5. Europäisches Bettenforum Bed + More

Chill-out at home - aufgeweckte Konsumenten erwarten mehr vom Schlafzimmer


Zur Einstimmung und als Auftakt des zweitägigen Forums erklärte Birgit Gebhardt, Senior Consultant im Trendbüro Hamburg, warum sie der Meinung ist, dass "aufgeweckte Konsumenten mehr vom Schlafzimmer erwarten". Ihr erstes Vorurteil, mit dem sie aufräumte war die These, dass das Schlafzimmer das Zonen-Randgebiet der Wohnung ist. Ihrer Meinung nach entwickeln sich die Küche und Wohnzimmer zum "Sozialsalon", während Bad und Schlafzimmer zur Chill-out-Zone mutieren, also dem Ort, an dem man sich eher entspannt.

Als einen Grund für diese Entwicklung sieht sie die demografische Entwicklung in Deutschland. Seit 1900 stieg innerhalb von rund 100 Jahren der Anteil der Haushalte mit nur einer Person von sieben auf 37 Prozent. Dagegen sank der Anteil der Familien-Haushalte (mindestens drei Bewohner) von 78 auf 29 Prozent. Wir haben also hierzulande mehr Single- als Familienhaushalte, mit der Folge, dass das Schlafzimmer einen anderen Stellenwert erhält. Hinzu kommt die moderne und mobile Kommunikation, die es ermöglicht, im Schlafzimmer oder gar im Bett fernzusehen, zu telefonieren und im Internet zu surfen. Gebhardt zieht daraus das erste Fazit, dass Privatsphäre mehr Raum und mehr Persönlichkeit braucht.

Das zweite Vorurteil: Die Anschaffungsfrequenzen erfolgen in Generationenabständen. Gebhardts Gegenmittel ist die Empfehlung, Generationszyklen zu brechen. Schließlich gebe es heute die so genannten Lebensabschnittspartner und Patchworkfamilien. Die Zahl der Alleinerziehenden hat sich in den letzten gut 30 Jahren auf rund 3,3 Millionen mehr als verdoppelt. "Wie sieht das Bett aus in einer Familie, deren Kopfzahl sich häufig ändert?", ist ihre rhetorische Frage. Ein weiteres Potenzial bildet die von ihr so titulierte Silver-Living-Generation. Ein Großteil der rund fünf Billionen Euro, die bis 2007 vererbt werden, geht an die 50- bis 60-Jährigen. Ein Mittel, um den Generationenzylus zu brechen wäre demnach, den Konsumenten mit Lösungen für seine augenblickliche Lage zu stimulieren.

Ein weiteres Vorurteil, mit dem die Trendforscherin aufräumt: Den Schlafzimmerkauf entscheidet der Preis. Dem versucht sie mit dem Ratschlag zu begegnen, dass man das Bauchgefühl treffen müsse. Kein Konsument wolle leben wie ein Armer, eher lebt man auf Pump. Dafür spricht laut Gebhardt, dass der Kauf auf Kredit umso verbreiteter ist, je geringer der Ausbildungsstand ist. Der Konsument von heute sei durch das allgemeine Preismarketing rational überfordert, dafür aber emotional unterfordert. Wenn man also das Bauchgefühl treffe, habe man den Kunden am Haken, so Gebhardt. Des Weiteren sprach sich die Referentin gegen das Vorurteil aus, dass das Bett im Bewusstsein der Verbraucher nicht wahrgenommen werde. Und dies trotz oder wegen der Existenz von fünf Branchen-Verbänden in Deutschland, von denen jeder für sich arbeitet. Dabei ist das Thema Entspannung aktueller denn je. Und Entspannung erfolgt nun einmal im Liegen. Gebhardts Schlussfolgerung: Das Bett ist bei uns längst ein Thema, aber leider nur in anderen Branchen. Sie ruft daher die Verbände auf, gemeinsam zu agieren, kassieren könne man danach immer noch getrennt.

Produktwelten fördern den Umsatz

Als weiteres Problem ortet die Expertin, dass die Warenhauslogistik im Verkaufsraum trennt, was fachlich eigentlich zusammen gehört. Aber den Konsumenten interessiert nicht das Produkt an sich, vielmehr sprechen ihn die Möglichkeiten an, die ein Produkt bietet. Wie nutzt man das aus? Indem man im Verkauf Artikel miteinander kombiniert, Produktwelten komponiert, auch mit Artikeln, die ursprünglich in anderen Abteilungen angesiedelt waren. Vor allem in der Mode wird dieses Prinzip erfolgreich angewendet, dort spricht man von Lifestyle-Welten. Um den Kunden auf diese Weise das Shoppen leichter zu machen, wird das Marketingkonzept und das Verkaufen allerdings komplexer, die Ansprüche an das Verkaufspersonal steigen.

Schließlich stellte sich Gebhardt dem Problem, dass der Kunde keine Ahnung habe und die Wissensvermittlung beim Bettenkauf daher harte Arbeit sei. Aber man könne es auch anders sehen, dass nämlich den Kunden nur die eigenen Probleme interessieren. Also müsse man auch nur darüber reden und diese in einem Verkaufsgespräch lösen. "Leute reden gerne über ihre Schlafprobleme", ist Gebhardts Erfahrung. Dass man damit auf fruchtbaren Boden stößt, belegt die Tatsache, dass rund 70 Prozent der Deutschen häufig unter Zeitdruck stehen, 40 Prozent wünschten sich, dass der Tag mehr als 24 Stunden hat. Die Folge dieser so genannten Hurrysickness: Schlafprobleme, Angstzustände, Kopf-, Rückenschmerzen und depressive Zustände. Die Bereitschaft, Gesundheitsleistungen privat zu zahlen steigt an. 2003 gaben die Deutschen rund 50 Milliarden Euro für ihre Gesundheit aus. Das waren rund 20 Prozent aller Gesundheitsausgaben. Gebhardt ist sich deshalb sicher: "Healthstyle ist der neue Lifestyle!"
aus Haustex 08/06 (Handel)