Interview mit Ton S. Raaphorst, Armstrong DLW

"Wir wollen wieder das Vertrauen unserer Kunden gewinnen"

Bei Armstrong DLW scheint nach den personellen Veränderungen an der Führungsspitze ein neuer Wind zu wehen. Schon dass in dem zuvor von Amerikanern dominierten Vorstand nur noch der neue Vorsitzende David Randich aus den USA kommt und die anderen Mitgliedern Deutsche und Niederländer sind, signalisiert, dass man sich endlich ernsthaft dem europäischen Markt und speziell dem wichtigen Markt Deutschland zuwenden will. Als Sofort-Maßnahmen hat sich der Konzern mehr Kundennähe, eine Produktoffensive und mehr Kontuinität in der Strategie - und damit auch im Geschäft - verschrieben. Eine treibende Kraft dahinter ist der neue Vertriebsvorstand Ton S. Raaphorst. BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Steinert sprach mit ihm über den neuen Kurs bei Armstrong-DLW.

BTH Heimtex: Dieses Jahr scheint bei Armstrong-DLW etwas besser zu laufen als 2003. Im ersten Halbjahr haben Sie im Konzern, also inclusive der Textilbeläge den Umsatz auf 193,5 Mio. EUR erhöhen und dabei ein zwar noch deutlich rotes, aber immerhin verbessertes Vorsteuer-Ergebnis von -5,9 Mio. EUR erzielt. In der AG, also nur mit elastischen Belägen, stieg der Umsatz auf 81,5 Mio. EUR und Sie weisen sogar einen kleinen Vorsteuer-Gewinn von 100.000 EUR aus. Hat sich diese Entwicklung in den Folgemonaten fortgesetzt? Wie sahen die Zahlen nach den ersten neun Monaten aus?

Ton Raaphorst: Das dritte Quartal zeigt ebenfalls eine leichte Verbesserung gegenüber dem Vorjahr, das hatten wir aber auch erwartet, weil 2003 ein schlechtes Jahr war, im Umsatz wie im Ergebnis. Dabei war der Juli eher ruhig, August und September waren relativ gute Monate für uns, sowohl in Europa als auch in Deutschland. Wobei uns die positive Entwicklung in der AG in Deutschland nicht überrascht hat - wir arbeiten hart daran, das Geschäft zu verbessern. Bei Linoleum spüren wir das schon konkret, das lief in Deutschland ziemlich gut und wir wachsen damit auch in einigen anderen Ländern. Wir reden jetzt nicht von einem außerordentlichen Plus, aber wir registrieren Woche für Woche, Monat für Monat leichte Steigerungen - in Deutschland, in Frankreich, wo wir mit Linoleum bislang keine große Marktbedeutung hatten, in Großbritannien, in den Benelux-Ländern, auch in den Niederlanden, wo unser Wettbewerb den Markt seit Jahrzehnten dominiert, wir aber momentan mit unserer neuen Kollektion an Boden gewinnen.

Auch CV-Belägen haben im dritten Quartal leicht zugelegt, der Verkauf hat angezogen und die Preise waren auch nicht schlecht.

Und was im dritten Quartal noch gut bei uns gelaufen ist, sind Designfliesen, unsere Kollektion Scala. Sie stellt zwar relativ gesehen nur einen kleines Geschäft für uns dar, geht gerade in Deutschland aber richtig gut.

Was für uns in Deutschland wichtig ist, sind Teppichfliesen. Und auch die machen uns zur Zeit Spaß; mit denen haben wir dieses und für nächstes Jahr einige Großobjekte gewonnen.

Also insgesamt war das dritte Quartal durchaus positiv für uns, mit Zuwächsen gegenüber dem Vorjahres-Quartal und auch gegenüber dem ersten und zweiten Quartal. Wir hoffen, dass dieser Schwung bis Ende des Jahres und auch nächstes Jahr noch anhält....

BTH Heimtex: Kurze Zwischenfrage: Wieviel Umsatz machen Sie denn mit Teppichfliesen?

Raaphorst: Europaweit ca. 80 Mio. EUR. Damit gehören wir zu den größten Anbietern.

BTH Heimtex: Nochmal zurück zu Ihren Zahlen. Wir haben eben nur über den Umsatz gesprochen, wie hat sich das Ergebnis entwickelt? Können Sie in der AG die schwarze Null bis zum Jahresende halten?

Raaphorst: Das kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Fest steht, dass wir 2003 aus verschiedenen Gründen einen großen Verlust geschrieben haben und dieses Jahr hart gekämpft haben, um das Ergebnis zu verbessern.

BTH Heimtex: Sie erwähnten eben, dass Sie Linoleum dazugewinnen konnten; das höre ich aus dem Markt. Allerdings heißt es dort auch, dass bei Linoleum momentan mit harten Bandagen gekämpft wird. Erkaufen Sie sich diese Zuwächse?

Raaphorst: Das ist eigentlich nicht unsere Strategie. Wobei in Deutschland momentan schon ein harter Preiskampf bei Linoleum herrscht und wir uns dem nicht ganz entziehen können. Wir sind aber nicht bereit, die Preise extrem herunterzufahren. Das ist wie gesagt nicht unsere Strategie in Deutschland.

BTH Heimtex: Aber in anderen Ländern...?

Raaphorst: Ja, dort gehen wir zum Teil anders vor. In Deutschland haben wir einen guten Marktanteil von 60% in Linoleum, den wollen wir natürlich halten und dabei auch die Preise einigermaßen stabil halten.

In anderen Ländern wie Großbritannien, Holland, Belgien oder Frankreich gehen wir aggressiver vor: dort wollen wir unser Marktvolumen bzw. unserem Marktanteil möglichst schnell vergrößern.

BTH Heimtex: Wenn Sie sich das leisten können, muss Ihre Umsatzrendite bei Linoleum ganz gut sein....Lassen Sie mich daran anknüpfen. In einem Zeitungsartikel hat der frühere DLW-Vorstandsvorsitzende Dr. Bernd Pelz Ihre Liquidität in Frage gestellt. Entspricht das den Tatsachen? Sind Sie als Unternehmen ernsthaft gefährdet, wenn der Markt noch weiter schrumpft?

Raaphorst: Nein. Auf Basis der heutigen Realität wird unsere Liquidität nicht in Frage gestellt.

BTH Heimtex: In den letzten Jahren wirkte Armstrong-DLW sehr USA-abhängig, schon allein wegen der amerikanischen Dominanz im Vorstand. Wie weit nimmt Ihre US-Mutter aktuell Einfluss auf das Geschäft?

Raaphorst: Bevor ich im April 2004 zu Armstrong-DLW kam, habe ich den amerikanischen Einfluss für viel stärker gehalten. Momentan halten sich die Amerikaner sehr zurück. Michael Lockhart, der Vorstandsvorsitzende von Armstrong, ist ein guter Mann. Er respektiert die unterschiedlichen Länder und Kulturen in Europa und hat auch für einen europäischen Vorstand hier votiert, der das Geschäft in Europa versteht.

Wir werden zwar jeden Monat an unseren Zahlen gemessen, Strategie und Ausführung unserer Strategie liegen aber komplett bei uns. Da mischen sich die Amerikaner nicht ein. Sie haben zur Zeit sehr viel Vertrauen in die Europa-Aktivitäten, wollen darin investieren und es weiter aufbauen und sind sicher, dass wir das Geschäft wieder auf die Beine bekommen.

BTH Heimtex: Wir hatten eben schon einmal das Stichwort Restrukturierung. Wie weit sind Sie damit fortgeschritten? Nehmen wir das Beispiel Bietigheim-Bissingen: Ihr neuer Vorstandschef David Randich hat verschiedentlich dazu geäußert, dass das Werk nur zu 50% ausgelastet sei, wobei nicht klar war, ob er die Textilproduktion, homogene PVC-Beläge, Designfliesen oder alle Bereiche insgesamt meint.

Raaphorst: Es stimmt, Randich hat über die Auslastung gesprochen, aber damit nicht nur Bietigheim gemeint. Wir haben 7 Werke in ganz Europa: zwei in Deutschland, eins in den Niederlanden, zwei in Belgien, eins in Schweden und eins in England. Das ist sehr viel - und natürlich müssen wir uns mittelfristig genau prüfen, welche Werke Sinn machen, wo wir etwas zusammenlegen können und wo wir am effizientesten produzieren. Dafür gibt es aber noch kein konkretes Programm.

BTH Heimtex: Ist denn beispielsweise eine Textilproduktion in Bietigheim noch notwendig? Sie verfügen doch über genügend Kapazitäten in den Niederlanden und Belgien...

Raaphorst: Grundsätzlich ist die Frage nach dem Fortbestand der Produktion in Bietigheim schon oft gestellt worden. Wir haben sie klar beantwortet: Bietigheim ist eine wichtige, große Produktionseinheit für uns und es ist unser Ziel, sie weiter zu führen.

BTH Heimtex: Trotzdem nochmal dezidiert die Frage nach Textil; wenn ich da Ihren Produktvorstand Andreas Böttger mit einer Aussage zitieren darf, die er im Juli gemacht hat: "Wenn wir kein zusätzliches Volumen für die Textilproduktion in Bietigheim bekommen, müssen wir handeln...."

Raaphorst: Das ist auch so. Die Textilqualitäten, die wir in Bietigheim produzieren, sind in erster Linie Flächenware für die Automobilindustrie, sprich Daimler Chrysler und Porsche, wir machen dort aber auch Objektware. Weil die Automobilproduktion zur Zeit gedrosselt wird, arbeiten wir daran, die Auslastung durch gezielte Produktentwicklungen für den deutschen Markt zu verbessern.

BTH Heimtex: Und homogene PVC-Beläge stellen Sie nur in Bietigheim her oder auch in Schweden?

Raaphorst: Nur in Bietigheim. In Schweden produzieren wir heterogene PVC-Beläge.

BTH Heimtex: Ihre CV-Produktion haben Sie vor einigen Jahren im britischen Teesside konzentriert. In amerikanischen Medien wurde kürzlich darüber spekuliert, dass das Werk Teesside auf dem Prüfstand stünde und eventuell sogar von der Schließung bedroht sei....

Raaphorst: Da ist überhaupt nichts dran. Wir sind mit CV-Belägen gut im Geschäft, auch auf dem deutschen Markt, wir haben viele gute deutsche Kunden für CV und wir wachsen auch mit CV. Also kann keine Rede davon sein, dass wir das Werk schließen wollen.

BTH Heimtex: Aber die Fabrik ist schon 27 Jahre alt und damit eventuell nicht mehr wettbewerbsfähig gegenüber den hochmodernen Produktionen auf dem Kontinent.

Raaphorst: Das wollen wir ja prüfen. Deshalb wollen wir ein Benchmarking-System einführen, um uns konkret mit den guten Wettbewerbern vergleichen zu können und daraus dann abzuleitenn, ob und wie viel wir investieren müssen. Aber es geht überhaupt nicht um die Frage, ob wir komplett aus dem CV-Bereich aussteigen.

BTH Heimtex: Sie müssten ja nicht komplett aus dem Bereich aussteigen, nur aus der eigenen Produktion. Theoretisch braucht man doch heute kein eigenes Werk mehr; es gibt so viele freie Kapazitäten auf dem Markt, die man nutzen kann - und einige Anbieter praktizieren das auch.
Raaphorst: Bei uns steht das momentan nicht zur Diskussion.

BTH Heimtex: Insgesamt ist der Prozess der Produktionsoptimierung also noch nicht ganz abgeschlossen....

Raaphorst: Nein, wir sind schon seit einigen Jahren dabei, haben zum Beispiel in Delmenhorst, in Bietigheim und in Belgien auch kräftig investiert und es wird sich auch noch einige Jahre hinziehen. Wobei wir wie gesagt, noch keine konkrete Planung haben. Klar ist, dass wir uns von uns keiner Produktgruppe trennen wollen, sondern das gesamte Portfolio behalten und umsatz- und gewinnbringend vermarkten wollen.

BTH Heimtex: Und wie sieht es mit der Umstrukturierung und Neuausrichtung Ihres Vertriebes aus? Sind Sie damit durch?

Raaphorst: Ja. Wir haben jetzt eine schlagkräftige Mannschaft in Europa, insgesamt fast 300 Verkäufer. Wobei viele irrtümlicherweise meinen, dass unser Außendienst immer alle unsere Produkte vermarkten soll. Das ist gar nicht unsere Strategie; sie sollen schon über unser ganzes Sortiment Bescheid wissen und vernünftig argumentieren können, aber sie brauchen kein ausgewiesener Spezialist für jedes einzelne Produkt sein. Das geht gar nicht. Wohl gibt es aber welche, die sich mehr auf textile oder elastische Beläge konzentrieren.

BTH Heimtex: Anfangs haben Sie auch mit den massiven personellen Veränderungen in Ihrem Außendienst für Irritation im Großhandel gesorgt, inzwischen höre ich dort keine Klagen mehr. Im Gegenteil. Ein Kritikpunkt ist allerdings, dass sich Ihre Mannschaften für den Großhandel und für die Direktkunden vor Ort Konkurrenz machen. Das kann nicht in Ihrem Sinne sein.

Raaphorst: Natürlich nicht. In Ausnahmefällen mag das vorkommen. Auf jeden Fall ist das ein Problem, das wir vom Management her intern lösen müssen.

BTH Heimtex: Nicht nur an der Basis sind neue Gesichter, auch in der Führungsspitze. Und: Das erste Mal seit der Übernahme von DLW durch Armstrong wird der Vorstand nicht von Amerikanern dominiert. Nur noch der Vorsitzende ist Amerikaner, Sie und Ihre Kollegen sind Holländer oder Deutsche. Das sieht fast danach aus, als ob Sie es mit einer verstärkten Hinwendung zum europäischen und speziell zum deutschen Markt ernst meinen.

Raaphorst: Absolut. Uns ist bewusst, dass wir Fehler gemacht haben und dass wir gerade den Großhandel, der unsere wichtigste Kundengruppe in Deutschland ist, nicht gut betreut haben. Aber das werden wir ändern und wollten hier mit unserer Veranstaltung in Delmenhorst im Herbst ein erstes Zeichen setzen. Abgesehen davon habe ich mir persönlich vorgenommen, 2005 sehr viel Zeit mit und bei unseren Großkunden in Deutschland zu verbringen. Ich will in einem Jahr den Markt kennenlernen, möglichst viele unserer wichtigen Kunden und ich will lernen, wie sie denken und was sie brauchen. Sie können mich beim Wort nehmen.... Damit bin ich im Übrigen gleich bei unserer neuen Strategie. Dabei haben vier Faktoren für uns Priorität: Erstens unsere Kunden, zweitens unsere Produkte, drittens unsere Mannschaft und viertens Stabilität in das Geschäft hinein zu bringen - zum Beispiel, indem wir unsere Strategie nicht wie früher jedes Jahr ändern, sondern für drei Jahre festschreiben. Meine Aufgabe ist nicht nur, diese Strategie mit voran zu treiben, sondern auch wieder Vertrauen bei den Kunden zu gewinnen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass wir seriös sind und mit ihnen gemeinsam in die Zukunft gehen wollen.

BTH Heimtex: An der Seriösität von Armstrong DLW hat sicher niemand gezweifelt, nur daran, dass Sie der deutsche Markt interessiert. Wobei Ihnen zu Gute kam, dass der Handel bei bestimmten Produkten wie Linoleum nicht an Ihnen vorbei kam, dafür haben Sie bei anderen Segmenten wie CV verloren, wo er auf andere Lieferanten ausweichen konnte... Sie sagten eben, erste Priorität liegt auf den Kunden, zweite auf den Produkten. Was planen Sie dort?

Raaphorst: Wir werden eine regelrechte Produktoffensive starten; wir haben zwar in den letzten Jahren immer mal wieder schöne neue Produkte auf den Markt gebracht, aber viel zu wenig. Jetzt werden wir ein richtiges Feuerwerk zünden. Die neue Linoleum-Kollektion haben wir gerade eingeführt, auf der Bau werden wir unsere neue PVC-Kollektion mit homogenen und heterogenen Belägen vorstellen und gleich danach auf der Euroshop das neue Scala-Designfliesenprogramm. Und im Textilbereich möchte ich 2005 auch noch etwas machen, den haben wir lange vernachlässigt, speziell die Bahnenware. Dabei ist das gar kein kleines Geschäft für uns, immerhin 100 Mio. EUR, davon 80% im Objekt und 20% im Wohnbereich, die wir vorwiegend in Deutschland, den Niederlanden und Belgien absetzen. Und klar gesagt: Das, was andere in diesem Bereich können, können wir auch.

BTH Heimtex: Sie sagten vorhin, dass Sie sich von keinem Produktsegment trennen wollen. Könnte es denn andersherum sein, dass Sie Ihr Sortiment wie früher schon einmal mit Handelsware abrunden?

Raaphorst: Nein. Wir haben in den letzten Monaten darüber nachgedacht, uns dann aber dagegen entschieden, weil wir momentan genügend eigene Produkte mit Wachstumspotenzial haben.

BTH Heimtex: Wo Sie noch Handlungsbedarf haben, ist Ihre Markenpolitik. Die ist weder schlüssig noch transparent mit Armstrong Floor Products Europe als Firmennamen - was sowieso kein Mensch sagt - und den ganzen Produktmarken, zum Teil sogar mehreren in einem Segment wie bei Nadelfilz. Und zu allem Überfluss lassen Sie starke Marken wie DLW, die ein echtes Kapital darstellen, einfach unter den Tisch fallen.

Raaphorst: Sie haben Recht, unsere Markenstrategie ist nicht transparent. Daran werden wir auch noch arbeiten. Momentan haben aber erst einmal die Produkte Vorrang.

BTH Heimtex: Immer mal wieder wird spekuliert, dass sich Ihre amerikanische Mutter von Ihnen trennen will. Angesichts Ihrer ganzen Vorhaben, Planungen und Investitionszusagen klingt es, als seien eventuelle Verkaufsabsichten erst einmal auf Eis gelegt....

Raaphorst: Man kann natürlich nicht die Zukunft vorhersagen, ich kann Ihnen aber versichern, dass die Amerikaner momentan nicht beabsichtigen, sich von dem europäischen Geschäft zu trennen.

BTH Heimtex: Und wieder andersherum betrachtet: Wäre es denkbar, dass Sie zukaufen? Halten Sie Ausschau nach einer Akquisition, die passen könnte?

Raaphorst: Nein, auch das nicht.
aus BTH Heimtex 01/05 (Wirtschaft)