen Herat und dem Bergmassiv des Band-i-Baba in West-Afghanistan.


Raksani
Die Raksani werden zu den Tschachansur-Knüpfungen gezählt, s.d.


Saraksai
Da der Ort Saraksai in der Provinz Farah, West-Afghanistan liegt, kommen diese, an ihrem Muster gut erkennbaren Belutsch-Knüpfungen auch als Farah in den Handel. Ausser vom Stamm der Sarak werden diese Teppiche auch von den benachbarten Paschtunen und Tadjiken geknüpft. Die Saraksai-Belutsch sind den oberen Qualitäten zuzuordnen.


Saripul, Sar-i-Pol
Die Knüpfungen und Kelims dieses Distriktes in Nord-Afghanistan werden von dort siedelnden Usbeken, Tadjiken, Firuskohi und Hasara gefertigt. Es sind relativ seltene Arbeiten und deshalb gesuchte Sammlerobjekte.


Schindan
Unter dieser Provenienz vereinen sich verschiedene Dessins der Taimani, die bisweilen kaum auseinander zu halten sind. Das Knüpfgebiet liegt im äussersten Westen Afghanistans.


Sehkini
Sehkini ist ein kleiner Ort, der etwa neunzig Kilometer nordwestlich der Provinzhaupt Farah in West-Afghanistan liegt. Die von Tadjiken und Paschtunen gefertigten Knüpfungen sind wegen ihres unverkennbaren Musterduktus gut zuzuordnen.


Seistan, Sabol
Unter der Provenienz Seistan werden all die Knüpfungen zusammengefasst, die aus dem Südwesten Afghanistans, bzw. dem Südosten des Iran stammen. Die Dessins sind stark turkmenisch beeinflußt und zeigen oft relativ klassische Tekke-Gülls. Speziell diese güllgemusterten Teppiche werden auch als Mahdad-Chani bezeichnet. Die Seistans sind durchweg lichter in der Farbgebung.


Taimani, auch Teymani
Sie gehören zur Stammesföderation der Tschahar Aimaq und leben recht isoliert noch weitgehend nomadisch westlich des Hasaradschad. Ihre Dessins gelten innerhalb der Belutsch-Gruppe als die variations- und farbreichsten. Die Farbpalette reicht von dunklen bis zu hellen Kolorits.


Teymuri, auch: Timuri
Die Legende ihrer Herkunft behauptet, dass sie Abkömmlinge Timur Lenks (1336-1405) sind. Ein kleiner Teil dieses Stammes lebt in Chorassan, Ost-Iran, der weitaus größere in Westafghanistan. Ihre ethnische Herkunft ist jedoch ungewiß und wird sowohl turk-mongolisch als auch arabisch gesehen. Ihr Knüpfaufkommen an handwerklich achtenswerten Arbeiten ist recht umfangreich und gelangen auch als Sanktchuli (Sangschuli), Adreskand und Schindand in den Handel.


Tschachansur
Der alte Name der Provinz Nimrus in Südwest-Afghanistan stand Pate für diese Provenienzbezeichnung. Die Dessins zeigen eine deutliche Verwandtschaft mit den Knüpfungen der Afscharen und der persischen Provenienz Ferdows.


Tschahar-Aimaq
Die Tschahar Aimaq sind ein Zusammenschluss von vier (Persisch: Tschahar) Stämmen (Mongolisch: Aimaq = zeltbewohnendes Volk). Zu ihnen gehören die Djamschidi, Firuskohi, Taimani und die Hasara von Qala-i-Nau. Entsprechend Variationsreich sind die Dessins, die meist direkt zugeordnet werden und nur wenn dies als nicht möglich scheint, als Tschar-Aimaq bezeichnet werden

Tschehel-Chana
Wörtlich: vierzig Häuser. Dieser Provenienzname bezeichnet also ein Muster, wobei die Zahl nur sinnbildlich für eine größere Menge zu verstehen ist. Da die Teppiche aus der westafghanischen Provinz Farah stammen, sind sie auch unter dieser Provenienzbezeichnung im Handel.


Tschirgi
Die Dessins dieser Belutsch-Knüpfungen aus der Provinz Farah, West-Afghanistan, sind deutlich von städtischen Knüpfungen beeinflusst, haben aber einen sehr eigenständigen Duktus mit der für Belutschen typischen Farbgebung in vorwiegend rot-blau.


Yaghoub-Chani
Sie halten sich sowohl für Belutschen als auch für Teymuri. Ihre Arbeiten umfassen kleine Kissen, so genannte Balischt, Packtaschen (Chordjins), Ru-Korssi (quadratische Deckchen) und Gebetsteppiche (Namaseh)
aus Heimtex Orient 01/02 (Teppiche)