Analyse der aktuellen Marktsituation bei Teppichboden

Bald amerikanische Verhältnisse in Europa?

In den USA ist alles besser, glaubt die arg gebeutelte europäische Teppichbodenbranche. Der Markt ist stabiler, das Produkt beliebter, die Preise besser. Ist es tatsächlich so? Ein Vergleich der Marktverhältnisse in den USA und Europa.

ohin tendiert die europäische Teppichboden-Industrie? In der Branche herrscht Ungewissheit. Sicher ist nur eines: In allen Markstufen wird zu wenig Geld verdient.

Die Folgen sind offensichtlich: Bedeutende Namen verschwinden vom Markt, notwendige Marketing-Bemühungen bleiben auf der Strecke, dringend erforderliche Investitionen sind nur noch schwer finanzierbar, der Blick der GmbHs richtet sich auf starke Partner und der der Aktiengesellschaften auf potenzielle Investoren.

Die Beispiele Armstrong-DLW-Desso, oder LdP-Lano, Absichtserklärungen von Forbo sowie etliche Gerüchte und Spekulationen zeigen: In der europäischen Teppich-Branche bahnt sich eine Entwicklung an, die große Parallelen zu entsprechenden Marktveränderungen in den USA aufweisen könnte. Dort haben es drei Unternehmen vor allem durch Übernahmen geschafft, den Teppichboden-Markt absolut zu dominieren und nahezu unter sich aufzuteilen. Shaw Industries, Mohawk Industries und Beaulieu of America haben 1999 mit insgesamt 8,6 Milliarden $ rund 70 % aller US-Teppichboden-Umsätze erwirtschaftet. Den Rest teilen vor allem die objektorientierten Hersteller unter sich auf. Rechnet man sie aus dem Ranking und berücksichtigt lediglich die Umsätze im Wohn-Segment, kommen die drei Giganten sogar auf einen Marktanteil von über 80 %.

Der Begriff "Mengen-Anbieter" ist in den USA somit eher als statistische Größe, denn abwertend gemeint. Dies wäre auch für den europäischen Markt vorstellbar. Denn völlig unabhängig von einzelnen Firmenzusammenbrüchen - 1999 gab es noch etwa 140 Tufter in Europa, nach Einschätzung von Teppichfaser-Marktführer Du Pont werden es im Jahr 2002 höchstens noch knapp 120 sein - gibt es eine deutliche Tendenz, sich lieber zum Wettbewerber als zum Konkursrichter aufzumachen. Du Pont zählt noch rund 10 der genannten 120 Unternehmen zur Gruppe "mit kritischer Größe". Aber auch viele Spezialisten und selbst renommierte große Namen sind vor Allianzen und Partnerschaften nicht sicher oder streben diese aus eigenem Antrieb an.

Dem Wettbewerb und damit dem privaten Verbraucher dient es wenig, wenn die Gruppen immer größer werden und effizient an den einzelnen Produktionsstätten agieren können. Aber ebenso wenig sinnvoll wäre es in vielen Fällen, trotzig und traditionsbewusst auf dem Status quo "unabhängig, aber renditeschwach" zu beharren. Das gilt für Familienunternehmen in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Dänemark genauso wie für internationale Aktiengesellschaften.

Die grobe Richtung der Branche könnte also vorgegeben sein - die Zahlen aber sind spekulativ: Im Jahr 2010 gibt es in Europa (einschließlich Osteuropa) vielleicht noch fünf große Teppichboden-Holdings, die unter ihrem Dach bekannte Namen vereinen. Domo hat sich gerade intern eine Unternehmensstruktur gegeben, die dies erlauben würde, und auch die noch zu Armstrong gehörende Desso-DLW-Textil-Division könnte zur Keimzelle eines vergleichbaren Zusammenschlusses werden. In Belgien haben unter den Herstellern Gespräche mit vergleichbaren Intentionen stattgefunden. Neben den großen Allianzen könnten sich möglicherweise 20 bis 30 kleinere Firmen am Markt behaupten. Sie bieten entweder ein konkurrenzloses Produkt an, betreiben ein konsequentes Objektgeschäft, bedienen eine stabile Nische oder einen regionalen Markt.

Die Teppichboden-Landschaft dürfte somit ärmer werden. Bleibt die Frage, ob sich die Konzentration auf einzelne Bodenbelagssparten beschränkt. Auch hier kann das Geschehen in Nordamerika Hinweise geben: Während europäische Teppichbodenhersteller noch die Marktanteils-Verluste der letzten Jahre und den Aufstieg des Laminats beklagen, haben sich die eher hemdsärmelig agierenden US-Giganten längst Partner aus jenen Belagssegmenten gesucht, die dem Teppichboden etwas von seiner starken Bedeutung nehmen könnten.

Größe an sich ist nicht das erfolgversprechendste Konzept, sondern Cleverness. Und selbst Größe, gepaart mit Cleverness, darf nicht zu sehr in Sicherheit wiegen: In den USA hat Anfang September 2000 die Berkshire Hathaway-Holding des umtriebigen Spekulanten Warren Buffett angekündigt, über 80 % der im Handel befindlichen Aktien von Shaw Industries übernehmen zu wollen. Rund 2 Milliarden $ will Buffett dafür anlegen. Wenn der Coup gelingt, gehört Shaw zu über 72 % einem neuen Eigentümer. Ganz offensichtlich scheint man auch als Teppichboden-Hersteller interessant für Investoren sein zu können - wenn man Geld verdient. Shaw weist nach Informationen von Intercontuft für das erste Halbjahr 2000 eine Netto-Rendit von 4 % nach Steuern aus...
aus BTH Heimtex 01/01 (Bodenbeläge)