Blick über den Tellerrand - Ein mutiges Unternehmen gibt Denkanstöße

Das Abenteuer lockt im Outdoor-Store

Die Situation des Einzelhandels hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Wer heute erfolgreich sein will, braucht ein Konzept, das sich an den Anforderungen des Endverbrauchers orientiert. Ganz oben auf der Wunschliste vieler Einzelhandelskunden stehen Erlebnis und Unterhaltung. Der Hamburger Outdoor-Spezialist Globetrotter wurde schon mehrfach für seine erlebnisorientierte Ladengestaltung ausgezeichnet. In seinem neuen Flagschiff in Köln ist ihm die bislang spektakulärste Inszenierung gelungen.

Ein Erlebnistag für die ganze Familie - dazu müssen die Kölner nicht weit fahren, es reicht eine kurze Anreise zum ehemaligen Einkaufszentrum Olivandenhof mitten in der Innenstadt. Denn hier hat das Hamburger Unternehmen Globetrotter Anfang März eine neue Filiale eröffnet, die zum Abenteuer-Shopping einlädt. "Träume leben", lautet der ausgegebene Werbeslogan. Mit einer Verkaufs- und Eventfläche von 7.000 Quadratmetern ist es der bisher größte Store des Spezialisten und gleichzeitig sein erster Innenstadt-Standort. Zudem ist es das größte Outdoor-Fachgeschäft in ganz Europa. 15 Millionen Euro wurden investiert, wobei Vermieter Axa Rem und Globetrotter die Kosten zu gleichen Teilen tragen.

Das Gebäude wurde bislang als Einkaufspassage mit 60 einzelnen Ladenlokalen genutzt. Innerhalb von 18 Monaten Planungs- und Bauzeit gestalteten mehr als 300 Handwerker alles um, vom Ursprungszustand blieb nur die denkmalgeschützte Fassade übrig. Raumteiler und Rolltreppen wurden entfernt, gläserne Fahrstühle und eine Erlebnistreppe im zentralen Lichthof eingebaut. Riesige Stoffsegel unter der Dachkonstruktion schirmen die Verkaufsetagen von den beiden oberen Büroetagen ab; eine davon nutzt Globetrotter.

Vogelgezwitscher aus dem Regenwald

Die Kunden werden mit Vogelgezwitscher aus dem Regenwald begrüßt. Hinterleuchtete Dschungel-Motive an den Wänden sorgen nicht nur für Urlaubsstimmung, sondern auch für Überraschungsmomente, wenn plötzlich Frösche oder eine Eule per Bildschirm ins Blickfeld des Betrachters kommen. Wirklich echt sind die 70 tropischen Quallen im drei Meter hohen Aquarium mit eineinhalb Meter Durchmesser. Für den Biologie-Unterricht bieten sich durchaus auch die vielen Glasvitrinen an, die unter anderem Moose, Muscheln oder Steine zeigen. Und selbst der Besuch der Kundentoilette gerät zum Abenteuer: Diesel-Geruch, Motorgeräusche und Bullaugen mit Hochseeblick lassen die männlichen Kunden auf dem Kutter-Klo ins Schwanken geraten. Und bei den Damen auf dem Schweden-Klo schaut ein Elch zum Fenster herein.

Zurück in einer der vier Etagen können die Kunden nahezu alles, was sie kaufen wollen, an Ort und Stelle ausprobieren. Aber Vorsicht: Wer eine Taschenlampe in der Dunkelkammer testet, wird von einem Alien überrascht, der durch das fiktive Zeltdach blickt. Für Gänsehaut sorgen in der Kältekammer arktische Temperaturen und unterschiedliche Windverhältnisse, sofern nicht vorher entsprechende Outdoor-Bekleidung angelegt wurde. Mit Hilfe einer fest installierten Wärmebildkamera lässt sich die Wärmeleistung von Jacken und Schlafsäcken überprüfen. Und in der Regengrotte, in der eine Windmaschine zusätzlich Sturmböen produziert, kann ein Härtetest in Sachen Wasserdichte durchgeführt werden. Für Kletterfans schließlich steht ein gläserner Klettertunnel mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden und einem Über-Kopf-Parcours zur Verfügung.

Tauchkurse im Globetrotter-Store

Hauptattraktion aber ist die 240 qm große Wasseraktionsfläche im Untergeschoss. Sie war zunächst "nur" für die Erprobung von Kanus und Faltbooten gedacht. "Dann haben wir uns überlegt, die Betondecke zum Tiefkeller zu durchbrechen", berichtet Architekt Professor Holger Moths, der für die Planungen und die Realisierung der neuen Filiale verantwortlich zeichnet. Bei bis zu 4,30 Meter Tiefe können nun auch Tauchprodukte getestet werden. Eine Tauchschule will dort künftig sogar Kurse abhalten.

Flächenmieter sind ein Restaurant, das kulinarische Trips rund um die Erde anbietet, ein Reisebüro, in dem von der Abendteuer-Tour im Himalaya bis zum Familienurlaub an der Ostsee alles gebucht werden kann, sowie eine Reisepraxis, in der zwei auf Tropenmedizin spezialisierte Ärzte über medizinische Reisevorbereitungen informieren und gleich die notwendigen Impfungen verabreichen. Die Reisebuch-Abteilung mit mehr als 12.000 Titeln betreibt Globetrotter in Eigenregie. Hier ist umfassendes Kartenmaterial über jeden noch so entlegenen Winkel der Erde zu finden. Hinzu kommt eine Internet-Lounge, die zu Weltreisen der virtuellen Art einlädt.

Kein Mitbewerber erreicht eine derartige Angebotsfülle

Insgesamt 25.000 Artikel und 600 Marken stehen zur Auswahl, von der Outdoor-Jacke bis zur Taschenlampe, vom Kletterseil bis zum Satellitentelefon - letzteres erhältlich im so genannten Männergarten auf der Technikfläche. Kein Mitbewerber erreicht eine derartige Angebotsfülle. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Mit den eigenen Kollektionen liefert Globetrotter Einsteigerprodukte und kann zudem auf neue Entwicklungen flexibel reagieren.

"Der Kunde ist bereit, für qualifizierte Beratung Geld auszugeben"

Für den reibungslosen Ablauf vor und hinter den Kulissen sorgen 100 Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze zu Beginn des Jahres neu geschaffen wurden. Der jüngste ist 16, die älteste 58 Jahre alt. Es werden hohe Ansprüche gestellt: Alle Mitarbeiter müssen Reise-Erfahrung mitbringen und ein Hobby im Outdoor-Bereich haben, denn sie sollen das Lebensgefühl des Globetrotters verkörpern und so eine "Community" mit dem Kunden aufbauen. Zusätzlich schult Globetrotter intensiv, damit die Mitarbeiter fit sind für die enorme Bandbreite an Kunden, die vom Outdoor-Einsteiger bis hin zum Expeditionsteilnehmer, vom Zweijährigen bis zum Rentner reicht. "Die Mitarbeiter sind für uns das größte Kapital. Denn sie vermitteln die so wichtige Fachkompetenz. Für die Zukunft ist das ein ganz entscheidendes Erfolgskriterium", sagt Geschäftsführer Thomas Lipke. Bei Globetrotter betreut ein Verkäufer durchschnittlich 100 Quadratmeter Verkaufsfläche, durchaus üblich ist sonst eine viermal so große Fläche. Der Personalkostenanteil liegt bei 20 Prozent, bei Mitbewerbern teilweise unter 10 Prozent. "Das ist zweifelsohne hoch, doch ich sehe es als Aufgabe fürs Head-Office, in anderen Bereichen nach Sparmöglichkeiten zu suchen. Der Kunde ist bereit, für qualifizierte Beratung Geld auszugeben", betont Lipke.

"Nur so kommen wir im Einzelhandel weiter nach vorne."

Kernstück der Unternehmensphilosophie aber sind die spektakulären Inszenierungen, die allerdings häufig nicht im Einklang mit den Empfehlungen von Fachleuten stehen. "Wir vernachlässigen bewusst Quadratmeter-Umsätze einzelner Sortimente, um mehr Freiraum für Kreativität zu erhalten", berichtet Lipke. Beispiel Wasseraktionsfläche: "Da werfen die Strategen natürlich sofort die mangelnde Rentabilität ein, und das auch noch in der so wichtigen Fläche im Erdgeschoss", sagt er. Ähnlich hätten die Skeptiker reagiert, als Globetrotter erstmals in Hamburg eine Kältekammer einrichtete: "Da wurde uns vorgerechnet, was das doch an Unterhalt kosten würde. Wir haben uns davon nicht beirren lassen und sie einfach umgesetzt. Solche Entscheidungen brauchen viel Mut, aber nur so kommen wir im Einzelhandel weiter nach vorne."

Im Gegensatz zu vielen anderen Filialisten trägt jeder der sieben auf das ganze Bundesgebiet verteilten Globetrotter-Stores eine andere Handschrift. "Gerade das übt einen großen Reiz aus. Die Menschen nehmen wahr, dass Globetrotter kein Standard-Filialist ist", meint Architekt Moths. Er freut sich über die kurzen Entscheidungswege im Unternehmen: "Die Geschäftsführer sind keine Bedenkenträger. Sie begeistern sich selbst für unsere ausgefallenen PoS-Lösungen." Die Finanzen behalten sie dennoch im Blick. "Bei 1.000 Euro pro Quadratmeter inklusive Technik und Beleuchtung ist Schluss", unterstreicht Lipke.

Globetrotter bleibt auf Expansionskurs

Auch nach der Neueröffnung in Köln bleibt Globetrotter auf Expansionskurs: Europas führendes Outdoor-Handelsunternehmen sieht in Deutschland Potential für zwei bis drei weitere Fachgeschäfte. "Als nächstes haben wir München im Visier", kündigt der Geschäftsführer an.

Das 1979 von den beiden Extremsportlern Klaus Denart und Peter Lechhart gegründete Unternehmen steigerte im abgelaufenen Geschäftsjahr den Umsatz um 18 Prozent auf etwa 118 Millionen Euro. Für 2006 erwarten die Hamburger ein Plus von 25 Prozent. Mit Bekleidung und Schuhen werden etwa 60 Prozent des Erlöses erzielt. Die Bekleidungs-Eigenmarken kommen auf einen Umsatzanteil von 15 Prozent.

----

Was bitteschön hat dieser Artikel in einer Fachzeitschrift für den Teppichhandel zu suchen?

Eigentlich nichts. Das ist schon richtig. Und trotzdem stellen wir den neuen Globetrotter-Store ausführlich vor, ganz bewusst. Was uns nämlich unheimlich beeindruckt hat ist die Art und Weise, mit der Globetrotter an die Aufgabe heran gegangen ist, seine Kunden mit einzubeziehen. Ob es nun interessierte schaulustige Passanten sind oder Outdoor-Freaks, die schon immer mal wissen wollten, wie sich ihre Jacke in einem arktischen Schneesturm anfühlt. Sie können sich sicher sein, der Besuch in diesem Geschäft wird so schnell nicht vergessen. Und wo wir uns auch sicher sind: Preisverhandlungen wird es hier keine geben.

Wir wollen Ihnen, liebe Leser, mit diesem Artikel Denkanstösse liefern. Sicher, die Investitionen, die hier getätigt wurden, können Sie nicht leisten, auch bringen Ihnen Kältekammern und Tauchbecken nichts. Aber lassen Sie doch mal Ihren Gedanken und Ideen freien Lauf, so wie es auch die Menschen hinter diesem Konzept getan haben. Überlegen Sie auch ein Mal was wahr ist an der Aussage, dass Quadratmeter-Umsatz nicht alles ist. Die Frage ist doch für alle Handelsunternehmen die Selbe: Was muss ich machen, dass die Kunden gerne in mein Geschäft kommen?
Tim Steinert
aus Heimtex Orient 04/06 (Handel)