Interview mit Dr. Christian Schäfer, Martin Schäfer, Peter Farber

"Wir wollen uns zum textilen Vollsortimenter entwickeln"

Mit Erstaunen hat die Branche in den letzten zwei Jahren die regen Akquisitions-Aktivitäten der Wirth-Gruppe beobachtet. In rascher Folge übernahm die familiengeführte Formation, besser bekannt unter ihren Stammunternehmen Dura und Filzfabrik Fulda, Hochwert-Anbieter Zoeppritz, Spinnerei und Nadelfilz-Produktion von Falke, die Schweizer Teppichfabrik Malans und Nadelfilzspezialist Borgers. Laufen die Hessen nicht Gefahr, sich damit zu verzetteln oder gar zu verheben? Und welche Strategie steht hinter den ganzen Zukäufen? Das wollte BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Steinert von den beiden Gesellschaftern Dr. Christian Schäfer und Martin Schäfer und Dura-Geschäftsführer Peter Farber wissen.

BTH Heimtex: Sie haben in der Branche mit Ihren Akquisitionen für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Jeder fragt sich, wie Sie die ganzen Zukäufe finanzieren und was Sie mit dieser Akquisitionsstrategie bezwecken....

Dr. Christian Schäfer: Im Allgemeinen oder im Besonderen?

BTH Heimtex: Erstmal im Allgemeinen.

Dr. Christian Schäfer: Wir haben vor gut zwei Jahren als Strategie festgelegt, dass wir uns zum textilen Vollsortimenter entwickeln wollen und uns ganz klar auf die Fahnen geschrieben, dass wir neben unserem klassischen Kerngeschäft weitere textile Segmente besetzen wollen. Und im Zuge dieser Strategie haben wir Nadelfilz und auch Spinnerei-Kapazitäten hinzu akquiriert.

Die Spinnerei bot sich aufgrund der hohen Konzentration in diesem Bereich an; es gibt kaum noch hoch qualifizierte Spinnereien in unserer Branche. Nadelfilz war für unsere Firmengruppe wichtig und wir hatten ganz klar die Alternative, hier am Standort in die Produktion oder extern zu investieren. Da wir mit Borgers schon über gemeinsame Aktivitäten im Automobilsektor bekannt waren, bot sich der Kontakt hier an.

BTH Heimtex: Aber warum belasten Sie sich mit einer Produktion? Das ist doch angesichts der vielen Überkapazitäten am Markt gar nicht nötig.Sie könnten problemlos alles zukaufen, was Sie wollen - was Sie im Übrigen bei bei bestimmten Produktsegmenten auch tun

Dr. Christian Schäfer: Genau, wir machen gar nicht alles selbst. Wir lassen diverse Artikel woanders fertigen, um unsere Produktion nicht aufzublähen.

BTH Heimtex: Man trennt sich nicht von profitablen Unternehmungen. Also liegt der Schluss nahe, dass Ihre Akquisitionen Baustellen darstellen. Reichen dafür erstens Ihre finanziellen Mittel und zweitens Ihre Management-Kapazitäten aus?

Dr. Christian Schäfer: Lassen Sie mich dazu zwei Dinge sagen: Erstens stimmt das so nicht und zweitens haben wir etwas Erfahrung mit Baustellen und wissen, an welchen Stellen Schrauben zu drehen sind. Es war nicht so, dass diese Unternehmungen nicht erfolgreich waren - sie passten nur nicht mehr in die strategische Ausrichtung der vorherigen Eigentümer. Das gilt besonders, aber nicht nur für Borgers.

BTH Heimtex: Direkt gefragt: Die Akquisitionen waren also profitabel?

Dr. Christian Schäfer: Ich will es mal so formulieren: Sie waren nicht unprofitabel. Unter profitabel verstehe ich schon etwas anderes.

BTH Heimtex: Aber sie haben keine roten Zahlen geschrieben?

Dr. Christian Schäfer: Nein.

BTH Heimtex: Nadelfilz so weit so gut...aber was wollen Sie mit einer Spinnerei, die sich auf Wollgarne und Spezialitäten konzentriert, die Sie gar nicht verarbeiten?

Dr. Christian Schäfer: Nicht, dass Sie das jetzt missversthen, dass ich hier etwas verkaufen will, was gar nicht vorhanden ist, aber auch die Spinnerei macht Sinn - schon allein wegen des immensen Know-Hows, das dort vorhanden ist und sich nicht allein auf Spezialitäten erstreckt.

Das sichert uns Unabhängigkeit angesichts der bereits erwähnten Konzentration in diesem Bereich. Sollte einer der entsprechenden Lieferanten auf die Idee kommen, seine Position für Monopolpreise auszunutzen, sind wir in der Lage, kurzfristig eigene Kapazitäten aufzubauen und die aufgrund unserer Automobil-Aktivitäten auch problemlos zu füllen.

BTH Heimtex: Nochmal zurück zur Ausgangsfrage. Selbst wenn wir jetzt davon ausgehen, dass die Zukäufe keinen akuten Finanzierungsbedarf haben, der über normale Liquidität hinausgeht, kosten Übernahmen bzw. Integrationen in der Größenordnung immer Geld. Nun hat die Wirth-Gruppe selbst gerade eine tiefgreifende - und teure - Restrukturierung hinter sich. Stehen Sie inzwischen finanziell auf so sicheren Füßen, dass Sie sich solche Spielwiesen leisten können?

Dr. Christian Schäfer: Ja.

BTH Heimtex: Wenn Sie dazu etwas mehr sagen und das mit Zahlen untermauern könnten, würde es die Branche sehr beruhigen.

Dr. Christian Schäfer: Wir haben diese Akquisitionen gemacht, weil wir sie für strategisch richtig halten und wir können es uns leisten. Sie haben Recht, wir sind durch schwere Jahre gegangen, verfügen aber mittlerweile glücklicherweise nach einer erfolgreichen Restrukturierung wieder über eine sehr gute Basis. Dass man ständig weiter daran arbeiten muss, ist klar.

BTH Heimtex: Noch ein Schlenker zurück zum Thema Borgers. Warum haben Sie den Nadelfilz-Spezialisten Borgers nicht beim Nadelfilz-Spezialisten Filzfabrik Fulda integriert, sondern beim Tufter Dura?

Peter Farber: Das ist relativ schnell erklärt: Weil wir die Dura zum textilen Vollsortimenter entwickeln wollen. Wir haben die letzten zwei, drei Jahre damit verbracht, unser angestammtes Sortiment in Ordnung zu bringen, das ist jetzt mit der Vorstellung unserer neuen Kollektionen auf der Domotex abgeschlossen und dann geht es daran, die Dura in die Breite zu entwickeln. Das heißt zum einen, in andere Produktbereiche vorzudringen und zum anderen, die Firma auch noch stärker zu internationalisieren. Und da passt Borgers mit seinem Nadelfilz, seinen Fliesen und seiner Exportstärke von deutlich über 30% Anteil optimal hinein.

BTH Heimtex: Und was istmit der Filzfabrik Fulda? Sie scheint innerhalb der Wirth-Gruppe angesichts der ganzen Investitionen und Akquisitionen etwas im Schatten zu stehe....

Martin Schäfer: Keinesfalls. Die Filzfabrik Fulda war und ist eine bekannte Marke in der Bodenbelagsbranche. Im übrigen hatten wir uns schon im Vorfeld der Akquisition der Falke-Aktivitäten darüber verständigt, dass wir die Filzfabrik Fulda bzw. FFF als eigenständige Marke weiterführen und positionieren. Wir beanspruchen mit der Filzfabrik Fulda ganz klar eine führende Stellung am Markt und unterstreichen das ja auch, indem wir ganz besondere Artikel präsentieren wie unsere Qualität Chip, die auf sehr gute Resonanz stößt. Das merken wir an den Kollektionen, die wir am Markt platziert haben, das merken wir am Auftragsbestand und wir merken das auch daran, dass sich uns neue Marktsegmente öffnen. So war die Filzfabrik Fulda traditionell stark handelsorientiert. Inzwischen spüren wir, dass das Interesse von Architekten und Objekteuren an uns wächst.

Insofern kann man am Markt ohne weiteres zweimal vertreten sein, wenn dahinter zwei gute Marken wie Dura und die Filzfabrik Fulda stehen.

Dr. Christian Schäfer: Wir glauben, dass wir mit diesen zwei unterschiedlichen Gesichtern am Markt letztlich mehr Marktanteil für die Gruppe gewinnen können als nur mit einer Marke.

BTH Heimtex: Obgleich sich Ihr Vertrieb vor Ort beim Kunden Konkurrenz macht?

Martin Schäfer: Das soll er sogar. Dieser interne Wettbewerb spornt auch an.

BTH Heimtex: Nadelvlies-Bodenbeläge stellen nur einen Teil des ungeheuer vielfältigen Produktportfolios bei der Filzfabrik Fulda da. Andere Segmente wie technische Textilien sind sicher profitabler. Tragen Sie sich mit dem Gedanken, sich irgendwann bei der Filzfabrik von Bodenbelägen zu verabschieden und sich auf zukunftsträchtigere Produkte zu konzentrieren?

Martin Schäfer: Nein, sicher nicht. Wir arbeiten weiter an neuen Produkten, an unseren Kollektionen und daran, unsere Marktposition auszubauen. Im Nadelfilzbereich gibt es einen Kuchen, der verteilt wird und von dem vertragen wir noch ein großes Stück....

BTH Heimtex: Dann andersherum gefragt: Wären denn auch Akquisitionen bei der Filzfabrik denkbar?

Martin Schäfer: Wenn sich Möglichkeiten ergeben, werden wir die prüfen. Es bestehen aber aktuell keine konkreten Absichten und auch kein Handlungsbedarf.

BTH Heimtex: Kommen wir auf die Wirth-Gruppe insgesamt zu sprechen. Sie ist seit dem Jahr 2000 von Grund auf restrukturiert und neu aufgestellt worden. Ist diese grundlegende Reorganisation abgeschlossen?

Peter Farber: Was den Bodenbelagsbereich anbetrifft, möchte ich mich selber zitieren: Never stop reorganizing. Wobei die fundamentale Restrukturierung abgeschlossen ist, die Hauptarbeit ist geschafft: Wir haben unser Produktportfolio so gestaltet, dass wir damit erfolgreich sein können. Wir haben Fliesen integriert, Nadelfilz und wir haben mit Dura Air einen höchst erfolgreichen Baustein. Der letzte wichtige Schritt ist jetzt zur Domotex die Vorstellung unserer Basiskollektionen.

BTH Heimtex: Wenn Sie zum textilen Vollsortimenter avancieren wollen, fehlt Ihnen noch die Webware im Produktportfolio. Würden Sie darin auch investieren?

Dr. Christian Schäfer: Da komme ich auf das zurück, was Sie vorhin gesagt haben: Man muss nicht alles selber machen. Im Webbereich gibt es genügend Leer-Kapazitäten, die wir nutzen könnten, wenn wir wollten.

Peter Farber: Ich habe sogar schon fertige Produkte auf dem Schreibtisch liegen. Wenn wir es wollten, könnten wir morgen mit Webware starten. Das ist aber momentan nicht unsere Absicht.

BTH Heimtex: Was wir bei Ihrer Akquisitionsstrategie noch ganz außen vorgelassen haben, ist die Teppichfabrik Malans in der Schweiz. Was versprechen Sie sich davon?

Peter Farber: Über die Teppichfabrik Malans haben wir zum einen unmittelbaren Zugriff auf den Schweizer Markt, der ein großes Potenzial birgt und zum anderen verfügen wir dort über eine PU-Beschichtungsanlage, übrigens die einzige in Europa.

BTH Heimtex: Wozu brauche Sie eine PU-Beschichtung?

Peter Farber: Zum Schallschutz. Das ist sowohl interessant für den Health Care-Bereich, als auch für Hotels und selbst für den Wohnbereich.

BTH Heimtex: Welche Voraussetzungen muss überhaupt ein potenzieller Akquisitionskandidat für Sie erfüllen?

Dr. Christian Schäfer: Sicher sind kleine Spezialisten hochinteressant, aber auch größere Einheiten, die interessante Profite machen, kämen in Frage.

BTH Heimtex: Und könnten Sie sich vorstellen, auch in nachgelagerte Marktstufen einzusteigen, sprich direkt in die Distributionsebene, wie es zum Beispiel in den USA vielfach praktiziert wird?

Dr. Christian Schäfer: Ganz klares Nein. Davon haben wir keine Ahnung und halten es auch für kontraproduktiv.

BTH Heimtex: Ich kann mich erinnern, dass Sie bei unserem letzten Gespräch stolz berichteten, dass Sie die Komplexität verringert und die Zahl Ihrer Positionen von 2.800 auf 1.400 verringert haben. Konterkarieren Sie diese Reduktion nicht durch Ihre ganzen Zukäufe, indem Sie wieder Positionen aufbauen müssen?

Dr. Christian Schäfer: Nein, wir bereinigen in dem Zuge ja auch die Doubletten.

BTH Heimtex: So viele Überschneidungen kann es ja gar nicht geben. Und Ihre Lieferfähigkeit muss gewährleistet sein, sonst springen Ihnen die alten Kunden ab - also ist ein gewisser Lageraufwand nötig.

Dr. Christian Schäfer: Wir haben ein sehr gutes Variantenmanagement, das wir von derlogistischen Seite her angegangen sind und unterscheiden nach A-, B- und C-Varianten - wobei wir festgestellt haben, dass wir auch noch eine D-Variante brauchen. Das funktioniert bestens.

BTH Heimtex: Herr Farber, Sie erwähnten vorhin Ihren erfolgreichen Baustein Dura Air. Mir gegenüber haben Sie den Absatz einmal auf 1 Mio. qm beziffert....

Peter Farber: Mittlerweile sind es sogar fast 2 Mio. qm.

BTH Heimtex: Aber wir reden hier nur von dem, was Sie in den Handel hinein verkauft haben. Wir hören immer wieder, dass Dura Air dort wie Blei liegt. Wie viele Quadratmeter sind denn tatsächlich abgesetzt worden?

Peter Farber: Der Verkauf ist enorm hoch. Man kann das auch nicht pauschalieren. Bei den Händlern, die sich für Dura Air engagieren, erreichen wir einen sehr hohen Lagerumschlag. Bei einem großen Filialisten etwa haben wir in sechs Monaten einen Wert erreicht, der seinen Jahresdurchschnitt deutlich übersteigt.

Grundsätzlich läuft Dura Air hervorragend in den klassischen Distributionswegen für hochwertigen Teppichboden, wo sich der Handel engagiert, wo er argumentiert, wo er Beratungskompetenz besitzt. Auch im Ausland ist das Thema Dura Air stark gefragt.

Bei uns hat Dura Air inzwischen einen Sortimentsanteil von deutlich über 20% mit steigender Tendenz und auch einen sehr stabilen Basis-Umsatz erreicht.

BTH Heimtex: In der Branche wird immer mal wieder spekuliert, dass der Bodenbelagsbereich am Tropf der Automobilzulieferung hängt und alleine gar nicht lebensfähig wäre. Ist da etwas dran?

Peter Farber: Der Bodenbelagsmarkt ist stark rückläufig und es ist kein Geheimnis, dass die Dura in den letzten zehn, zwölf Jahren dort auch verloren hat. Wenn der Markt schrumpft oder stagniert, muss man andere Wege suchen, um wieder zu wachsen: Entweder das Volumen steigern, das ist uns punktuell gelungen, oder den Rohertrag, also die Marge verbessern, das ist uns mit Dura Air deutlich gelungen, obgleich der ganze Markt von Preiserosion redet. Und natürlich muss man auch an der Kostenschraube drehen. Das ist uns ebenfalls gelungen.

Nehmen Sie zum Beispiel unser Objektgeschäft: Der Wettbewerb kolportiert immer, dass die Dura extrem preisaggressiv im Objekt vorgeht - dabei haben wir nicht ein einziges Objekt unter Mindestmarge gemacht. Wir legen nämlich vorher eine Mindestprofitabilität fest und an die halten wir uns. Wir haben erst vor kurzem wieder zwei Großobjekte gewonnen, auf die wir sehr stolz sind: Den Nordbahnhof in Berlin mit 50.000 qm und das Airport Center in Frankfurt mit 40.000 qm.

Um es kurz zu machen: Der Bodenbelagsbereich ist absolut lebensfähig.

BTH Heimtex: Dennoch stellt er für sich allein genommen eine schwierige Größe dar: Zu groß, um als Spezialist in der Nische zu überleben, zu klein, um wirklich breite und internationale Marktbedeutung zu haben.

Dr. Christian Schäfer: Das sehe ich nicht so. Für deutsche Verhältnisse stellen wir im oberen Marktsegment, in dem wir uns bewegen, schon eine große Kraft auf dem Markt dar. Wir können und wollen uns ja nicht mit Massenherstellern vergleichen.

BTH Heimtex: Und zu guter Letzt: Was erwartet uns bei der Dura auf der Domotex?

Peter Farber: Auf der Domotex werden wir dieses Mal mit zwei Ständen präsent sein. Im Rahmen der Contractworld hat das Architekturbüro Deutschland eine spektakuläre Vision für den Teppich für uns entwickelt, die wir dort auf 100 qm präsentieren werden.

In der gleichen Halle stellen wir auf über 200 qm zwei neue Teppichboden-Kollektionen vor - eine innovative Universalkollektion, Living Dura Air, die sowohl den Wohnbereich als auch das kleine und mittlere Objekt abdeckt und eine neue Objektkollektion, Contract Dura Air. Beide Kollektionen werden im neuen Layout bzw. CI präsentiert, das wir bereits 2004 erfolgreich im Markt eingeführt haben - mit toller Resonanz des Marktes.

BTH Heimtex: Und was passiert mit Ihrer alten Service-Kollektion Caprice? Wird sie von der neuen Kollektion ersetzt?

Peter Farber: Nein, die neue Kollektion kommt zusätzlich. Wir distanzieren uns von diesem üblichen Konzept der Laufzeiten. Die Caprice läuft recht stabil, warum sollten wir sie einstellen?

Dr. Christian Schäfer: Wir verfügen mit der Caprice über eine hervorragend etablierte Commodity-Kollektion im höherwertigen Marktsegment. Es wäre dumm - und es wäre unwirtschaftlich - sie abzulösen. Das kostet uns viel Geld, das kostet unsere Kunden viel Geld und es schafft überhaupt keinen Mehrwert.
aus BTH Heimtex 01/05 (Wirtschaft)