Entwicklungen im Holzgroßhandel - von Holzring-Geschäftsführer Olaf Rützel

"Der Wettbewerb für den Großhandel wird schärfer"

Weltweite industrielle Überkapazitäten und ein wachsendes, sich schnell veränderndes Warenangebot führen in der Holzbranche zu einem harten Preis-Leistungs-Wettbewerb. Gleichzeitig verlieren mitteleuropäische Märkte - und damit auch Deutschland - im globalen Wettbewerb mehr und mehr an Bedeutung. Olaf Rützel, Geschäftsführer der Handelskooperation Holzring, sieht für den deutschen Holzgroßhandel akuten Handlungsbedarf. Und das nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch mit Blick auf das zunehmende Interesse der Hersteller am Direktvertrieb und der wachsenden Bedeutung anderer Vertriebskanäle.

Die internationale Holzindustrie will derzeit neue Märkte in Amerika, Osteuropa und Asien erschließen. Da die Absatz- und Beschaffungsmärkte der Holzindustrie zunehmend globaler werden, gerät der Standort Deutschland/Mitteleuropa in einen Attraktivitätswettbewerb mit anderen Regionen. Große industrielle Investitionen z. B. in der Holzwerkstoffindustrie werden vornehmlich im Ausland getätigt - mit entsprechenden Auswirkungen auf den technischen Fortschritt, auf die Neuheiten und natürlich auf die Arbeitsplätze in Deutschland.

Zwischenhandel in Frage gestellt

Zusätzlich zum globalen Attraktivitätswettbewerb wird momentan die traditionelle Zwischenhandelsfunktion des Holzgroßhandels in Frage gestellt. Auf Grund des verschärften Preis- und Leistungswettbewerbs speziell in Deutschland werden bestehende Lieferanten- und Abnehmerbeziehungen kritischer geprüft. Der Holzgroßhandel gerät zunehmend zwischen Lieferanten, die den Direktvertrieb suchen, und Abnehmern, die den Direkteinkauf beim Hersteller anstreben.

Dieser Vorgang bekommt im deutschen Holzhandel eine besondere Dynamik, weil durch den fortlaufenden Konzentrationsprozess eine größere Marktmacht von Lieferanten und teilweise auch von Abnehmern zu beobachten ist. Eine erhöhte Preis- und Leistungstransparenz beeinträchtigt die Margenpolitik des Großhandels zusätzlich. Rationalisierung, Prozessoptimierung und auch Professionalisierung schreiten in konkurrierenden Marktsegmenten (Industrie und Do-It-Yourself) deutlich schneller voran als in klassischen Holzhandelsstrukturen. Der Wettbewerb durch neue Marktteilnehmer mit anderen Kernkompetenzen (Logistikunternehmen, Kommunikationsfirmen und Internetanbieter) führt zu noch mehr Konkurrenz im Holzhandel.

Problematische Wertschöpfung

Unabhängig von globalen und allgemeinen Änderungen im Marktumfeld gibt es zur Zeit Entwicklungen, die die Wertschöpfungsfunktion des Großhandels im mehrstufigen Vertrieb auf den Prüfstand stellen: Für den Kundenkreis Einzelhandel lässt die Preisgestaltung/Verkaufspreisempfehlung der Industrie dem Holzgroßhandel keinen Spielraum, um auskömmliche Margen für die Übernahme der Risikofunktionen zu erzielen. In der Preisgestaltung der Industrie wird lediglich die Marge für den Einzelhandel marktgerecht kalkuliert, das Delkredererisiko und das Lagerhaltungsrisiko des Großhandels kann nicht mehr kostendeckend übernommen werden.

Die zunehmende Verdichtung der Industriemarke im Absatzmarkt führt dazu, dass die Entwicklung einer differenzierten Preis- und Markenpolitik aus Großhandelssicht erschwert wird. Als Resultat verlieren Holzgroßhandel und Industrie gegenseitig an Attraktivität, wenn es um die Marktbearbeitung im mehrstufigen Vertrieb geht.

Handelsmarken etablieren

Eine weitere Kernkompetenz des Holzgroßhandels besteht darin, gemeinsam mit den Lieferanten eigene Sortimente zusammen zu stellen, zu bewirtschaften und zu vermarkten. Die Etablierung einer eigenen Handelsmarke ermöglicht eine für alle Beteiligten differenzierte Preispolitik, mit deren Hilfe die unterschiedlichen Marktsegmente bearbeitet werden können. Da Produkte und Dienstleistung nicht mehr so einfach zu vergleichen sind, mündet dieses differenzierte Vorgehen in höhere Erträge, gleichermaßen für Holzhandel und Industrie. Der Großhandel selbst verschafft sich auf diesem Wege mehr Handlungsfreiheit in der Preisgestaltung und im Vertrieb. Wenn im mehrstufigen Vertrieb die Holzindustrie und der Holzgroßhandel ergebnis- und ertragsorientiert zusammen arbeiten wollen, müssen die Instrumente des Marketing-Mix so eingesetzt werden, dass sie den entsprechenden Funktionen in der Wertschöpfungskette gerecht werden.

Über die Sortimentsfunktion hinaus übernimmt der Holzgroßhändler viele Funktionen, die zum Ziel haben, Angebote der Holzindustrie möglichst effektiv und effizient mit dem Bedarf der Abnehmer wie Einzelhändler oder Verarbeiter in Übereinstimmung zu bringen. Der Holzgroßhandel verringert die Zahl der Schnittstellen auf dem Weg vom Produzenten zum Abnehmer und umgekehrt. Er verbindet seine Lieferanten mit einer Vielzahl von Abnehmern und wird über diese Bündelungsfunktion seiner klassischen Aufgabe, der Reduzierung von Transaktionskosten, gerecht.

Stützpunkt- und Vertragshändlerfunktionen

Insbesondere bei Holzwerkstoffen werden momentan mehr und mehr Stützpunkt- oder Vertragshändler aufgebaut, die sich auf Produkte eines oder weniger ausgewählter Lieferanten beschränken. In Bezug auf Marketing, Preisgestaltung und Absatzgebiet werden hier bestimmte Spielregeln festgelegt. Dieses System der Vermarktung bietet - unabhängig von der wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit - auch eine Menge Vorteile für die Beteiligten. Die Profilierung des Händlers vor Ort durch eine exklusive Marke und die Erzielung einer tendenziell höheren Marge sind die Hauptargumente für die Etablierung von Stützpunkt- oder Vertragshändlern. Darüber hinaus bietet die Konzentration auf wenige marktstarke und wachstumsorientierte Lieferanten eine gute Möglichkeit, den Weg vom Produzenten zum Endabnehmer zu beschleunigen und zu verbilligen.

Allerdings besteht für den Handel die Gefahr, dass er auf Funktionen reduziert wird, die dem Vertragslieferanten dienen und in dessen strategische Ausrichtung passen. Andere Dienstleistungen des Großhandels wie Angebots- und Preisgestaltung sowie Werbung und Vertrieb rücken möglicherweise in den Hintergrund - was zu einer einseitigen Abhängigkeit führt und dem gemeinsamen Ergebnis nicht zuträglich ist. Die Rolle des Holzgroßhandels als aktiver Mitgestalter ganzer Wertschöpfungsketten muss auch von der Holzindustrie akzeptiert werden.

Auf der anderen Seite muss der Großhandel sowohl für seine Abnehmer als auch für seine Lieferanten einen deutlich wahrnehmbaren Nutzen anbieten und genügend Mehrwert schaffen. Die Lieferantenverbindungen sind vom Holzgroßhandel genauso intensiv und sorgfältig aufzubauen und zu pflegen wie die Beziehungen zu den Abnehmern im Einzelhandel und verarbeitenden Gewerbe.
aus Parkett Magazin 05/06 (Großhandel)