Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Warenkunde

Es ist zwar wichtig, auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner" möglichst mit Ja antworten zu können. Doch alles kann man gar nicht wissen. Etliches muss auch der versierte Fachmann nachschlagen, zum Beispiel im Orientteppich-Kompass mit seiner umfangreichen Fachterminologie. Diese Ratespiel dient also allen dazu, sich ständig weiterzubilden. Wohl auch, sich mal ein wenig selbst zu prüfen. Ein Fachwissen ohne Lücken gibt es nun mal nicht. Daher sind diese Fragen und Antworten ein guter und vor allem ein amüsanter Meilenstein. Wie immer versuchen wir einen Mix anzubieten zwischen zeitgenössischem, neuem und historischem Teppichwissen. Auch da gibt es hin uns wieder neue Erkenntnisse, die zu berücksichtigen sind. Schließlich ist der Orientteppich ein Produkt das lebt und das zugleich auf eine ungeheuer lange Historie und Tradition verweisen kann. In dieser Hinsicht gibt es weltweit keine annähernd vergleichbare Handarbeit.

Daghestan - Nord-Kauskasische Knüpfregion

Das autonome Gebiet Daghestan in Russland ist eine Teppichknüpfregion im Nord-Kaukasus. Daghestan grenzt im Süden an Georgien und Azerbeidjan und im Westen an Tschetschenien, der Osten grenzt an das Kaspische Meer. Die in Daghestan lebenden Turkvölkern der Lesghier, Kümüken, Tabassaran und Awaren knüpfen Orientteppiche und stellen auch Flachgewebe her, vor allem Soumakh.

Der Name der Region Daghestan bedeutet soviel wie Bergland und wurde früher Lesghistan genannt. Dieser Name besteht als Provenienzbezeichnung für Knüpfteppiche dieser Region fort, gilt aber nur für Alt- und Antikknüpfungen, die Lesghier. Diese bestehen in Kette, Schuss und Flor aus Wolle. Bei der neuen Produktion, die unter der Provenienzbezeichnung Akhte Mikrach angeboten wird, ist das Grundgewebe aus Baumwolle. Alle werden mit dem türkischen Knoten geknüpft. Handelszentrum von Daghestan ist die Hafenstadt Derbent. In Derbent ist die einzig noch erhaltene Sassaniden-Festung zu sehen.


Dhurrie - Indisches Flachgewebe

Der Dhurrie, auch Dhurry geschrieben, ist ein preiswerter Webteppich ohne Flor. In Farben und Dessin oftmals modern anmutend, hat er sich in den letzten Jahren junge Käuferschichten erobert. Die Schüsse der Dhurries bestehen normalerweise aus Baumwolle, neuerdings aber auch aus Wolle. Als Kettgarn wird grundsätzlich Baumwolle genommen. Gewebt aus anderen Naturfasern wie Kokos, Sisal oder Jute, wird er Mourzouk genannt.

Farben, Muster und Duktus richten sich an der Nachfrage aus und sind den jeweiligen Einrichtungstrends unterworfen. Diese Aktualität macht den Dhurrie zu einem Einrichtungsartikel für das "Junge Wohnen". Durries sind durchweg robust und lassen sich auch gut als Fußbodenbelag einsetzen. Es ist empfehlenswert eine trittfedernde und rutschhemmende Teppichunterlage zwischen Fußboden und Webteppich zu legen.

In Indien gibt es mehrere weitere Bezeichnungen für den Dhurrie: Der, Darbari und Obra. Im Iran sind sie unter der Bezeichnung Djamchani bekannt.


Basoubandie - Gitterförmiges Allovermuster

Die Kurden aller Regionen sind bekannt für ihren Eklektizismus: Sie übernehmen zwar Muster aus anderen Kulturkreisen, geben sie jedoch neu interpretiert wieder. Das Basoubandie-Dessin mit gitterartigem, das Mittelfeld beherrschendem Duktus, oftmals gruppiert um ein zentrales Medaillon, ist hierfür ein typisches Beispiel. Es taucht überwiegend in kurdischen Knüpfungen auf und dort besonders in den Provenienzen Songhour und Koliay. Das Basoubandie-Muster scheint reine Ornamentierung zu sein und ist inhaltlich kaum zu interpretieren. Jedoch fällt auf, dass bestimmte Lotto-Uschaks ebenfalls ein Gittermuster aufweisen, allerdings in viel reichhaltigerer bis verspielter Gestaltung. Weitere Gittermuster zeigen sich in neuen Beschirknüpfungen Nord-Afghanistans, deren Verbindungslinien entfernt an das Mina-Chani erinnern.

Das persische Wort Basoubandi bedeutet auf Deutsch Armreif, genauer Oberarmreif. Basou heißt Bizeps, Bandie heißt Armband. Pate für dieses Dessin standen ursprünglich die in Persien Suhr-Khaneh genannten Sportarten. In Arenen übten Männer meist mit schweren Keulen die altpersische, ritualartige Form eines traditionellen Krafttrainings aus. Ihre mit Stolz getragenen Bazoubandie-Armbänder geben ihren Ausbildungsgrad wieder und bestimmen die Wettbewerbsklasse, ähnlich den farbigen Gürteln der Judokas.


Saronim - Gängiges Teppichformat

Mit Saronim ist im Persischen ein Brückenmaß von ca. 1,10 m x 1,60 m gemeint. Es geht hervor aus dem Sar, einem heute nur noch im Orientteppichhandel gebräuchlichen, altpersischen Längenmaß, das grob einem Meter entspricht, je nach Landstrich etwas mehr oder weniger. Die zweite Silbe -o-nim bedeutet auf Persisch einhalb, woraus sich - übersetzt - die Längenabmessung eineinhalb Sar ergibt. Da die Knüpfstühle den Grundmaßen entsprechen und Saronimgrößen auf dafür vorgesehenen Knüpfrahmengrößen genormter Breiten gefertigt werden, und OT traditionell in etwa dem Goldenen Schnitt entsprechen, steht das Längen/Breitenverhältnis von vornherein fest. Im Türkischen wird dieses, dort allerdings etwas kleine Maßverhältnis, Ceyrek genannt.


Samarkand - Bedeutende Stadt in Usbekistan

Die usbekische Stadt Samarkand liegt auf einer Hochebene der westlichen Ausläufer des Alaigebirges. gegründet wurde die Stadt schon 1400 Jahre v. Chr. Die Bedeutung Samarkands erklärt sich durch die günstige geographische Lage an der Seidenstraße. Berühmt ist die historische Stadt auch durch die Prachtbauten aus der Zeit des mongolischen Herrschers Timur Lenk, der Samarkand zu seiner Hauptstadt machte.


Kette - Teil des Teppichgrundgewebes

Die Kette besteht aus den Kettfäden, den Längsfäden, im Teppichgrundgewebe. Jeder Knüpfteppich entsteht auf einem Grundgewebe, sozusagen seinem Fundament, das sich Schuss für Schuss, Knotenreihe für Knotenreihe auf der Kette übereinander beim Teppichknüpfen aufbaut. Das Grundgewebe wird also gebildet durch die sich mit 90 kreuzenden Fäden der Kette und des Schusses. Die Kette verläuft am horizontal liegenden Knüpfstuhl vom Teppichknüpfer weg, bzw. senkrecht beim vertikalen Knüpfstuhl. Der Schuss wird immer quer dazu in waagerechter Richtung von links nach rechts eingetragen.


Idyawan-Kasak - Kaukasische Provenienz mit eigenständigem Dessin

Idyawan ist ein Ort und eine kaukasische Orientteppich-Provenienz im Nordosten der Republik Armenien. Die dort geknüpften Idyawan-Kasak haben ein sehr eigenständiges Dessin, dass meist in Vierersymmetrie ein kleinteiliges Muster in immer gleicher Farbkombination Rot-Blau-Beige-Grün zeigt.

Die Knüpfung entspricht der der Kasaks. Kette, Schuss und Flor bestehen aus Schafwolle, geknüpft wird mit dem türkischen Knoten. Man findet auch die Schreibweisen Ischawan, Idschewan und Idjewan.


Ilam - Provenienz im Südwesten Persiens

Die iranische Provinz Ilam mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt grenzt an den Irak. In der Stadt leben hauptsächlich Kurden, im Umland hingegen die Luren. Ihren Namen trägt diese Provinz nach dem antiken Land Elam, das schon die Sumerer erwähnten.

Da in dieser ansonsten unterentwickelten, teils bettelarmen Region nach dem irakisch-iranischen Krieg Arbeitsplätze geschaffen werden sollten, förderte die Regierung hier die Einrichtung von Knüpfstühlen. Die Ilam-Knüpfungen sind somit eine relativ neue Provenienz, die erst Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts von der staatlichen Teppichgesellschaft Scherkate Sahimi Farsch ins Leben gerufen wurde, unter deren Regie diese Knüpfungen nach wie vor entstehen.

Da Ilam auf keine eigene Knüpftradition verweisen kann, ließ man sich von Dessins anderer Provenienzen inspirieren und lehnte sich stark an den Duktus der Isfahan- und Sarough-Arak-Knüpfungen an. Die Farbgebung ist allerdings sanfter, lichter als die der "Paten". Auffällig sind die relativ häufigen Dessins in längssymmetrischer Konzeption.

Wie bei allen Newcomern wird auch viel Kritikwürdiges produziert. Diese Stücke gelangen allerdings kaum in den Export. So zählen die in Deutschland angebotenen Ilams auf Seidengrundgewebe heutzutage mit zum Besten, was persische Teppichknüpfmanufakturen zu bieten haben.


Keithbathlou - Bei den Gashgai verbreitete Musterung

Das sehr signifikante, geometrisch gehaltene Keihbathlou-Muster hat seinen Ursprung in den Knüpfungen der Gashghai-Nomaden Südpersiens, ist häufig aber auch in den Teppichen der Afscharis anzutreffen. Bekannt wurde es durch die Provenienz Abadeh, von deren drei Basisdessins das Keibathlou etwa 60 bis 70 % belegt.

Das Keibathlou ist sehr markant und hält stur an seiner althergebrachten Aufteilung fest: Ein kleines, zentrales Medaillon wird grundsätzlich begleitet von vier rosettenartigen Eckmotiven. Diese Eckmotive schmücken manchmal auch das Innere des Medaillons.

Ebenfalls typisch ist der großrhombige Rahmen des Mittelfeldes, das das eher unterdimensionierte Medaillon umgibt. Das Innenfeld ist immer geschmückt mit kleinen Pflanzen- oder Tier-Motiven. Oft ist zu beobachten, dass die Längssymmetrie missachtet wird und alle Tiere über die Gesamtlänge des Dessins mit den Füßen in eine Richtung weisen.
aus Heimtex Orient 04/06 (Teppiche)