5. Europäisches Bettenforum Bed + More

Die Mitte ist nicht tot


Peter Döhle gab den Zuhörern einen Gesamtüberblick über den Bettenmarkt. Zuerst kam es deftig, denn schonungslos führte der selbständige Unternehmensberater und Mitorganisator des Bettenforums den Anwesenden die harte Realität vor Augen. Zwar werde unter anderem durch die GfK für die Möbelbranche ein Ansteigen der Konsumneigung prognostiziert, so Döhle, stellte dahinter aber gleich ein dickes Fragezeichen, ob dies auch für Matratzen und Bettwaren gelten werde? Durch die hohe Arbeitslosigkeit fehlen der deutschen Wirtschaft rund 15 Millionen Konsumenten. Die Konsumausgaben im Einzelhandel entwickeln sich rückläufig, teil weil die Deutschen nicht konsumieren können, teils weil sie einfach nicht wollen. Man erkenne das unter anderem an den zahlreichen alten Autos, die auf unseren Straßen fahren, der zum Teil schlampigen Kleidung im Straßenbild und den schlechten Zähnen, die mancher wegen der steigenden Zahnarztkosten im Mund trägt.

Wir haben außerdem eine hohe Sparquote, die auch nicht für eine hohe Konsumneigung spricht und mehrheitlich durch die Besserverdienenden geprägt wird. Finanziell potente Zielgruppen haben laut Döhle zudem ein Niveau erreicht, auf dem der Konsum nicht mehr die erste Priorität hat. Außerdem bemängelt er die Nicht-Existenz einer Gemeinschaftswerbung für Matratzen oder Bettwaren. Er führte als Begründung für die Durchführbarkeit solcher Vorhaben Beispiele wie Spanien an, wo es nach seiner Auffassung durchaus effektive Gemeinschaftskampagnen gebe.

Damit nicht genug, beklagte Döhle, dass das Schlafzimmer im Bewusstsein der Deutschen immer noch nicht den gewünschten Stellenwert habe. Nach dem Wohnzimmer, der Küche und dann dem Bad stehe momentan leider der Garten im Fokus. Schließlich konstatierte er noch einen schlechten beziehungsweise nicht existenten Geschmack der Konsumenten.

Im Hinblick auf die Bettenbranche registrierte der Referent ein mangelhaftes Präsenzwissen der Konsumenten, was die Lebensdauer von Matratzen und andere Dinge angeht. Den Ärzten gehe es ähnlich, zumindest was die Bedeutung guter Betten für die Gesundheit bedeutet. Durch die grassierende "Rabattitis" hat sich eine Verschiebung des Preisniveaus nach unten vollzogen und auch die Bedeutung der Vertriebskanäle hat eine Veränderung erfahren. Wenn jemand trotz aller negativer Vorgaben Zuwächse erzielt, dann kämen sie nicht aus dem Markt sondern vom Wettbewerb, so Döhle. Schließlich gibt es noch den Importdruck, da das Ausland vermehrt als verlängerte Werkbank genutzt wird.

Doch damit nicht genug, hielt der Berater seinen Zuhörern noch etliche Vermarktungsdefizite vor Augen. Mangels Marktbefragungen und Pre-Test bei Verbrauchern sei der Konsument für die Industrie häufig ein unbekanntes Wesen. Darüber hinaus gebe es Konzepte, die eigentlich gar keine seien, weil sie den Konsumenten nur in einer Nebenrolle sähen. Weitere Punkte der Kritik: häufig klinische Warenpräsentation in den Geschäften; inkompetente Mitarbeiter, die schlecht ausgebildet sind, ineffiziente Werbebudgets, die Einzelkämpfer-Mentalität in der Branche, statt gemeinsam etwas zu bewegen, seien es Industrie und Handel oder der Handel vor Ort. Hinzu kommt die zum Teil prinzipielle Verdummung der Konsumenten. Beispiel: eine Matratze für den Preis für 149 Euro. Der Haken an der Sache, der Preis gilt nur für das Maß 80x190 Zentimeter.

Aber Döhle sieht trotz dieses recht düsteren Hintergrunds Grund zur Hoffnung und Profilierungschancen in der Branche. Schlafen, so seine Prognose, werde "sexy". Darum müsse man sich im Verkauf weg vom Bettenberater und hin zum Schlafexperten bewegen. Statt nur eine Matratze zu verkaufen, müsse man mehr Gewicht darauf legen, ganze Schlafräume einzurichten. Auch teurere Produkte haben eine Chance, wenn man den Kunden den echten Nutzen erklären kann. Künftig müsse man sich kleinere Zielgruppen greifen und ihnen spezielle Angebote machen, zum Beispiel Singles oder Senioren. Es gibt auch Randzielgruppen, die Aufmerksamkeit verdienen, Schwergewichtige, Lange oder körperlich Behinderte. Der Kunde verlangt nach Döhles Auffassung nach Einfachheit in den Produkten - prima für das Bett, das eben nicht komplex strukturiert ist. Ferner riet Döhle in Frankfurt, auf der Gesundheitswelle mit zu schwimmen. Und er riet dringend davon ab, dass jetzt alle in den Premium-Bereich abdriften. "Die Mitte ist nicht tot, sie hat weiterhin ihren Reiz", rief Döhle den Teilnehmern zu. Trends, die demnächst kommen, sind für ihn altersgerechte Produkte, Funktions-Textilien und Boxspring-Betten. Uns warum nicht einmal einen Markenstore wagen, ein Haus des Schlafs mit den Produkten mehrerer Hersteller?
aus Haustex 08/06 (Handel)